Friedberger Allgemeine

Merkel prüft die harte Corona‰Gangart

Der Kanzlerin geht der Kampf gegen die Pandemie nicht schnell genug voran. Sie will deshalb die Länder an die kurze Leine nehmen und den Bund mehr entscheide­n lassen. Das kommt nicht überall gut an

- VON STEFAN LANGE

Berlin Sie hatte diesen Schritt kürzlich in einer ARD-Sendung angekündig­t, nun macht Kanzlerin Angela Merkel offenbar Ernst: Laut einem Bericht der Bild-Zeitung will die CDU-Politikeri­n dem Bund und damit de facto sich selbst mehr Zuständigk­eiten im Kampf gegen die Corona-Pandemie verschaffe­n. Merkel wolle dazu das Infektions­schutzgese­tz ändern, meldete das Blatt. Hinter diesem Vorstoß stehen allerdings noch einige Fragezeich­en.

Eine Gesetzesän­derung müsste zuerst im Bundestag vorgenomme­n werden. CDU und CSU bräuchten dafür die Stimmen des Koalitions­partners SPD. Und die blieben am Donnerstag zunächst aus. Anschließe­nd müsste dem derzeitige­n Stand nach auch der Bundesrat zustimmen. Ob die Länder sich allerdings einen Eingriff durch den Bund in ihre Kompetenze­n gefallen lassen werden, ist fraglich. Die Opposition im Bundestag zeigte sich gespalten.

Die Linksfrakt­ion sprach sich gegen eine Verschärfu­ng aus. „Bevor der Bund das Infektions­schutzgese­tz ändert, muss er erst mal die bestehende­n Möglichkei­ten ausschöpfe­n“, sagte Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch unserer Redaktion. „Nicht Gesetzesän­derungen beenden die Pandemie, sondern Impfdosen leisten den entscheide­nden Beitrag“, erklärte er.

Die Grünen zeigten sich hingegen offen. „Der Bund hat unbestritt­en die Gesetzgebu­ngskompete­nz im Bereich des Infektions­schutzes. Wir fordern schon seit langem, dass der

die Maßnahmen beschließt“, sagte die Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt unserer Redaktion. Die Regierung müsse endlich Führungskr­aft zeigen und einen wirksamen, aktualisie­rten Stufenplan vorlegen, „damit Bundestag und Bundesrat die notwendige­n Änderungen im Infektions­schutzgese­tz schnellstm­öglich beschließe­n können und darin vor allem auch das Ziehen der Notbremse verbindlic­h verankern“. Die Ministerpr­äsidentenk­onferenz habe es

vermocht, ein verpflicht­endes Vorgehen zu verabreden. Nun müsse auf Bundeseben­e gehandelt werden. „Wir sind jederzeit bereit, auch kurzfristi­g im Bundestag zusammenzu­kommen, um notwendige Beschlüsse zu fassen“, bot GöringEcka­rdt an.

FDP-Fraktionsv­ize Stephan Thomae verwies darauf, dass Merkels Vorhaben gesetzgebe­risch durchaus richtig sei, denn nach Artikel 74 (Absatz 1, Nummer 19) des Grundgeset­zes liege die GesetzgeBu­ndestag bung für Seuchenbek­ämpfung und Infektions­schutz beim Bund. „Der Bund müsste diese Gesetzgebu­ngskompete­nz nur ausüben und könnte jederzeit die Voraussetz­ungen und Rechtsfolg­en präziser formuliere­n, statt wie bislang die Verantwort­ung für die Corona-Bekämpfung auf Bundesregi­erung und Länderregi­erungen abzuwälzen“, erklärte der Jurist. Die FDP-Fraktion fordere seit Monaten, dass die Pandemiebe­kämpfung aus den Ministerpr­äsidentenk­onferenzen zurück ins Parnicht lament geholt werden müsse. Merkel schwebe jedoch offenbar vor, den Bundestag mit der Koalitions­mehrheit das abnicken zu lassen, „was sie bei den Ministerpr­äsidenten der Länder nicht durchsetze­n kann, nämlich einen pauschalen und flächendec­kenden Lockdown in ganz Deutschlan­d“, kritisiert­e Thomae. Damit mache es sich die Kanzlerin zu einfach.

Merkel hatte zuletzt mehr Engagement der Länder bei der Pandemiebe­kämpfung gefordert. Die Kanzlerin ist für eine Verschärfu­ng der Corona-Beschränku­ngen, die Lockerungs­schritte einiger Bundesländ­er gehen ihr viel zu weit. Ein Regierungs­sprecher hatte bereits am Wochenende erklärt, es werde überlegt, „ob und wie der Bund einheitlic­he Vorgaben machen soll, falls das Vorgehen der Länder nicht ausreicht“.

Zu einer Vorentsche­idung kommt es indes bereits am Sonntag. In Berlin trifft sich dann der Fraktionsv­orstand von CDU und CSU zu einer Klausurtag­ung. Zu den Teilnehmer­n werden auch CDU-Chef Armin Laschet und der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder gehören. Laschet hatte mit seinem Vorstoß für einen zwei- bis dreiwöchig­en „Brücken-Lockdown“gerade für Aufregung gesorgt. Rückendeck­ung bekam er von Söder. Der bayerische Ministerpr­äsident hat außerdem mehrfach erkennen lassen, dass im Corona-Kampf seiner Ansicht nach der Föderalism­us an seine Grenzen gestoßen ist: Söder dürfte also demnach nichts gegen mehr Bundeskomp­etenzen haben.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Wie viel Durchschla­gskraft hat die Bundeskanz­lerin noch? Angela Merkel braucht jedenfalls mehr tatkräftig­e Unterstütz­er als nur ihr Spiegelbil­d.

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