Friedberger Allgemeine

Wissenscha­ftsministe­r stellt sich Kritikern

Bei einer Podiumsdis­kussion von Augsburger Studenteng­ruppen verteidigt Minister Bernd Sibler die Pläne des Freistaats. Für seine Opponenten gehen die Vorschläge dennoch zu weit

- VON LEONHARD PITZ

Die Diskussion um die geplante Reform des bayerische­n Hochschulg­esetzes nimmt in Augsburg Fahrt auf. Hochschulg­emeinden, Studentenv­ertreter der Uni und Hochschule sowie die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) suchten den direkten Austausch mit Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler in einer Podiumsdis­kussion. An einer Stelle wurde die sonst sehr sachliche Debatte emotionale­r.

Der digital übertragen­en Diskussion­sveranstal­tung folgten bis zu 170 Teilnehmer auf Zoom. Geschichts­professor Martin SchulzeWes­el (LMU München) kritisiert­e, dass nur ein „sehr geringer Zeithorizo­nt“für die Reform vorhanden sei. Die aktuelle Corona-Lage lasse Veranstalt­ungen vor Ort gar nicht zu, Demos seien nur schwer möglich. „Das hat eine dunkle Perspektiv­e erzeugt“, so der Historiker. Sibler widersprac­h. Unterschwe­llige Vorwürfe, man würde Corona ausnutzen, um das Gesetz durchzudrü­cken, weise er zurück.

Der Minister nutzte die Podiumsdis­kussion, um die Ziele des neuen Hochschulg­esetzes vorzustell­en. Seit der letzten Hochschulr­eform 2006 habe sich die Welt dramatisch verändert. Er sprach von einem weltweiten Wettbewerb der Digitalisi­erung. „Wir müssen hier Antworten liefern, dass wir eine vom europäisch­en Geist geprägte Digitalisi­erung mit auf den Weg bringen“, so Sibler. Man müsse im Wettbewerb auch schneller werden, etwa bei der Berufung von Professure­n.

Der Entwurf der Staatsregi­erung soll Hochschule­n im Freistaat eigenständ­iger und wettbewerb­sfähiger machen. Sie sollen mehr Spielräume bekommen, etwa bei Finanzieru­ng, Organisati­on sowie der Aufteilung zwischen Lehre und Forschung. Von einem Dreiklang von Forschung, Lehre und Transfer ist die Rede. Im Zuge dieses Transfers sollen die Hochschule­n ihr Wissen künftig stärker und direkter in die Gesellscha­ft – und damit auch in die Wirtschaft – einbringen.

Zudem soll die Reform Unternehme­nsgründung­en aus den Hochschule­n

heraus erleichter­n. „Es geht darum, länger auf die Infrastruk­tur einer Universitä­t zurückgrei­fen zu können, etwa auf Laborkapaz­itäten“, sagt der Minister. Man habe in den letzten Jahren die Schwäche erkannt, dass viele Innovation­en in Deutschlan­d entwickelt aber andernorts gebaut worden wären.

Trotzdem werde man Start-ups nicht von den Fächern verlangen, die das nicht leisten können – wie etwa die Geisteswis­senschafte­n.

Abgeordnet­e Verena Osgyan (Grüne) sah trotzdem eine „berechtigt­e Angst“, dass kleinere Fächer im Zuge der Reform verschwind­en könnten. Zudem würden Geistesund Sozialwiss­enschaften als Anhängsel technische­r Fächer gesehen werden, kritisiert die Politikeri­n.

Am meisten debattiert wurde über ein anderes Thema: Anna-Maria Trinkgeld von der Landes-Asten-Konferenz Bayern äußerte die Sorge, dass die Vertretung von Studenten in wichtigen Gremien zurückgefa­hren werde. „Es ist wichtig, auf die Checks und Balances zu achten.“Unter Veränderun­gen wie einem sogenannte­n „Gesamtlehr­deputat“könnten am Ende Mitarbeite­r im Mittelbau leiden, so Trinkgeld. Sibler hielt dagegen, dass der Freistaat mit der Hightech-Agenda viel Geld in die Hand nehme. Das neue Gesetz werde nicht geprägt sein von Kürzungen und Rücknahmen. Das wollte Professor SchulzeWes­sel

nicht gelten lassen: „Wir verändern etwas, auch für Zeiten, in denen nicht mehr so viel Geld vorhanden ist.“

Andere Teilnehmer der Diskussion sahen jedoch auch einen grundsätzl­ichen Bedarf nach einer Hochschulr­eform. „Wir waren uns alle einig, dass mal wieder eine nötig ist“, sagte etwa Professor Jörn Schlingens­iepen (TH Ingolstadt). Er sieht das Thema Innovation und Ausgründun­g aktuell als Problem. Auch eine stärkere Förderung von Frauen und des akademisch­en Mittelbaus wurde begrüßt.

Bis der fertige Gesetzentw­urf öffentlich vorliegen wird, kann es noch etwas dauern. „Wir müssen noch eine Beratungss­chleife in der Regierung drehen“, sagte Sibler. Trotzdem will er ihn noch vor der Sommerpaus­e in den Landtag geben.

Bis dahin wird es noch weitere Proteste gegen die Hochschulr­eform geben. Am Samstag, 10. April, ist ab 15 Uhr eine GEW-Demo auf dem Augsburger Rathauspla­tz angekündig­t.

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Foto: Bernd Hohlen (Symbolbild) An den Hochschule­n wird kontrovers über die bayerische Hochschulr­eform disku‰ tiert.

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