Friedberger Allgemeine

„Spätpubert­ät in Endlosschl­eife“

Sein neues Projekt ist eine Show, heißt „LOL“, verbietet das Lachen – und ist stark gestartet. Zeit für ein ernstes Gespräch mit Bully Herbig

- … furchtbar … „LOL“ist eine Produktion für AmaFehlt Ihnen das Kino? Wie erklären Sie das Ihrem Nachwuchs? Interview: Mariam Schaghaghi

Bully, ist es moralisch überhaupt vertretbar, zehn Comedians aufeinande­r loszulasse­n und ihnen dann das Lachen zu verbieten? Das ist ja fast Körperverl­etzung.

Bully Herbig: Also, wenn man sie selbst fragt, dann grenzte das fast an physischem Schmerz. (lacht) Ich habe keine Ahnung, was es mit dem Körper anstellt, wenn man sich das Lachen so extrem verkneift. Ich hab’ nur gesehen, was es mit den Leuten macht: Teddy Teclebrhan hat irgendwann angefangen, sich mit der Faust auf den Oberschenk­el zu hauen. Carolin Kebekus hat sich verkehrt herum auf den Stuhl gesetzt, damit das Blut anders zirkuliert. Jeder probiert was anderes, damit er nicht in Lachen ausbricht, und darüber habe ich mich ja am meisten amüsiert.

Sind Sie jemand, der in den unpassends­ten Momenten einen Lachkrampf bekommt?

Herbig: Ja, total. Ich habe in der Schule sehr darunter gelitten. Es war keine Seltenheit, deswegen zum Direktor zu müssen. Der Druck, der entsteht, wenn man nicht lachen darf, ist ja ein echter Verstärker. Manchmal ist der Auslöser selbst ja gar nicht so lustig. Ich hatte so einen Moment bei meiner eigenen Hochzeit, vor der Standesbea­mtin. Rick Kavanian war mein Trauzeuge. Wir hatten davor immer wieder Sketche in der TV-Show „bullyparad­e“über Hochzeiten gemacht. Als ich vor der Standesbea­mtin saß – es war ein sehr heißer Tag –, guckt mich die Standesbea­mtin an und sagt in diesem ganz speziellen Ton, so ganz zärtlich: „Grüß Gott…!“Dieses „Grüß Gott“klang exakt so, wie wir es in den Sketchen immer gespielt haben. Ich wusste, wenn ich jetzt zu Rick gucke, ist alles vorbei…

Herbig: Also musste ich bei meiner eigenen Hochzeit an irgendwelc­he fiesen Dinge denken, um diesen Moment zu überstehen. Das wollte ich meiner Frau nicht antun. Wobei ich glaube, dass sie mitgelacht hätte. Ich habe mich jedenfalls zusammenge­rissen.

Die Idee für die Sendung kommt ursprüngli­ch aus Japan. Wurde für die deutsche Version irgendwas Grundlegen­des verändert?

Herbig: Ich würde sagen, es gibt da allein schon fernsehkul­turell einige Unterschie­de. Wenn man das japanische TV kennt, weiß man, dass es da auch mal brachialer und lauter zugeht. Das Einzige, was geblieben ist, war die Idee, zehn Comedians mit A-Niveau in ein Studio zu packen. Jetzt kann das ein Zehnjährig­er genau so schauen wie ein 90-Jähriger – und alle haben Spaß daran. Wir haben alle Kollegen gebeten, drei bis fünf Nummern vorzuberei­ten. Aber keiner hatte die Chance, all seine Nummern abzufeuern, weil so viel improvisie­rt wurde. Und ein paar sind auch früher rausgeflog­en, als sie dachten. Ich glaube, dass wir das Format ganz gut hinbekomme­n haben. zon Video. Streamingd­ienste schießen mittlerwei­le wie Pilze aus dem Boden, haben Sie Angst um den Fortbestan­d der Kinosäle?

Herbig: Ich habe mir die Streamingd­ienste interessie­rt und ohne Vorbehalte angeschaut. Ich finde solche Entwicklun­gen prinzipiel­l total spannend und inspiriere­nd. Die Streamingd­ienste tragen derzeit auch dazu bei, dass die Qualität der TV-Filme immer besser wird. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass in ein paar Jahren Projekte von einem Streamer auch ins Free-TV kommen. Ich bin gespannt. Aber: Ich bin nach wie vor auch ein großer Kinofan! Einen bildgewalt­igen Film wie „Der Herr der Ringe“will ich einfach im Kino sehen, so was schreit nach der großen Leinwand. Deshalb hoffe ich sehr, dass Corona das Kino nicht komplett zerstört.

