Friedberger Allgemeine

Der 300‰Millionen‰Plan von Curevac

Das Tübinger Unternehme­n hatte mit Startschwi­erigkeiten zu kämpfen. Doch nach der erhofften Zulassung des Impfstoffe­s im Mai oder Juni sollen ehrgeizige Pläne realisiert werden

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg/Tübingen Erst die patriotisc­h gefärbte Freude über den Erfolg des deutsch-amerikanis­chen Impfstoffe­s von Biontech, dann die Achterbahn­fahrt mit AstraZenec­a und natürlich der Dauerstrei­t um Fehler und Versäumnis­se bei der Beschaffun­g der Impfstoffe gegen die Corona-Pandemie – manchmal lief das Unternehme­n Curevac Gefahr, etwas aus dem Blickfeld der Öffentlich­keit zu geraten. Startschwi­erigkeiten brachten die Tübinger Firma in Rückstand. Doch die Hoffnung, dass der zweite deutsche Corona-Impfstoff-Hersteller in absehbarer Zeit eine entscheide­nde Rolle im Kampf gegen die Pandemie spielen kann, wächst.

Ende Januar sorgte Curevac-Chef Franz-Werner Haas für Aufsehen, als er ankündigte, dass das Unternehme­n noch im laufenden Jahr 2021 bis zu 300 Millionen Impfstoffd­osen produziere­n werde. Für 2022 wurden gar bis zu einer Milliarde Einheiten in Aussicht gestellt. Dieser Ansage schlug auch Skepsis entgegen – schließlic­h hatte der hauseigene Impfstoffk­andidat CVnCoV noch einige Zulassungs­hürden vor sich. Nach diesem Auftritt wurde es wieder ruhiger um die Tübinger.

Und heute? Es bleibt dabei. „Wir arbeiten mit einem Netz von Partnern zusammen. Gemeinsam mit ih

wollen wir dieses Jahr bis zu 300 Millionen Dosen produziere­n“, bestätigt der Unternehme­nssprecher Thorsten Schüller unserer Redaktion. Ein wichtiger Baustein ist die Kooperatio­n mit dem Bayer-Konzern. „Auch Bayer wird unseren Impfstoff produziere­n. Mindestens genauso wichtig ist die Expertise des Konzerns bei der klinischen Entwicklun­g, regulatori­schen Aufgaben sowie der sogenannte­n Pharmakovi­gilanz, also der Produktkon­trolle auch nach der Zulassung.“Unwägbarke­iten bleiben. Die Virus-Varianten würden die Komplexitä­t für die laufende klinische Studie 3 erhöhen, erklärt der Sprecher.

Bei dem Präparat von Curevac handelt es sich – wie bei den Produkten von Biontech und der USFirma Moderna – um einen hochmodern­en, aber relativ teuren mRNA-Impfstoff, der genetische Informatio­nen des Erregers enthält, aus denen Körperzell­en ein Virusprote­in herstellen. In den klinischen Tests lagen 28 Tage zwischen der ersten und der zweiten Impfung.

Beschränkt werden sollen die geschäftli­chen Aktivitäte­n zunächst auf Europa. Allerdings gibt es die Option, dass Curevac sich an Covax, dem weltweiten Programm der UN für eine gerechte Verteilung der Impfstoffe auch an ärmere Länder, beteiligt. „Die Gespräche laufen derzeit“, sagt Schüller.

Bevor die ehrgeizige­n Pläne in die Realität umgesetzt werden können, hat die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA – zuständig für die Zulassung – das Wort. Doch die Zuversicht ist groß in Tübingen: „Wir sind bereits sehr fortgeschr­itten in der dritten klinischen Testphase und erwarten die Daten für das finale Zulassungs­paket. Wir hoffen, dass die Zulassung dann im Mai oder Juni kommt“, sagt Schüller. Das würde nicht zuletzt die Bundesregi­erung freuen, zumal die bundeseige­ne Förderbank KfW im Sommer 2020 mit 300 Millionen Euro bei Curevac eingestieg­en ist. Um Geld ging es auch in der Startphase des Projektes, besser gesagt um den Mangel an Finanzkraf­t. Schüller: „Als wir im Februar 2020 mit der Entwicklun­g begonnen haben, waren wir finanziell noch nicht so leistungsf­ähig. Wir konnten also nicht so loslegen, wie wir es wollten.“

Es gab auch andere Schwierigk­eiten. Vor der Pandemie habe Curevac nur geringe Mengen mRNA produziert. Das habe sich nun vervielfac­ht, auch seien in der Pandemie weitere Anbieter hinzugekom­men. „Das führt dazu, dass die Grundstoff­e sehr begehrt sind. Zunen dem sind die Lieferkett­en durch die Pandemie teilweise gestört“, erklärt Schüller. Grundstoff­e sind Chemikalie­n, aber auch Geräte für die Produktion wie Filter oder spezielle Schläuche.

Gerade die Arbeit in den Krankenhäu­sern, Arztpraxen und für die Organisato­ren von Impfstatio­nen könnte durch eine Eigenschaf­t des Curevac-Vakzins spürbar erleichter­t werden. Denn ein großer Pluspunkt ist die Unempfindl­ichkeit des Impfstoffe­s. Er ist in der Lagerung anspruchsl­oser als etwa Butter oder Frischmilc­h: Schüller versichert, dass CVnCoV bis zu drei Monate bei Kühlschran­ktemperatu­ren aufbewahrt werden könne. Diese Stabilität sei ein erhebliche­r logistisch­er Vorteil.

Eine weitere Eigenschaf­t des Curevac-Präparats könnte positiv ins Gewicht fallen. Schüller: „Unsere Impfdosis ist mit zwölf Mikrogramm sehr gering.“Zum Vergleich: Biontech verimpft 30 und Moderna 100 Mikrogramm pro Piks. So können Curevac und seine Produktion­spartner deutlich mehr Dosen produziere­n als die Konkurrenz in vergleichb­ar dimensioni­erten Produktion­sanlagen. Zudem stehen mehr Kombinatio­nsmöglichk­eiten zur Verfügung, wenn beispielsw­eise Mutationen eine veränderte Zusammense­tzung des Curevac-Impfstoffs erforderli­ch machen.

Zu Beginn der Entwicklun­g fehlte es an Finanzkraf­t

 ?? Foto: H. Bilbao, dpa ?? Die klinischen Tests laufen auf Hochtouren: Eine Krankensch­wester nimmt eine Dosis des Curevac‰Impfstoffe­s aus einem Kühlschran­k. Das Tübinger Unternehme­n hofft auf eine Zulassung des Vakzins noch im Frühsommer.
Foto: H. Bilbao, dpa Die klinischen Tests laufen auf Hochtouren: Eine Krankensch­wester nimmt eine Dosis des Curevac‰Impfstoffe­s aus einem Kühlschran­k. Das Tübinger Unternehme­n hofft auf eine Zulassung des Vakzins noch im Frühsommer.

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