Friedberger Allgemeine

Was dürfen wir vom Corona-Sommer erwarten?

München hat Tollwood abgesagt, in Augsburg hofft man auf corona-gerechte Veranstalt­ungen. Warum Experten glauben, dass wir uns ans Weggehen erst wieder gewöhnen müssen und wie das gehen kann

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger‰allgemeine.de

Der letzte Sommer fühlte sich fast normal an. Nach Monaten voller Einschränk­ungen lag die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen in Augsburg so niedrig, dass viele die Pandemie bei einem Glas im Kulturbier­garten am Kö oder bei einem Abend auf der Freilichtb­ühne für einige Zeit vergaßen. Die Stadtverwa­ltung hatte im kleinen Rahmen Veranstalt­ungen ermöglicht, Plärrer-Fahrgeschä­fte und Buden auf dem Rathauspla­tz zugelassen und den Menschen so das Gefühl vermittelt, dass sie (fast) alle Freiheiten wieder zurückgewo­nnen hätten. Dann kam der Herbst und mit ihm die zweite Welle. Sie traf Augsburg so hart, wie zunächst kaum eine andere Stadt in Deutschlan­d.

Am Beginn – oder vielleicht schon mitten in – der dritten Welle, ist nun der nächste Corona-Sommer in

Aussicht. Doch was wird er den Augsburger­n bringen? Die Politik diskutiert über eine Neuauflage des Stadtsomme­rs, die Händler fordern ihn geradezu, um wieder Menschen in die Innenstadt zu holen. Auch Gastronome­n und Theater hoffen auf die Freiluftsa­ison, das Geschäft muss ja irgendwie wieder in Schwung kommen. Doch wer die Einschätzu­ngen von Virologen und das Ringen des Bundes um einen härteren Lockdown verfolgt, der mag an schnelle Erleichter­ungen nicht glauben. Deshalb aber alle Planungen fallen zu lassen, wäre das falsche Signal. Wir zehren ja gerade von der Hoffnung, dass irgendwann wieder Normalität einkehrt.

Doch die, vermuten Psychologe­n, wird vielleicht gar nicht so leicht zu akzeptiere­n sein. Wie schnell werden wir uns wieder daran gewöhnen, mit wildfremde­n Menschen „Po an Po“im Biergarten auf einer Bank zu sitzen oder mit Hunderten anderen im Theater zu sein, wo wir derzeit schon erschrecke­n, wenn wir in Filmen größere Menschenan­sammlungen ohne Masve ke und Abstand sehen? Diese Gedanken macht man sich derzeit offenbar auch in der Stadtverwa­ltung, weshalb man eine Wiedereröf­fnung nach Corona zumindest in den Bereichen Sport und Kultur mit einer eigens gestrickte­n Kampagne begleiten will.

Die Augsburger müssten erst langsam wieder aus der Erstarrung gelöst werden, in die der monatelang­e Stillstand sie gezwungen hat, glaubt Augsburgs Kulturrefe­rent Jürgen Enninger. Deshalb wolle man Lust machen auf die Zeit nach dem Virus – oder zumindest den Moment, in dem wir dafür gerüstet sind, mit ihm zu leben. Die Stadt denkt dabei zunächst nicht konkret an Feste, Konzerte und andere Großereign­isse, sondern an Plakatund andere Aktionen, die sukzessi

darauf vorbereite­n, dass es wieder losgehen kann.

Diese Kampagne, die unter dem Namen #augsburgbe­wegt jüngst im Stadtrat vorgestell­t wurde, mag eine kreative Idee sein. Die drängender­e Frage für viele Bürger ist, was denn nun tatsächlic­h los sein wird in dieser Stadt im Juni, im Juli, im August. Denn im Vergleich zum ersten Corona-Sommer verzichten wir inzwischen ja schon viel länger auf Freiheiten, Veranstalt­ungen, ja schlicht auf nahezu jegliche Gesellscha­ft.

Sehr konkret sind aktuell die Pläne für ein Strandkorb-Festival auf der Messe mit Konzerten namhafter Künstler. Weil maximal zwei Besucher nebeneinan­der in einem Strandkorb sitzen, der weit genug vom nächsten entfernt ist, könnte die mehrmonati­ge Reihe eine der wenigen Ereignisse sein, die sich realisiere­n lassen. Auch die Freilichtb­ühnensaiso­n könnte wohl wieder stattfinde­n. Letztes Jahr durften 550 Besucher pro Veranstalt­ung aufs Gelände, dieses Jahr hoffen die Veranstalt­er heimlich sogar auf mehr. Immerhin sind immer mehr Menschen geimpft.

Die Stadt denkt darüber hinaus an ein corona-konformes Format auf dem Gaswerkgel­ände, das Kultur und Sport zusammenbr­ingen könnte, sowie an kleinere Bühnen in der Stadt, zum Beispiel im Annahof oder im Brunnenhof des Zeughauses. Auch das Wasserfest, das 2019 anlässlich der Welterbe-Ernennung Augsburgs erstmals stattfand, soll wiederkomm­en, wenn zunächst auch nur in Form einer Band, die von einer Welterbest­ätte zur anderen marschiert und dabei Musik macht.

Für Plärrer, Dult, Sommer am Kiez oder ähnliche Festivals könnte die Lage dagegen noch mal anders aussehen, weil Hygienekon­zepte dafür viel schwerer zu organisier­en sind. München hat Ende März sein Sommer-Tollwood bereits abgesagt und auf nächstes Jahr verschoben. In Augsburg setzt man dagegen weiter auf das Prinzip Hoffnung. Doch die Veranstalt­er sind und bleiben von den kurzfristi­gen Entscheidu­ngen von Bund und Ländern abhängig.

Strandkorb-Festival mit Konzerten auf dem Messegelän­de

 ?? Foto: Michael Hochgemuth (Archivbild) ?? Im Corona‰Sommer 2020 stand ein Kettenkaru­ssell auf dem Augsburger Rathauspla­tz. Die Stadt arbeitet an Konzepten, wie der nächste Sommer so gestaltet werden kann, dass Handel und Gastronomi­e wiederbele­bt werden.
Foto: Michael Hochgemuth (Archivbild) Im Corona‰Sommer 2020 stand ein Kettenkaru­ssell auf dem Augsburger Rathauspla­tz. Die Stadt arbeitet an Konzepten, wie der nächste Sommer so gestaltet werden kann, dass Handel und Gastronomi­e wiederbele­bt werden.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany