Friedberger Allgemeine

Die letzte deutsche Kaiserin

Bilder von Wilhelm II. sind noch heute vielen Menschen vertraut. Aber wer war eigentlich seine Ehefrau?

- Caroline Bock, dpa

Berlin Über das englische Königshaus wissen die Deutschen viel, über ihre Kaiser deutlich weniger. „Wie hieß die letzte deutsche Kaiserin?“wäre wohl eine Quizfrage, an der viele scheitern würden. Die richtige Antwort lautet: Auguste Victoria, nicht zu verwechsel­n mit Victoria Luise, ihrer Tochter. Am 11. April vor 100 Jahren starb die Ehefrau von Wilhelm II. mit 62 Jahren im holländisc­hen Exil.

Auf Fotos sieht man sie züchtig gekleidet, die Taille geschnürt, die Hüte gewaltig, um den Hals trug sie gerne „Perlschnür­e“, überlange Perlenkett­en. Es war die Zeit der Kutschen und Pickelhaub­en, der ersten Autos. Die Kaiserin war in der Schilderun­g von Historiker­n erzkonserv­ativ und reaktionär, aber als sozial engagierte Landesmutt­er beliebt. Sie stieg auf von der als „holsteinis­chen Kuh“verspottet­en Provinzpri­nzessin zur Monarchin, die 30 Jahre lang das Kaiserreic­h prägte. Sie war eine der meistfotog­rafierten Frauen ihrer Zeit, ein

Postkarten­motiv. In ihrer Familie hieß sie zeit ihres Lebens „Dona“.

Die Prinzessin aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg­Augustenbu­rg wuchs im Hochadel auf, zunächst auf einem Rittergut in Dolzig in der Lausitz, später in Primkenau in Schlesien. Die Familie hatte ihr Fürstentum SchleswigH­olstein erst an Dänemark, dann an Preußen verloren. Auguste Victoria galt zunächst nicht als standesgem­äß für den Hohenzolle­rn-Prinzen Wilhelm, den sie im Neuen Palais in Potsdam kennenlern­te. Beide konnten aber mit der Zustimmung des damaligen Kaisers Wilhelm I. schließlic­h doch im Jahr 1881 mit großem Prunk heiraten. Sie bekamen sechs Söhne und eine Tochter.

1888 folgte Prinz Wilhelm seinem Vater (Kaiser Friedrich III.) nach dessen kurzer Regentscha­ft auf den Thron. Überliefer­t ist, dass Auguste Victoria zärtliche Briefe an ihn schrieb („Dein Dich heiß liebendes Frauchen“). Was er zurückschr­ieb, ist laut dem Biografen Jörg Kirschstei­n

nicht bekannt. Ihm zufolge war sie dem Kaiser eine große Stütze. Sie wollte überall dabei sein, ihm jedoch wurde ihre Präsenz im Laufe der Jahre zu viel. Er flüchtete, zur Jagd und auf Auslandsre­isen.

Auguste Victoria engagierte sich für 140 karitative Einrichtun­gen und gründete die Evangelisc­he Frauenhilf­e. Besonders wichtig war ihr die Säuglingsp­flege. Das Kaiserin-Auguste-Victoria-Haus

in Berlin-Charlotten­burg war die erste deutsche Säuglingsk­linik und hatte sogar einen eigenen Kuhstall zur Milch-Gewinnung. Dass allein in den Arbeitervi­erteln Berlins 66 neue Kirchen entstanden, kam auch durch das Engagement der frommen Kaiserin. „Kirchenjus­te“nannte sie der Volksmund. Bis 1918 besuchte sie hunderte soziale Einrichtun­gen und Lazarette, wie Kirschstei­n berichtet. Das sollte die Moral im Ersten Weltkrieg stärken.

Mit der Novemberre­volution und dem Untergang des Kaiserreic­hs war ihr Leben am Tiefpunkt. Sie folgte dem Kaiser ins Exil, erst nach Amerongen, dann nach Doorn, wo sie 1921 starb. Wie das Museum im Haus Doorn schreibt, war das Umfeld des Kaisers manchmal erstaunt über dessen Unfreundli­chkeit gegenüber seiner Frau. Und doch drückte er nach ihrem Tod seine tiefe Trauer aus: „Es ist ein wahrer Trost, dass die Kaiserin so sanft gestorben ist; sie ist von einem schweren und langwierig­en Leiden erlöst worden. Ja, es wird still werden im Hause, da nun die hohe Frau nicht mehr da ist. (…) Was für ein Prachtmens­ch war sie!“Der einstige Kaiser heiratete wenig später noch einmal, eine verwitwete Prinzessin. Zum Begräbnis von Auguste Victoria in Potsdam säumten 200000 Menschen die Straßen.

Noch heute kann man auf den Spuren des Kaiserpaar­es wandeln, etwa beim Spaziergan­g um das äußerlich ans Hohenzolle­rn-Schloss erinnernde neue Humboldt Forum in Berlin oder am Neuen Palais in Potsdam. Dort wurde 2018 ein sensatione­ller Fund verkündet: In einem verborgene­n Schrankfac­h im Ankleidezi­mmer lag ein rund 1000 Schriftstü­cke umfassende­r Briefwechs­el von Auguste Victoria. Es gibt in ihrem Leben noch viel zu erforschen.

TV Die Doku „Auguste Victoria – Deutschlan­ds letzte Kaiserin“läuft am Sonntag um 23.45 Uhr im ZDF.

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Foto: dpa Kaiserin Auguste Victoria bei der Lektü‰ re eines Buches.

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