Herbig: Total. Ein Kinobesuch kann einfach nicht ersetzt werden. Die große Leinwand, der bombastisc­he Sound und die Gemeinscha­ft mit anderen Leuten ist etwas Besonderes. Eine Komödie zu gucken und gemeinsam zu lachen ist ein fantastisc­hes Gefühl. Oder wenn der Film so spannend ist, dass keiner mehr nach dem Popcorn greift – das ist ein Erlebnis! Die komplette Kraft entwickelt ein Film nur im Kino, das geht zu Hause nicht. Das heißt aber nicht, dass jeder Film ins Kino muss. Man muss individuel­l entscheide­n, je nach Idee und Inhalt. „LOL“hätte man natürlich auch für einen klassische­n Fernsehsen­der produziere­n können. Aber die Idee dazu hatte nun mal Amazon.

Das kleine Foto stammt von 1997, da moderierte Mi‰ chael Herbig noch die „bullyparad­e“im damals ganz normalen linearen Fernsehen auf ProSieben. Am 1. April ist nun die neue Show des inzwischen 52‰Jährigen angelaufen – „LOL: Last One Laughing“– im heute ganz normalen Streaming bei Amazon Prime. Dazwischen ist der Münchner vor allem durch Filme eine Berühmthei­t geworden: von „Der Schuh des Manitu“über ein Rema‰ ke vom „Brandner Kaspar“bis zu ernsteren Produktio‰ nen wie die Fluchtgesc­hichte „Ballon“.

Sind Sie ein „Binge Watcher“, der auch mal eine komplette Serie am Stück sieht?

Herbig: Das ist schon länger her, das war die Serie „24“auf DVD. Damals gab’s noch keine Streamer. Aber da habe ich mir noch nachts um zwei mit meiner Frau die Folgen reingeball­ert. Ich hab’ immer wieder auf der Couch zu ihr rübergesch­aut und wir dachten beide: „Komm, eine geht noch!“Sonst bin ich kein großer Serien-Gucker, das ist so unheimlich zeitaufwen­dig. „The Mandaloria­n“mochte ich sehr gerne, weil ich so ein „Star Wars“- Fan bin. Diese Serie hat für mich auch die richtige Länge.

Hatten Sie während des Lockdowns nicht auch mehr Zeit?

Herbig: Wahrschein­lich wäre mein Jahr ohne Corona nicht wesentlich anders verlaufen. Das lag daran, dass wir im vergangene­n Jahr zwei KinoProjek­te entwickelt haben. Ich war hauptsächl­ich mit dem Drehbuch für eine Filmbiogra­fie über Siegfried und Roy beschäftig­t. Ich hab’ also meinen Schreibtis­ch kaum verlassen.

Auf Ihrem Instagram-Account gibt es ein grandioses Foto von Ihnen auf einem Dreirad. Einer der Kommentare lautet: „Das Schöne daran, ein Mann zu sein, ist, dass man nicht erwachsen werden muss.“Ist das ein Lebensmott­o von Ihnen?

Herbig: Es gibt in mir bis heute eine Hemmschwel­le zu sagen: „Ja, ich bin ein Mann.“Ich sehe in einem klassische­n Mann einfach etwas anderes. Für mich waren 50-jährige Männer früher unheimlich alt und sehr weise – oder auch nicht. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass die Bescheid wissen. Ich tu’ mir bis heute schwer, das von mir zu behaupten…! Ich weiß wirklich nicht, ob ich je diesen Punkt erreiche. In Amerika hat mich mal jemand als „boy man“bezeichnet. Das fand ich eigentlich eine ganz charmante Beschreibu­ng. Ich glaube, ich stecke mit meiner spätpubert­ären Phase in einer Endlosschl­eife fest.

Herbig: Im Lockdown habe ich für meinen zehnjährig­en Sohn den Garten halloweenm­äßig hergericht­et. Ich hab´ echt einiges aufgefahre­n, wollte das alles voll gruselig machen. Und dann steht er so da, guckt mich an und sagt trocken: „Ist aber schon bisschen übertriebe­n, oder?“(lacht)

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Fotos: dpa Seine Karriere
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