BeninBronzen fordern die Kulturpolitik
Wie keine anderen Kunstgegenstände stehen die Reliefs aus Nigeria im Zentrum der Rückgabe-Debatte. Deutsche Institutionen zeigen sich gesprächsbereit. Trotzdem sollen die Objekte im Humboldt-Forum gezeigt werden
Wie umgehen mit diesen Skulpturen? Nigeria fordert die BeninBronzen seit Jahrzehnten unmissverständlich zurück, die 1897 von den Briten erbeutet und anschließend auch über den Kunstmarkt in alle Welt veräußert worden sind. An diesen rund 4000 Objekten wird stellvertretend für viele andere Objekte aus anderen Ländern die Debatte um die Rückgabe von Kunstwerken geführt, die in der Kolonialzeit von den europäischen Mächten aus ihren Kolonien entwendet worden sind.
Als die Bronzen auf den Kunstmarkt kamen, schlug das wilhelminische Deutschland zu und kaufte. Mehr als 1000 Bronzen finden sich heute in deutschen Museen, die meisten von ihnen, 440 Stücke, in Berlin. Sie gehören dort zur Sammlung des Ethnologischen Museums und sollen bei der Eröffnung des Westflügels des neuen HumboldtForums in Berlin ausgestellt werden. Dagegen richtet sich massiver Protest. Zum Beispiel des nigerianischen Botschafters in Deutschland, Yusuf M. Tuggar, der zuletzt mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass Nigeria seit den 1960er Jahren die Benin-Bronzen zurückverlangt. „Wir zählen auf das Anstandsgefühl Deutschlands, ja der Menschheit, bei dem Bemühen, die Restitution von Kulturgütern zu erleichtern“, schreibt er in einem Beitrag in der FAZ.
Wieder ergreift die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy das Wort und pocht auf die Notwendigkeit von Rückgaben von Kunstschätzen aus kolonialen Zeiten. „Restitutionen ermöglichen eine bessere Zukunft, eine neue Qualität der Beziehungen“, sagt die in Berlin und Paris lehrende Professorin in einem Gespräch mit der Deutschen PresseAgentur. Zusammen mit dem senegalesischen Sozialwissenschaftler Felwine Sarr hatte Savoy 2018 für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen Bericht vorgelegt, der die Diskussion um Restitutionen international anheizte.
„Die Debatte um das Humboldt Forum hat der Offenlegung historisch belegter Fakten gutgetan“, sagt Savoy, die 2017 im Streit aus dem Expertenrat des Kulturzentrums ausgestiegen war. „Mein Problem war die Intransparenz der Provenienz. Das Humboldt Forum muss die Besucherinnen und Besucher wissen lassen, was ausgestellt wird“, sagt sie. „Da ist sehr viel passiert“, räumt sie ein. „Mit diesem Wissen kommen Entscheidungen zusammen wie ein Prozess.“Inzwischen werden selbst in der zuständigen Stiftung Preußischer Kulturbesitz Restitutionen nicht mehr ausgeschlossen.
Savoy hat sich in ihrem neuen Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst“mit der „Geschichte einer postkolonialen Niederlage“befasst. In dem Band schildert sie eindrucksvoll die in den 60er Jahren beginnenden vergeblichen Bemühungen afrikanischer Staaten und Völker um Restitution von Kunstwerken, die während der Kolonialzeit in Museen in aller Welt gelangt waren.
Nur historische Fakten, „also echte harte Fakten“, könnten voranbringen, beschreibt Savoy ihre Motivation. „Sehr lange beruhte die Meinungsbildung auch in der Zivilgesellschaft auf einem unklaren Wissenssockel. In dem Augenblick, wo man diese Fakten freilegt und transparent macht, bewegt sich auch die Meinungsbildung den Fakten entsprechend.“Nur so könne überhaupt etwas entschieden werden.
Gesprächsbereitschaft auf deutscher Seite signalisieren sowohl Außenminister Heiko Maas als auch Kunstministerin Monika Grütters.
Beauftragt mit der Koordination der deutschen Museen, die BeninBronzen besitzen, wurde Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der auch das Ethnologische Museum in Berlin gehört. In einem Fernsehinterview mit 3Sat sagte Parzinger: „Wir sind zu Rückgaben bereit.“Und verwies dabei auf weit gediehene Gespräche mit Tansania. Trotzdem bekräftigte Parzinger in dem Interview, gerade wegen der heftigen Diskussion die BeninBronzen im neuen Humboldt-Forum ausstellen zu wollen, mit dem Verweis auch auf die gegenwärtige Diskussion.
Wie kompliziert die Herkunftsgeschichte der Benin-Bronzen tatsächlich ist, darauf verwies jüngst die Ethnologin Brigitta HauserSchäublin in einem Beitrag für die FAZ. Darin führt sie aus, dass in der Rückgabe-Debatte die Maßstäbe des 21. Jahrhunderts an das koloniale Handeln des 19. Jahrhunderts angelegt werden, aber nur einseitig. „Die „Opfer“und das, was der Kriegerstaat Benin in den Jahrhunderten bis zur Absetzung des Königs durch die Briten praktizierte, werden von einer Bewertung ausgenommen. Schlimmer noch: Dieser Teil der Objektgeschichte wird nicht erzählt.“
Hauser-Schäublin führt in ihrem Beitrag aus, dass die Bronzen Herrscher darstellen, die meisten den König, in der Edo-Sprache Oba bezeichnet. Die Benin-Könige seien Kriegerkönige gewesen, „die sich an einem aggressiv-heroischen kulturellen Ideal orientierten“, andere Gesellschaften unterwarfen, ganze
Dörfer auslöschten und plünderten. In den Bronze-Objekten kristallisiere sich das kriegerische Ethos, sie spielten bei rituellen Tier- und Menschenopfern eine Rolle.
Im Jahr 1897 schickten die Briten eine diplomatische Mission nach Benin City, die von den Oba überfallen, niedergemetzelt und gefangen genommen wurde. Die Gefangenen wurden später unmittelbar vor der Einnahme der Stadt durch die anschließende britische Strafexpedition geopfert. Nach der Besetzung der Stadt beschlagnahmten die Briten die Bronzen als Kriegsbeute, die schließlich in alle Welt verkauft wurde.