WaldwinkelWirtin: Auszeit nach 35 Jahren
Gastronomie Aus gesundheitlichen Gründen hat Margit Ketterle ihr Lokal in Inningen geschlossen. Ob es im Sommer weitergehen kann, hängt von zwei Faktoren ab
Seit über 60 Jahren betreibt die Familie Ketterle das Lokal Waldwinkel in Inningen. Nun machen sich viele Gäste Sorgen. Wirtin Margit Ketterle verkündete auf der Homepage ihrer Gaststätte, dass der Waldwinkel vorerst nicht geöffnet sein werde. Seit 1. April ist die Wirtschaft, die sich in der Fuchssiedlung befindet, geschlossen. In einigen Monaten werde es absehbar, ob und wie sie weitermacht, erklärt sie im Gespräch.
Mit viel Herzblut hat Margit Ketterle die Wirtschaft in den vergangenen 35 Jahren geführt. Sie übernahm das Lokal von ihren Eltern. Theresia und Michael Ketterle hatten 1953 in dem Haus, das früher einmal als Ferienhaus der Schneiderinnung genutzt wurde, den Betrieb aufgenommen. Schon in jungen Jahren bekam Margit Ketterle mit, was das für ein „harter Job“war. Ihre Eltern hatten stets wenig Zeit, bis zur „Selbstaufgabe“hatten sie oft ihre Kraft in das Lokal gesteckt. Dennoch fing sie ebenfalls an, im gastronomischen Bereich zu arbeiten. Mal als Bedienung, mal als Küchenhilfe. Als die Mutter 1980 starb, übernahm ihr Bruder kurzfristig das Lokal, dann stand es fünf Jahre leer.
1985 nahm sie ihren Mut zusammen und eröffnete den Waldwinkel gemeinsam mit ihrem Ehemann. Darauf hatten viele Gäste, die bereits von den Eltern bewirtet wurden, nur gewartet. Schnell füllte sich das Lokal wieder. „Sonntagmittag hatten wir oft über 100 warme Essen“, erzählt sie. Das Lokal bedeutete viel Arbeit. „Anfangs hatten wir dienstags nur einen Ruhetag und da ging ich meist einkaufen“, erinnert sie sich. In der Küche sei alles selber gemacht worden, wie Soßen oder Spätzle. Für letztere Beilage entwickelte sie eine eigene Produktionsweise. „Anfangs hatte ich 360 Eier und 20 Kilogramm Mehl mit den Händen verarbeitet. Dann haben wir einen Edelstahlmixer an der Bohrmaschine drapiert und den Teig in einer Wanne zubereitet. Dann mussten sie auch noch gehobelt werden“, erzählt sie. Irgendwann habe das Geld für eine elektrische Spätzlemaschine gereicht. Viele Stammgäste hielten ihr über all die Jahre die Treue. Gerne erinnert sie sich an die gemeinsam gefeierten Sommerfeste zurück. Das man nie
stehen dürfe in der Gastronomie, habe sie aber auch im Laufe der Jahre gelernt. Durch ihre Homepage und ihre Seite auf Facebook konnten sie immer wieder neue Gäste auf den Waldwinkel aufmerksam machen und mit ihrer Auswahl an schwäbischen, bayerischen und asiatischen Gerichten überzeugen.
Auch als sich im vergangenen Jahr die Corona-Pandemie in unserer Region ausbreitete, hielten ihr viele Gäste die Treue. „Es gibt Stammgäste, die sich jede Woche etwas geholt haben.“Firmen wie Oswald, Elektrotechnik Mohr oder Leserkreis Daheim kauften an Weihnachten Gutscheine bei ihr, um sie zu unterstützen. Der Rückhalt habe sie sehr gefreut und auch bestärkt. Doch dann wurde sie krank. Derzeit gehe es ihr gut, doch in den kommenden Monaten brauche sie vor allem eines: Ruhe. „Bis zum Sommer werde ich sicherlich nicht aufmachen können“, weiß sie schon jetzt. Und dann müsse sie abwarten, wie sich die Corona-Lage entwickelt habe. „Im vergangenen Jahr war dieses Hü und Hott sehr schwierig. Es ist eine sehr unsichere Zeit für die Gastronomie, und ich befürchte, dass sich diese Situation noch durch das ganze Jahr ziehen wird.“
Ende März hat sie ihr Lokal erst einmal geschlossen. Derzeit empfindet sie die viele freie Zeit noch als ungewöhnlich. „An Ostern hatte ich ein Osteressen bei mir. Das hatte ich in den vergangenen 35 Jahren nicht. Da war das Lokal immer geöffnet und ich stand in der Küche“, sagt sie. Ihr Lebensgefährte Bernhard Mayr, ihr Sohn Bernd Lorenz, Familie und Nachbarschaft seien für sie da. „Ich habe einen großen Bestill kanntenkreis. Nachdem ich das Lokal geschlossen hatte, haben sich viele bei mir gemeldet“, berichtet Margit Ketterle. Sie ist 61 Jahre alt und würde gerne noch ein wenig arbeiten, wenn es wieder geht. Doch darüber könne sie jetzt keine Aussagen treffen. Ihre Stammgäste sollen die Zeitung lesen und die Einträge auf der Homepage oder auf Facebook verfolgen, wie und wann es weitergehe. „The Show must go on“, sagt sie kämpferisch, die Show müsse weitergehen.