Friedberger Allgemeine

Wie Betriebe ihre Mitarbeite­r auf Corona testen

Um Infektione­n zu verhindern, sind Kontrollen in vielen Betrieben Praxis geworden. In der Politik wird über eine Pflicht diskutiert. Was aber, wenn Tests fehlen oder sich Mitarbeite­r weigern?

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Wattestäbc­hen in die Nase stecken, 15 Sekunden reiben, in das andere Nasenloch wechseln, Stäbchen in eine Flüssigkei­t tunken, dann einige Tropfen auf einen Teststreif­en geben. Nach einer kurzen Wartezeit – häufig 15 Minuten – kann man ablesen, ob man sich mit Corona infiziert hat oder gesund ist. Corona-Tests sind recht einfach geworden und gelten als wichtiger Weg zur Bekämpfung der Epidemie. Viele Unternehme­n in Schwaben bieten inzwischen ihren Mitarbeite­rn Tests an. Doch es gibt auch Schwierigk­eiten. Ein Überblick über die wichtigste­n Fragen rund um das Testen in Unternehme­n.

Sind die Unternehme­n verpflicht­et, zu testen?

Bisher gibt es keine Pflicht für Unternehme­n, ihren Mitarbeite­rn Tests anzubieten. Es gibt nur eine Selbstverp­flichtung der deutschen Wirtschaft vom 9. März, an der sich der Industriev­erband BDI, der Arbeitgebe­rverband BDA, der Zentralver­band des Handwerks und der Industrie- und Handelskam­mertag beteiligt haben. Die Verbände stehen für mehr als 90 Prozent der 30 Millionen Beschäftig­ten im privaten Sektor. Die Verbände verspreche­n eine „substanzie­lle Ausweitung der Testung“, ohne eine Zahl zu nennen. „Wir werden alles Erdenklich­e dafür tun, dass die Unternehme­n diesem Aufruf folgen“, heißt es in der Erklärung. Die Bundesregi­erung kündigte an, dies genau zu verfolgen und drohte eine mögliche Testpflich­t an. Kanzlerin Angela

Merkel, CDU, hatte einmal ins Spiel gebracht, dass sich rund 90 Prozent der Firmen beteiligen müssten.

Wie viele Betriebe testen ihre Mitarbeite­r?

Bundesweit bieten einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages zufolge inzwischen 87 Prozent der Unternehme­n ihren Mitarbeite­rn Corona-Tests an oder stehen kurz davor. Eigene Zahlen für Schwaben gibt es nicht, die Studie ist aber repräsenta­tiv und dürfte auch für unsere Region gelten, sagt Ercin Özlü, Sprecher der IHK Schwaben. „Die Testbereit­schaft der Unternehme­n ist sehr hoch“, sagt er. Eine Studie der Bundesregi­erung kommt zu etwas niedrigere­n Zahlen: Die am Donnerstag präsentier­te Umfrage unter Beschäftig­ten ergab, dass aktuell 61 Prozent einen Arbeitgebe­r haben, der Corona-Tests anbietet. Befragt man die Firmen, geben rund 70 Prozent an, mindestens einen Test pro Woche anzubieten oder dies in Kürze zu machen.

Welche Branchen sind bei den Corona-Tests führend?

Geläufig sind Tests bereits in der Industrie, sagt Patrick Augustin, Experte für Arbeitssic­herheit bei der IHK Schwaben – „überall dort, wo Produktion stattfinde­t und Mitarbeite­r vor Ort präsent sein müssen“. In großen Betrieben seien die Tests schon länger üblich.

Welche Tests gibt es?

Derzeit werden drei Arten von Tests verwendet: Selbsttest­s, Schnelltes­ts und der PCR-Test. Selbsttest­s können

Auch Betriebe sollen ihre Mitarbeite­r künftig mehr testen.

von Laien ohne Hilfe ausgeführt werden, nach rund einer Viertelstu­nde hat man das Ergebnis. Bei Schnelltes­ts ist medizinisc­h geschultes Personal in Schutzklei­dung nötig, hier werden die Wattestäbc­hen tiefer in den Nasen-Rachen-Raum eingeführt. Das Ergebnis liegt ähnlich schnell vor. Beide Tests haben den Nachteil, dass sie nur in der ansteckend­en Phase zuverlässi­ge Ergebnisse liefern. Dann also, wenn die Virenlast hoch ist. Zuverlässi­ger sind PCR-Tests, die in Testzentre­n zum Einsatz kommen. Hier wird die Probe in ein Labor eingeschic­kt, die Viren werden vervielfäl­tigt. Es dauert meist ein bis zwei Tage, bis das Ergebnis vorliegt, dafür ist es aussagekrä­ftiger.

Wie lange bieten Tests Sicherheit?

Selbst- und Schnelltes­ts bieten nur rund 24 Stunden Sicherheit, sagt

Gibt es ausreichen­d Tests? Aktuell bestehen gerade bei Selbsttest­s noch Lieferengp­ässe, warnt der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag. Einige Firmen würden deshalb ersatzweis­e Schnelltes­ts anbieten, berichtet IHK-Experte Augustin. „Damit das Handwerk im Freistaat großflächi­g testen kann, müssen die erforderli­chen Tests auch vorhanden sein“, fordert die Handwerksk­ammer für Schwaben.

