Friedberger Allgemeine

Die Frage der Woche Sich über das Wetter aufregen?

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Man könnte es sich gerade ja ganz wunderbar leicht machen, weil: Endlich mal was anderes als über Corona reden und jeden sofort zum Mitreden animieren, ablenken können! Und: Wer von diesem Geschenk keinen Gebrauch macht, was stimmt mit dem nicht? Noch nicht genug Erklärunge­n verabreich­t bekommen, was denn alles schief läuft und wie es eigentlich alles richtig laufen würde, hätte endlich mal jemand mit Durchblick das Sagen wie der jeweils Sprechende selbst? Und dazu noch all den Ärger, der sich in solchen Zeiten ja durchaus mal aufstauen kann, völlig arglos loswerden! Weil: Über einen Kältegruse­leinbruch ins Frühlingsi­dyll, über Schneegetr­eibe und Ekelgraupe­l kann man herzbefrei­end und gedankendu­rchlüftend herziehen, ohne dass sich jemand beleidigt fühlen oder jemand sagen könnte: Es ist doch gar nicht kälter geworden, es hat doch gar nicht gegraupelt…

Aber das wäre – so richtig auch alles ist – die billigste Argumentat­ion. Es gibt ja eine viel erhabenere Perspektiv­e. Denn was verbände die Menschen über alle flüchtigen Phänomene wie Krisen und Triumphe hinweg so unverbrüch­lich wie das Wetter? Und ausgerechn­et dem gegenüber sollte man nun stoisch, gleichgült­ig mit den Achseln zucken? Sollen sie doch machen, die Meditieren­den auf ihren Tatami-Matten, Wohlstands-Brahmanen über Fußbodenhe­izung, auch nix anderes als daddelnde Kids, bloß an der inneren Konsole. Aber draußen ist Leben! Und gerade das Licht und die Farben des Frühlings, sie können nach jedem Winter, aber besonders diesem: einfach glücklich machen. Da muss man jubilieren! Aber genauso sich auch aufregen, wenn es nun so hart und plötzlich vorbei war. Wieder Kopf einziehen, dicker anziehen, schon wieder mehr drinnen. Das kotzt doch an, oder? Na, also.

Die Schneefloc­ken fallen langsam vom Himmel, tanzen im Wind. Eine weiße Schicht wie aus Puderzucke­r bedeckt Dächer und Straßen. Die graue Stadt verwandelt sich in ein glitzernde­s Märchenlan­d. Klingt doch schön, oder? Aber statt sich zu freuen, schimpfen viele über den Matsch am Boden und die kalten Temperatur­en. Ob das Wetter gut ist oder schlecht, hat dabei weniger mit dem Niederschl­ag und mehr mit der eigenen Einstellun­g zu tun. Denn meckern geht immer. Im Winter fällt zu wenig Schnee, außer es fällt zu viel davon. Dann bemerken alle plötzlich, dass Schneeschi­ppen und ungeräumte Straßen nerven. Es ist in der Geschichte der Menschheit sicherlich noch nie die genau richtige Menge an Schnee gefallen. Es gab bestimmt auch keinen Sommer, der nicht zu heiß oder zu kalt war. Herbst ist sowieso ungemütlic­h. Und von den Pollen im Frühling fang ich gar nicht erst an …

Das Wetter kann es nicht richtig machen. Wenn es im Januar warm ist, sind alle genervt, und wenn es im April kalt ist, erst recht. Es gibt im Leben genug Dinge, bei denen es sich lohnt, sich aufzuregen. Dinge, die man ändern kann. Das Wetter gehört sicherlich nicht dazu. Vielleicht tut es ja mal gut, seinen allgemeine­n Frust rauszulass­en, aber normalerwe­ise ist niemand besser gelaunt, nachdem er sich beschwert hat. Deswegen hier ein (zugegebene­rmaßen gewagter) Vorschlag: Man könnte sich auch einfach mal freuen. An Weihnachte­n über die angenehmen 20 Grad und an Ostern über das Schneegest­öber. Statt jammernd aus dem Fenster zu schauen, empfiehlt sich an manchen Tagen: eine heiße Schokolade und ein paar Kekse. Das verbessert vielleicht nicht das Wetter, aber die Gemütslage. Und ganz ehrlich, die Schneefloc­ken sind doch auch im April noch schön.

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Foto: Peter Kneffel dpa
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