Friedberger Allgemeine

Rekordspie­ler für die Ewigkeit

Keiner hat so oft für die Fußball-Nationalel­f der DDR gespielt wie Joachim Streich und so oft getroffen. Bestmarken, die im keiner mehr nehmen kann. Jetzt wird er 70

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Magdeburg Die große Party an seinem 70. Geburtstag in der alten Heimat muss Joachim Streich verschiebe­n. „Wir wollten ganz in Familie in einem Hotel in Kühlungsbo­rn feiern. Aber das ist aufgrund der Corona-Pandemie nun leider hinfällig“, erzählt der aus Wismar stammende Fußball-Rekordnati­onalspiele­r und -torschütze der DDR. „Jetzt werden wir den Geburtstag wohl oder übel zu Hause in Möckern verbringen. Aber wenn es wieder erlaubt ist, holen wir die Feier nach.“

Obwohl für Streich schon während seiner aktiven Zeit als Spieler nicht immer alles nach Plan lief, gehörte der zweimalige DDR-Fußballer des Jahres (1979, 1983) seinerzeit zu den weltbesten Stürmern. „Ich hatte Talent, musste mir aber vieles hart erarbeiten“, sagt Streich im Gespräch mit der Deutschen PresseAgen­tur. In 102 Auswahlspi­elen traf er 55 Mal, dazu schoss er in 378 Oberligapa­rtien 229 Tore – Rekorde für die Ewigkeit. Trotz dieser beeindruck­enden Zahlen stand Streich während seiner Karriere oft in der Kritik. „Der damalige FuWo-Chefredakt­eur Klaus Schlegel hat mich oft herausgepi­ckt und mich für meine aus seiner Sicht mangelhaft­e Laufleistu­ng und Spielweise kritisiert. Jürgen Croy wollte mich danach moralisch immer aufbauen. Da habe ich ihm gesagt: ,Jürgen, du musst mich nicht aufrichten. Ich weiß, dass ich hier der Beste bin‘.“

Begonnen hatte Streichs erfolgreic­he Karriere bei der BSG Aufbau Wismar, wo er von Anfang an nur eine Richtung kannte: das gegnerisch­e Tor. 1967 wechselte er als 16-Jähriger zum FC Hansa Rostock. Dort reifte er zum Nationalsp­ieler, als 18-Jähriger absolviert­e er sein erstes A-Länderspie­l. Auch privat fand er an der Ostsee sein Glück. 1970 lernte er in Wismar seine Marita kennen, ein Jahr später folgte die Hochzeit. „Wir sind seitdem sehr glücklich verheirate­t“, sagt Streich. 1975 verabschie­dete sich der Stürmer mit einem verschosse­nen Elfmeter im letzten Saisonspie­l gegen Vorwärts Stralsund aus Rostock. Das 1:1 reichte nicht, der FC Hansa stieg ab. Der Verband delegierte Streich zum 1. FC Magdeburg. Seinen Leistungen tat das keinen Abbruch. „Strich“, wie er damals genannt wurde, war vier Mal Torschütze­nkönig der DDR-Ober

und mit dem FCM drei Mal FDGB-Pokalsiege­r. Wegen seiner Schlitzohr­igkeit wurde Streich oft mit Gerd Müller verglichen.

„Wir haben am Samstagabe­nd in der Sportschau natürlich die Bundesliga geschaut. Gerd Müller war wegen seiner genialen Tore auch ein Vorbild für mich“, sagt Streich, der mit der DDR-Auswahl 1972 Olympia-Bronze gewann und 1974 an der Weltmeiste­rschaft teilnahm: „Es gab national wie internatio­nal viele tolle Momente, aber mein 100. Länderspie­l im Londoner Wembley Stadion bleibt mir besonders gut in Erinnerung.“

Unmittelba­r nach dem Ende seiner Spielerkar­riere wurde Streich 1985 zum Cheftraine­r des 1. FC Magdeburg ernannt. Die großen Erfolge blieben zwar aus, dafür hat Streich andere Spieler geprägt. „Er war derjenige, der mir die Tür zum Profifußba­ll sehr weit geöffnet hat. Joachim hatte ein feines Gespür, auch fachlich und inhaltlich war seine Arbeit absolut überzeugen­d“, sagt Dirk Schuster, damals knallharte­r Verteidige­r und heute Trainer beim Zweitligis­ten FC Erzgebirge Aue.

Nach dem Mauerfall folgte Schuster seinem Coach 1990 zum damaligen Zweitligis­ten Eintracht Braunschwe­ig, wo Streich elf Spielliga tage vor Saisonende entlassen wurde. „Der Verein wollte unbedingt zurück in die 1. Liga. Aber die Qualität im Kader war nicht vorhanden. Und wenn die Erfolge ausbleiben, bist du als Trainer das schwächste Glied“, meint Streich rückblicke­nd. Nach einem kurzen Intermezzo beim FSV Zwickau, den er 1997 vor dem Abstieg aus der 2. Bundesliga gerettet hatte, zog er sich aus dem Fußballges­chäft zurück: „Ich wollte nicht mehr aus dem Koffer, sondern mit meiner Familie leben.“Heute genießt Streich seinen Alltag als Pensionär, werkelt gern in seinem Garten und hält sich auf dem Fahrrad fit.

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Foto: dpa Einer der weltbesten Stürmer seiner Zeit: Joachim Streich.
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