Friedberger Allgemeine

Was sich jetzt im Landkreis ändert

Die Notbremse ist vorerst passé, demnächst gelten in Aichach-Friedberg neue Corona-Regeln. Die Auswirkung­en auf den Landkreis sind weitreiche­nd – nur wie lange?

- VON MAX KRAMER

Aichach‰Friedberg Es scheint widersinni­g: Während sich die Corona-Lage in den Kliniken an der Paar immer mehr zuspitzt, werden die Regeln im Landkreis Aichach-Friedberg gelockert. Der Grund: Das RobertKoch-Institut (RKI) meldete am Freitag für das Wittelsbac­her Land den Sieben-Tages-Inzidenzwe­rt 93,6. Er bewegt sich damit nun drei Tage infolge unterhalb der 100erSchwe­lle – was bedeutet, dass die Corona-Notbremse wieder aufgehoben wird. Im Landkreis stehen nun einige weitreiche­nde Veränderun­gen bevor. Betroffen sind private Kontakte genauso wie der Einzelhand­el, Kultureinr­ichtungen oder Schulen. Nur: Wie lange bleibt das so?

Die Lockerunge­n treten am Sonntag, 0 Uhr, in Kraft. Ab dann dürfen sich wieder maximal fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, Kinder unter 14 Jahren nicht eingerechn­et. Bislang waren nur Zusammenkü­nfte mit einer weiteren Person eines anderen Haushalts erlaubt. Auch in den Bereichen Kultur und Sport erweitern sich die Spielräume: Unter anderem Museen, Galerien und Gedenkstät­ten dürfen für Besucher mit vorheriger Terminbuch­ung und Kontaktnac­hverfolgun­g wieder öffnen. Kontaktlos­er Individual­sport ist nun mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten gestattet – ebenso wie Sport in Gruppen von bis zu 20 Kindern bis 14 Jahren im Außenberei­ch. Diese neuen Regeln gelten mindestens bis einschließ­lich Dienstag. Erst wenn die Inzidenzwe­rte drei Tage in Folge über 100 liegen, greift die Notbremse wieder.

Bereits zuvor hatte sich abgezeichn­et, dass der Einzelhand­el im Landkreis ab Montag wieder öffnen darf – und sich nicht mehr nur mit dem eher mageren Abholgesch­äft („Click and Collect“) abfinden muss. Waren Einkäufe mit vorheriger Terminvere­inbarung („Click and Meet“) bislang ausschließ­lich unter einer Inzidenz von 100 erlaubt, muss der Wert nach Beschluss der Bayerische­n Staatsregi­erung jetzt nur noch unter 200 liegen. Bewegt sich die Inzidenz zwischen 100 und 200, müssen Kunden einen negativen Corona-Test vorlegen: entweder einen maximal 48 Stunden alten PCR-Test oder einen maximal 24 Stunden alten Schnelltes­t. Zwischen 50 und 100, also auch ab Montag, ist „Click and Meet“ohne negativen Test möglich.

Robert Burkhard blickt den kommenden Wochen mit gemischten Gefühlen entgegen. Er ist Vorstandsm­itglied der Aktionsgem­einschaft Aichach (Aga), einem Zusammensc­hluss lokaler Einzelhänd­ler, und sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Grundsätzl­ich ist ‘Click and Meet’ gerade für die kleineren Einzelhänd­ler mit hohem Stammkunde­n-Anteil eine sehr gute Option, Umsätze aufzufange­n. Wenn man dafür aber einen aktuellen Test vorlegen muss, habe ich meine Zweifel, ob das angenommen wird.“Die Maßnahmen seien gewisserma­ßen „weder Fisch noch Fleisch. Vielleicht wäre es doch richtig, jetzt noch einmal zwei oder drei Wochen komplett herunterzu­fahren, um anschließe­nd wieder geordnet und umfassend öffnen zu können.“

Was sich ab Montag im Handel außerdem ändert: Bau- und Gartenmärk­te, Buchhandlu­ngen, Blumenläde­n, Gärtnereie­n und auch bislang geöffnete Schuhläden werden in ganz Bayern nicht mehr als Geschäfte des täglichen Bedarfs gesehen. Ob sie Kunden empfangen dürfen, richtet sich fortan ebenfalls nach den aktuellen Inzidenzst­ufen. Bislang durften sie auch über 100 öffnen.

Vor einem besonderen Neustart stehen die Bildungsei­nrichtunge­n im Landkreis. Der Inzidenzwe­rt am Freitag entscheide­t jeweils, welche Regeln in der darauffolg­enden Woche in Schulen und Kitas gelten. Da er an diesem 9. April nun unter 100 lag, findet ab Montag in Kitas eingeschrä­nkter Regelbetri­eb (Voraussetz­ung ist Betreuung in festen Gruppen) statt – und an allen Schularten und in allen Jahrgangss­tufen Unterricht im Klassenzim­mer. Kompletter Präsenzunt­erricht ist möglich, wenn dort ein Mindestabs­tand von eineinhalb Metern eingehalte­n werden kann. Andernfall­s gibt es Wechselunt­erricht.

Was an Schulen neu ist: Am Präsenzunt­erricht dürfen nur Schüler teilnehmen, die in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis gemacht haben oder einen negativen PCR-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden ist. Ein zu Hause durchgefüh­rter Selbsttest reicht nicht aus. Getestet wird mindestens zweimal pro Woche.

So weit die Theorie. Und die Praxis? Martina Ritzel, Kreisvorsi­tzende des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands (BLLV), ist skeptisch: „Man merkt schon eine gewisse Unruhe, gerade was die Selbsttest­s betrifft. Wie die Umsetzung funktionie­rt, kann man nur sehr schwer einschätze­n, vor allem bei den Jüngeren.“Darüber hinaus gebe es selbst kurz vor dem Neustart weitere ungeklärte Fragen: „Was, wenn Eltern ihre Kinder auf keinen Fall testen lassen wollen? Wie geht es mit der Notengebun­g weiter, gerade in den Abschlussk­lassen? Und so weiter“, sagt Ritzel. „In den Schulen laufen die Telefone heiß, aber auf vieles können wir leider keine Antwort geben.“

Dass der Inzidenzwe­rt im Landkreis auch am nächsten Stichtag, also am kommenden Freitag, noch unter 100 liegt, ist eher unwahrsche­inlich. Denn viel deutet darauf hin, dass die aktuellen Zahlen auf äußerst wackeligen Füßen stehen. Dr. Kirsten Höper, Leiterin des Gesundheit­samts

Aichach-Friedberg, erklärt, sie rechne demnächst wieder mit steigenden Inzidenzwe­rten. Sie glaube, dass nötige oder gewünschte Testungen am langen Osterwoche­nende nicht stattfinde­n konnten und zumindest ein Teil davon erst allmählich nachgeholt werde. „Als Folge dessen wäre Mitte der nächsten Woche mit einem Anstieg zu rechnen“, sagt Höper. „Sollte ich mich täuschen, wäre mir das aber sehr recht.“

● lnfektione­n insgesamt*: 4100

● Aktuell positiv Getestete: 126

● 7‰Tage‰Inzidenz: Mittwoch: 81,7

93,6

● Gesamtzahl Todesfälle**

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Foto: Stefan Sauer, dpa (Symbolbild) Weil der Inzidenzwe­rt drei Tage infolge unter 100 lag, wird die Corona‰Notbremse im Landkreis Aichach‰Friedberg aufgehoben. Damit gehen weitreiche­nde Lockerunge­n einher.

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