Friedberger Allgemeine

Das Auf und Ab der Corona‰Inzidenz

Mal dürfen sie öffnen, mal wieder nicht. Der Zickzackku­rs sorgt in München vor allem bei Händlern für Verunsiche­rung. Manche Kundin sieht das gelassener

- VON MICHAEL POSTL

München Die Münchner Innenstadt ist belebt. Einzig die Warteschla­ngen vor einigen Geschäften deuten an diesem Donnerstag darauf hin, dass sich Deutschlan­d aktuell im Ausnahmezu­stand befindet. Kunden und Einzelhänd­ler, so scheint es, haben sich mit der Situation arrangiert – trotz aller Verwirrung um das Auf und Ab der Inzidenzza­hlen. Noch vor Ostern hieß es, dass in Kürze die Notbremse greife. Dann aber gab es nur eine zweistündi­ge Ausgangssp­erre am Dienstagab­end. Bereits am Mittwoch war wieder alles beim Alten. Die Sieben-TageInzide­nz lag wieder unter 100 – entgegen allen Erwartunge­n.

Unter den Geschäftsl­euten herrscht dennoch einiger Unmut. Sie hatten damit gerechnet, keine Kunden mehr in die Läden lassen zu dürfen: „Click & Collect“statt „Click & Meet“. Kurzfristi­g mussten die Mitarbeite­r dann doch wieder in die Geschäfte geholt werden. „Dieses Hin und Her nimmt den Unternehme­n die Planungssi­cherheit“, sagt Florian Reil, Sprecher der IHK München. Zudem könne man auch Kunden nicht zumuten, Tag für Tag die aktuelle Inzidenz in der Zeitung nachzuschl­agen.

Zwei Münchnerin­nen, die gerade aus dem Kaufhaus Ludwig Beck am Marienplat­z kommen, sind da anderer Meinung: „Wir hören in der Früh immer Radio und entscheide­n dann spontan“, sagt eine von ihnen. Von Verwirrung könne keine Rede sein, „wir sind einfach nur froh, wenn die Läden offen haben“.

Dass sich die Situation von einem Tag auf den anderen wieder ändern kann, hängt nicht nur mit dem tatsächlic­hen Infektions­geschehen zusammen. Es gibt für das Hin und Her einen weiteren Grund: Die Zahlen sind nicht immer verlässlic­h. Vor Ostern ging der Trend eindeutig nach oben. Alle rechneten damit, dass bei einer Inzidenzza­hl über 100 wieder schärfere Regeln gelten. Tatsächlic­h aber wurden während der Feiertage weniger Erkrankung­en gemeldet – vermutlich weil viele Labore über Ostern nicht komplett oder gar nicht besetzt waren.

Für Einzelhänd­ler hat das empfindlic­he Folgen. Laut Christian Greiner, Vorstandsc­hef des Kaufhauses Ludwig Beck am Marienplat­z, müssen er und seine Mitarbeite­r maximal flexibel bleiben und „auf alle Veränderun­gen sehr schnell reagieren“. Nach einem Jahr Pandemie komme er jedoch ganz gut mit der Situation klar.

Ähnlich sieht es bei der Personalpl­anung aus. Sie werde zwar von dem Hin und Her „massiv beeinfluss­t“, sagt Greiner. Es sei manchmal kaum möglich, kurzfristi­g auf die neuen Bestimmung­en zu reagieren, „aber mittlerwei­le schaffen das die Kolleginne­n und Kollegen“. Um frühzeitig an die Informatio­nen zu den aktuellen Beschränku­ngen zu kommen, verlässt sich Greiner auf unterschie­dliche Quellen, primär jedoch auf die der Landesregi­erung.

Trotz dieser eher positiven Beschreibu­ng findet IHK-Sprecher Reil, dass der Meldeverzu­g über Ostern für Verwirrung sorgt. Nicht selten melden das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) unterschie­dliche

Zahlen. Das LGL übermittel­t die von den Gesundheit­sämtern erhaltenen Fallzahlen mehrmals täglich ans RKI. Laut einer Sprecherin können deshalb und aufgrund der hohen Fallzahlen und unterschie­dlicher Aktualisie­rungszeitp­unkte der Webseiten unterschie­dliche Zahlen auftreten. Auch technische Probleme seien nicht auszuschli­eßen.

Handelsver­bandssprec­her Ohlmann berichtet derweil von zahlreiche­n Anrufen von Händlern, die sich danach erkundigen, was denn gerade gelte. Ohlmann geht davon aus, dass etwa 90 Prozent der Münchner Händler den Online-Bestellser­vice nutzen – dieser decke jedoch lediglich 50 bis 70 Prozent des Umsatzes. „Das ist aber besser als nichts“, sagt Ohlmann, der auch auf den für viele Betriebe wichtigen Kundenkont­akt verweist. Dieser sei jedoch nur vollumfäng­lich gewährleis­tet, wenn auch die Kunden über die Regelungen Bescheid wüssten. „Viele gehen aber auch nur auf Verdacht in die Stadt.“Oder eben auch nicht.

Lesen Sie dazu auch den

„Selbstgema­chtes Durcheinan­der“auf der ersten Bayern-Seite.

Ungewisshe­it erschwert die Personalpl­anung

 ?? Archivfoto: Peter Kneffel, dpa ?? Das Auf und Ab der Inzidenzwe­rte sorgt bei Münchner Einzelhänd­lern für Unmut. Einige arrangiere­n sich jedoch mit ihrer misslichen Lage und setzen auf die Flexibilit­ät ihres Personals.
Archivfoto: Peter Kneffel, dpa Das Auf und Ab der Inzidenzwe­rte sorgt bei Münchner Einzelhänd­lern für Unmut. Einige arrangiere­n sich jedoch mit ihrer misslichen Lage und setzen auf die Flexibilit­ät ihres Personals.

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