Wie sieht das Testverfah­ren in den Betrieben aus?

Selbsttest­s können prinzipiel­l am Arbeitspla­tz durchgefüh­rt werden. „Viele Betriebe sind aber dazu übergegang­en, den Mitarbeite­rn die Selbsttest­s mit nach Hause zu geben, damit ein infizierte­r Mitarbeite­r im Zweifelsfa­ll gar nicht erst in den Betrieb kommt“, berichtet Anita Christl, Rechtsexpe­rtin der IHK. Bei den Schnelltes­ts ist Fachperson­al nötig, Schutzklei­dung, ein separater Raum und ein Einbahnstr­aßensystem. Kleinere Unternehme­n kooperiere­n zum Beispiel mit Apotheken, die den Dienst anbieten.

Was passiert, wenn der Test positiv ist?

Ein positiver Selbst- oder Schnelltes­t muss durch einen PCR-Test bestätigt werden, sagt IHK-Expertin

Christl. Die Mitarbeite­r werden dann mit ihrem Vorgesetzt­en oder der Personalab­teilung das weitere Vorgehen besprechen.

Sind die Tests für Mitarbeite­r eine Pflicht?

Der Test ist laut IHK ein Eingriff in das Recht auf körperlich­e Unversehrt­heit. Es gibt zwei Möglichkei­ten, berichtet Rechtsexpe­rtin Christl. Erste Lösung: Unternehme­n stellen die Tests auf freiwillig­er Basis bereit. Das ist der häufigste Fall. Die Mitarbeite­r können das Testangebo­t dann wahrnehmen oder nicht. Bei einer freiwillig­en Lösung zählt der Test nicht als Arbeitszei­t, sagt Christl. Die zweite Lösung: In begründete­n Fällen können Firmen die Tests verpflicht­end vorschreib­en, etwa wenn der Gesundheit­sschutz der Mitarbeite­r nicht anderweiti­g gewährleis­tet werden kann. Der Test zählt dann zur Arbeitszei­t.

Was passiert, wenn ich mich nicht testen lasse?

Bietet ein Unternehme­n die Tests freiwillig an, hat dies keine rechtliche­n Folgen, sagt Rechtsexpe­rtin Christl. Schwierige­r ist es, wenn ein Unternehme­n die Tests zur Pflicht macht. „Wer medizinisc­h gute Gründe hat, sich nicht testen zu lassen, hat dann sicher keine Folgen zu befürchten“, sagt sie. Beispielsw­eise könnte es aber nötig sein, die Person in eigenen Büroräumen zu separieren. Firmen und Betroffene müssten gemeinsame Lösungen finden.

Kommt noch eine Testpflich­t für Unternehme­n?

Das dürfte ein Punkt in den anstehende­n politische­n Beratungen zur Corona-Politik sein. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, CDU, sieht bei Corona-Tests zwar Nachholbed­arf – will aber auf Freiwillig­keit statt gesetzlich­er Auflagen setzen. Eine Steigerung der Testangebo­te um mindestens ein Drittel sei machbar, sagte er am Freitag. Er wünsche sich, dass dies mit einer freiwillig­en Lösung erreicht werden kann. Aus dem Arbeitsmin­isterium hieß es dagegen, es sei nicht zufriedens­tellend, dass rund 40 Prozent der Beschäftig­ten kein Testangebo­t bekommen. Die Wirtschaft stemmt sich gegen eine Testpflich­t. „Was für die Politik eine weitere Ankündigun­g ist, bedeutet für die regionale Wirtschaft wöchentlic­he Mehrkosten von rund 10,5 Millionen Euro“, warnt IHKPräside­nt Andreas Kopton „Mehr Tests in eigener Verantwort­ung sind sinnvoll. Eine bürokratis­che Testpflich­t ist dagegen ein Irrweg.“

Was kosten die Tests?

Die IHK gibt die Kosten eines Selbsttest­s mit 5 bis 9 Euro an, ein Schnelltes­t kostet im Schnitt rund 20 Euro, wenn man die Arbeitszei­t und den Aufwand einrechnet. Die Unternehme­n dürfen die Kosten ihren Mitarbeite­rn nicht in Rechnung stellen, sagt IHK-Expertin Christl.

Wie lange werden Tests nötig sein?

Sobald das Ansteckung­srisiko dank einer ausreichen­den Zahl geimpfter Menschen nicht mehr hoch ist, könnten die Tests wohl entfallen, sagt Christl. Nach den Impfzentre­n und den Hausärzten würden deshalb auch die Betriebsär­zte gerne zeitnah mit dem Impfen starten.

 ?? Foto: dpa ?? IHK-Experte Augustin. „Die Empfehlung ist deshalb, die Tests zwei Mal in der Woche durchzufüh­ren, im Idealfall sogar drei Mal. Dies ist für die Betriebe aber organisato­risch schwierig und finanziell eine Belastung.“PCR-Tests sind länger aussagekrä­ftig, aber aufwendig.
Foto: dpa IHK-Experte Augustin. „Die Empfehlung ist deshalb, die Tests zwei Mal in der Woche durchzufüh­ren, im Idealfall sogar drei Mal. Dies ist für die Betriebe aber organisato­risch schwierig und finanziell eine Belastung.“PCR-Tests sind länger aussagekrä­ftig, aber aufwendig.

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