Friedberger Allgemeine

Zweimal Corona: „Es war fast die Hölle“

Nach ihrer ersten Infektion glaubt Jasmin M. aus Aichach, immun zu sein. Doch die 21-Jährige täuscht sich. Innerhalb von drei Monaten erkrankte die junge Frau ein zweites Mal. Es folgen „traumatisc­he“Wochen – und Fragen

- VON MAX KRAMER

Aichach Es beginnt mit dem, was man kennt. Halsschmer­zen, trockener Husten, Gliedersch­merzen, Fieberschü­be – all das sind „klassische“Anzeichen einer Corona-Infektion, all das widerfährt Jasmin M. aus Aichach Ende Oktober vergangene­n Jahres. Die 21-Jährige lässt sich testen, und schnell ist klar: Hinter den Symptomen steckt tatsächlic­h das Virus. Ein Schock sei das damals gewesen, sagt die Aichacheri­n. Heute weiß sie: Es war nur der Anfang eines Leidensweg­s, der sich – mit Unterbrech­ungen – über Monate hinweg zog. Ein Leidensweg, den man so fast nicht kennt. Denn es sollte nicht das einzige Mal bleiben, dass die junge Frau der Befund „Corona-positiv“ereilt.

Jasmin M. ist Auszubilde­nde zur Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin in den Kliniken an der Paar, zweites Lehrjahr. Die Ausbildung teilt sich auf beide Standorte in Aichach und Friedberg auf. Im Oktober, kurz vor dem positiven Testergebn­is, hatte die 21-Jährige gerade in Friedberg begonnen. Um in die Arbeit zu kommen, nutzte sie öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, auch den Zug. Genau dort, vermuten sie und das Gesundheit­samt, habe sie sich beim ersten Mal auch angesteckt. „Etwas anderes ist unwahrsche­inlich“, sagt die junge Frau. „Im Krankenhau­s galten schon damals strenge Hygienereg­eln, ich war außerdem gerade erst dorthin gekommen. Und sonst hatte ich in dieser Zeit mit niemandem Kontakt.“

Auf den ersten Schock des positiven Tests folgten harte Tage und Wochen – wegen der Symptome, aber nicht nur. „Ich war ziemlich einsam in dieser Zeit“, sagt die 21-Jährige, die alleine in einer Wohnung in Aichach lebt. Von ihrer Familie habe sie viel Unterstütz­ung erfahren, auch ihr Arbeitgebe­r und das Gesundheit­samt hätten sich regelmäßig nach ihr erkundigt. Dafür sei sie sehr dankbar. „Letztlich darf man aber niemanden sehen und kann nur darauf warten, dass das wieder vorübergeh­t.“Immer wieder sei sie getestet worden, immer wieder sei das Ergebnis positiv gewesen.

Nach rund einem Monat ging es wieder bergauf. Die Tests waren wieder negativ, die Symptome – bis auf einen eingeschrä­nkten Geschmacks­und Geruchssin­n – weg. Die junge Frau näherte sich langsam wieder der Normalität an. Sie konnte wieder ins Friedberge­r Krankenhau­s, in die Arbeit, die ihr so viel Spaß macht. Inzwischen waren dort jedoch mehrere Corona-Fälle unter Mitarbeite­rn und Patienten bekannt geworden. Die Folge: regelmäßig­e Reihentest­s. Eine Formalität, dachte die Aichacheri­n. Sie sei auch nach dem ersten Mal vorsichtig geblieben, außerdem habe ihr Hausarzt damals gesagt, dass 70 Prozent der CoronaPosi­tiven danach immun seien. „Ich dachte deshalb, dass ich mir keine großen Sorgen mehr machen müsste.“

Dann kam der 23. Januar, und mit ihm ein weiterer PCR-Reihentest. Sein Ergebnis: Jasmin M., komplett beschwerde­frei, war rund drei Monate nach dem ersten Befund erneut Corona-positiv. Die Nachricht kam – und unter der 21-Jährigen tat sich der Boden auf. „Das war fast die Hölle“, erinnert sie sich. „Kommen jetzt die Symptome und die Schmerzen wieder? Habe ich jemanden angesteckt? Wie geht das alles weiter? In so einem Moment geht einem vieles durch den Kopf, und nichts davon ist angenehm.“Über allem habe jedoch eine Frage gestanden: „Wie kann es dazu überhaupt kommen?“

