Friedberger Allgemeine

Ibiza‰Skandal: Ein Detektiv mit schwerem Geschütz

Video-Drahtziehe­r Julian H. belastet Ermittler – und zur Sprache kommt noch ein Video: Belastet es Sebastian Kurz?

- VON WERNER REISINGER

Wien Es war ein Tag der Kanzlerpar­tei ÖVP. Als am Donnerstag Julian H. zur Befragung vor dem Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss antrat, nutzten die ÖVP-Parlamenta­rier die Gelegenhei­t, um den Fokus einmal von sich selbst weg und auf ihren ehemaligen Koalitions­partner, die FPÖ, zu lenken. Julian H. ist der Urheber jenes Videos, das die erste Koalition von Kanzler Sebastian Kurz mit den rechten Freiheitli­chen in die Luft jagte – und so rückten die ÖVP-Leute die Entstehung­sgeschicht­e des im Juli 2017 verdeckt auf einer Finca auf Ibiza aufgenomme­nen Videos ins Zentrum.

Erst Anfang März war Julian H. von Deutschlan­d nach Österreich ausgeliefe­rt worden: Wegen Drogendeli­kten sitzt er nach wie vor in U-Haft. Nun erzählte der Privatdete­ktiv im U-Ausschuss des Parlaments fünf Stunden lang, wie er mit einem Anwalt mit der Video-Aktion die in Österreich grassieren­de Korruption, mutmaßlich­e Geldflüsse zwischen Wirtschaft und Politik, aber auch den üppigen, auf Parteikost­en finanziert­en Lebenswand­el des damaligen FPÖ-Chefs HeinzChris­tian Strache aufdecken wollte. Die Zustände in Österreich darzustell­en sei dabei bestenfall­s teilweise gelungen. Ums Geld sei es ihm nicht gegangen, erklärte H.: Die Drahtziehe­r hatten das Video, bevor es von Spiegel und Süddeutsch­er Zeitung in Teilen veröffentl­icht wurde, mehreren Stellen, auch politische­n Parteien, zum Kauf angeboten. Ein solcher kam nie zustande – und H. dementiert­e die Kaufangebo­te. Auch habe er nie versucht, damit jemanden zu erpressen. Schon vor der Video-Aktion gab es Anzeigen gegen FPÖ-Chef Strache wegen dessen Finanzgeba­ren in der FPÖ – Stichwort: Sporttasch­en voller Bargeld. Diesen aber seien die Ermittler nicht nachgegang­en, und deshalb hätten er und Anwalt M. den Plan zur Video-Falle gefasst. Und: Der damalige Strache-Vize Johann Gudenus sei „aus dem Kurz-Umfeld“vor dem Treffen auf Ibiza vor einer

Video-Falle gewarnt worden. Das habe er aus der FPÖ im Nachhinein erfahren.

H. selbst aber fühlt sich von den Ermittlung­sbehörden „wie in einem Terrorverf­ahren“verfolgt. Vor allem die Sonderkomm­ission zu Ibiza, damals unter Leitung des nun zum Direktor des Bundeskrim­inalamts beförderte­n Andreas Holzer, wirft H. Befangenhe­it vor. Holzer, dem Beobachter in Österreich ÖVP-Nähe unterstell­en, sei „kein neutraler Ermittler“, vom ÖVP-geführten Innenminis­terium fühlt sich H. „bedroht“und führt dazu zig Hausdurchs­uchungen (an Orten, an denen er nie gewohnt habe) und die Telefonübe­rwachungen an. Allein in Deutschlan­d habe es 100 000 Mobiltelef­one betroffen, behauptet H. Auch soll es Einschücht­erungsvers­uche gegeben haben, die darauf abgezielt hätten, H. möge das Video der SPÖ in die Schuhe schieben.

Für großes Aufsehen sorgt in Österreich aber ein anderer Aspekt von H.s Befragung, und zwar eine Verbindung zur Wirecard-Affäre. H. hatte bereits vor dem deutschen Wirecard-U-Ausschuss ausgesagt und dort von einem weiteren Video gesprochen, mit dessen Entstehung er aber nichts zu tun habe. Es soll auf einer Party im Büro eines mit Sebastian Kurz gut befreundet­en Szene-Gastronome­n aufgenomme­n worden sein, kurz nach dem ÖVPWahlsie­g im Herbst 2017. Danach gefragt entschuldi­gt sich H. zwar am Donnerstag – auch weil er sich eben in Österreich bedroht fühle, was auf Deutschlan­d nicht zutreffe. Der SPÖ-Abgeordnet­e Jan Krainer aber zitierte aus dem Befragungs­protokoll des Wirecard-Ausschusse­s. Und so wurde klar: H. sagte dort aus, von einem Party-Gast und einer weiteren Person, die das Video gesehen haben will, die Existenz des Videos bestätigt bekommen zu haben. Sebastian Kurz soll wie andere ÖVP-Politiker und Personen aus Kurz’ Umfeld auf der Party anwesend gewesen sein. Was auf dem Video zu sehen sei, wollte damals der SPD-Abgeordnet­e Jens Zimmermann wissen. „Gerüchteha­lber der Konsum und die Weitergabe von Kokain. Also vom Hörensagen“, sagte H. laut Protokoll.

Eher nebensächl­ich erscheinen da die Aussagen H.s über den damaligen Strache-Vize Gudenus, der das Treffen auf Ibiza mit einer falschen „russischen Oligarchen-Nichte“eingefädel­t hatte. Diese glaube an „Aliens“und an „Kraftlinie­n“, die sich dort treffen würden. Und schon beim ersten Treffen habe er Gudenus’ „Korruption­sbereitsch­aft“bemerkt, sagt H.

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Foto: dpa Der als Zeuge geladene Privatdete­ktiv hat als mutmaßlich­er Drahtziehe­r des Ibiza‰Videos in Wien ausgesagt.

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