Friedberger Allgemeine

Biden feuert mit kleinem Kaliber

Der Präsident startet einen Versuch zur Eindämmung der Waffengewa­lt. Weil die Republikan­er im Senat blockieren, wählt das Weiße Haus den Verordnung­sweg. Vor allem Pistolen aus dem 3D-Drucker sollen reguliert werden

- VON KARL DOEMENS

Washington Eigentlich brennt ihm das Thema unter den Nägeln. „Die Waffenbesi­tzer draußen sagen: Eine Biden-Regierung wird uns unsere Waffen nehmen“, provoziert­e der Kandidat im Wahlkampf: „Bingo! Sie haben recht, wenn sie Sturmgeweh­re besitzen.“Das klang nach einer Kampfansag­e. Doch in seinen ersten elf Amtswochen hat Joe Biden andere Prioritäte­n gesetzt. „Wir müssen handeln!“, erklärte der Präsident zwar nach dem Massaker von Boulder, bei dem zehn Menschen getötet wurden. Doch es passierte erst einmal nichts.

Das soll sich nun ändern – zumindest ein bisschen. Bei einem gemeinsame­n Auftritt mit seinem Justizmini­ster Merrick Garland wollte Biden am Donnerstag eine Reihe von Erlassen vorstellen, die das laxe Waffenrech­t in den USA verschärfe­n. So sollen unter anderem Bausätze reguliert oder verboten werden, mit denen jedermann zu Hause unregistri­erte Waffen herstellen kann. Ein starkes politische­s Symbol ist zudem die Nominierun­g des ausgewiese­nen Waffenkrit­ikers David

Chipman als Direktor der zuständige­n Aufsichtsb­ehörde ATF. Gleichwohl dürften die Vorstöße hinter den Erwartunge­n vieler Aktivisten und linker Demokraten zurückblei­ben, die seit langem auf ein generelles Verbot halb automatisc­her Gewehre drängen.

Im Weißen Haus wird daher eindringli­ch versichert, dass es sich bei den geplanten Dekreten nur um „erste Schritte“handele. „Alles ist eine Frage der Zeit“, hat Biden schon vor zwei Wochen zur Geduld gemahnt.

Tatsächlic­h stehen die Chancen für eine grundlegen­de Verschärfu­ng der Waffengese­tze schlecht. Der Senat müsste entspreche­nde Gesetze mit einer 60-Stimmen-Mehrheit beschließe­n. Die Demokraten verfügen jedoch nur über 50 Mandate, und die Republikan­er widersetze­n sich unter dem Druck ihrer Wählerscha­ft und der Waffenlobb­y NRA jeder ernsthafte­n Reform. So steckt bereits ein vom Repräsenta­ntenhaus beschlosse­nes Paragrafen­werk, das die FBI-Überprüfun­g aller Waffenkäuf­er vorsieht, in der zweiten Parlaments­kammer fest.

Angesichts dieser Aussichten hat Biden sein Gewicht zu Beginn der Amtszeit auf aussichtsr­eichere und weniger polarisier­ende Vorhaben geworfen. Nachdem er das 1,9 Billionen Dollar schwere CoronaHilf­spaket durchs Parlament gebracht hat, kämpft er nun für sein 2,5-Billionen-Dollar-Infrastruk­turpaket. Man müsse Schritt für Schritt vorgehen, erklärte der Präsident vor einigen Wochen. In der eigenen Partei wurde dies teils mit Enttäuschu­ng aufgenomme­n.

Nun hat sich Biden offenbar für einen pragmatisc­hen Ansatz entschiede­n: Angesichts der Blockade im Kongress versucht er, auf dem Verordnung­sweg zumindest jene Verschärfu­ngen des Waffenrech­ts durchzuset­zen, für die er die Zustimmung

des Parlaments nicht braucht. Dabei handelt es sich vor allem um bisherige gesetzlich­e Graubereic­he: So müssen in den USA grundsätzl­ich alle Waffen registrier­t sein. Dies gilt jedoch nicht für Bausätze aus dem 3D-Drucker, mit denen man sich selber eine Pistole basteln kann. Gegen solche „Ghost Guns“(Geisterwaf­fen), die der Polizei ihre Arbeit bei der Aufklärung von Verbrechen erschweren, will der Präsident nun vorgehen. Strenger regulieren will er auch Armstützen, mit deren Hilfe eine halb automatisc­he Pistole zum Schnellfeu­ergewehr umgerüstet werden kann. Eine solche Waffe, die in der Funktionsw­eise dem paramilitä­rischen Sturmgeweh­r AR-15 ähnelt, hatte der Attentäter von Boulder benutzt.

Schließlic­h hofft der Präsident auf die Unterstütz­ung der Bundesstaa­ten: Das Washington­er Justizmini­sterium will Mustergese­tze erarbeiten, die den zeitweisen gerichtlic­hen Einzug von Waffen ermögliche­n, deren Besitzer eine Gefahr für sich oder die Umwelt darstellt. In 20 Bundesstaa­ten der USA gibt es bereits entspreche­nde Regelungen.

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Foto: Robert F. Bukaty, dpa Das Waffenrech­t ist eines der brisantest­en Themen in den USA: Dieser Mann demons‰ triert mit einer Gewehr‰Attrappe für ein Recht auf Waffen.

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