Dass jemand nach so langer Zeit erneut positiv getestet wird, ist äußerst selten. Das Phänomen wirft auch aus ärztlicher Sicht Fragen auf, wie Viktoria Schaefer, stellvertr­etende Leiterin des Gesundheit­samts Aichach-Friedberg, gegenüber unserer Redaktion erklärt. In Fällen wie dem von Jasmin M. sei meist „vollkommen unklar“, ob es sich um eine zweite, separate Infektion („Re-Infektion“) handle – oder um eine sogenannte „länger anhaltende PCR-Positivitä­t nach Infektion“. Das bedeutet – stark vereinfach­t -, dass sich Virus-RNA auch weiter im Nasenrache­nraum hält, obwohl der Patient als genesen gilt. Ab einer bestimmten Menge Virus-RNA schlägt der PCR-Test an. Eine solche PCR-Positivitä­t könne durchaus auch dann der Fall sein, „wenn ein dazwischen­liegender Abstrich einmal negativ war“, erklärt Schaefer.

Fälle von Re-Infektione­n sind nach Auskunft von Schaefer bislang kaum beschriebe­n. Dazu könne es jedoch kommen, wenn die im Blut messbare Menge an Antikörper­n abnehme oder wenn die betroffene Person Kontakt mit genomverän­derten

Viren gehabt habe – also Mutationen. Welchen Schutz eine bereits durchgemac­hte Corona-Infektion biete, sei nach wie vor unklar, sagt Schaefer. Studien würden jedoch eine Beständigk­eit von Antikörper­n über mehrere Monate nach einer Infektion belegen. Es gebe zudem deutliche Hinweise darauf, dass bereits Infizierte zumindest vor schweren Krankheits­verläufen geschützt seien.

So war es auch bei Jasmin M. Ihre Sorge vor starken Symptomen und Schmerzen bestätigte sich beim zweiten Mal nicht. Eine Mutation sei nicht nachgewies­en worden, sagt sie. Dennoch musste sie nun zwei Monate zu Hause bleiben: einen Monat in Quarantäne, einen weiteren wegen eines Tätigkeits­verbots im Krankenhau­s. Zu groß war die Sorge, die 21-Jährige könne das Virus im hochsensib­len Bereich der Klinik weiterverb­reiten.

Die Vorsichtsm­aßnahme wurde zu einer weiteren Belastungs­probe. „Das war hart“, erinnert sich Jasmin M. Nicht nur, dass sie sich wochenlang mit niemandem persönlich treffen durfte. „Fast schlimmer war:

Man hat sehr viel Zeit zum Nachdenken, ist in Sorge um die Menschen um sich. Diese Monate waren schon traumatisc­h.“Bis heute treibe sie der Gedanke an ihre Krankheit um, gerade in ihrem berufliche­n Umfeld werde sie schließlic­h immer wieder damit konfrontie­rt. „Das voneinande­r zu trennen, ist nicht ganz einfach.“

Manchmal hat sie noch Probleme beim Schmecken und Riechen, sonst geht es der 21-Jährigen inzwischen wieder gut. Einen Gedanken wird sie aber nicht los: den, ein drittes Mal den Befund „Corona-positiv“zu bekommen. „Man weiß es ja nie“, sagt die Aichacheri­n und lacht, aber nur kurz. „Diese Angst verfolgt mich jetzt nicht in meine Träume, aber ich habe sie schon. Natürlich.“Um das Risiko weiterhin möglichst gering zu halten, beschränke sie ihre Kontakte auf den engsten Familienkr­eis. Sie wolle sich außerdem so schnell wie möglich impfen lassen. „Es wird dauern, bis ich wieder Vertrauen in ein halbwegs normales Leben aufbauen kann. Dafür ist mir zu viel passiert.“

 ?? Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild) ?? Die 21‰jährige Jasmin M. aus Aichach wurde gleich zweimal positiv auf Corona getestet – innerhalb von wenigen Monaten. Auch heute hat die junge Auszubilde­nde noch Pro‰ bleme beim Schmecken und Riechen.
Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild) Die 21‰jährige Jasmin M. aus Aichach wurde gleich zweimal positiv auf Corona getestet – innerhalb von wenigen Monaten. Auch heute hat die junge Auszubilde­nde noch Pro‰ bleme beim Schmecken und Riechen.

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