Sie hilft, sich an das eigene Ich heranzutasten
Die Meringerin Elisabeth Schweiger ist Begleiterin für die Arbeit am Tonfeld. Wie sie mit dieser haptischen Art von Beziehungsarbeit auch durch die Corona-Krise belasteten Menschen helfen kann
Mering Tief graben sich die kleinen Hände des Kindes in den Ton in einem flachen Holzkasten auf dem Tisch. Sie wühlen in der trägen Masse, greifen hinein und versuchen dadurch auch sich selbst zu begreifen. Aufmerksam beobachtet Elisabeth Schweiger ihren jungen Klienten und ermutigt ihn, sich auf die Möglichkeiten des vor sich stehenden Tonfeldes einzulassen und ganz bei sich zu sein.
Die ehemalige Meringer Grundschullehrerin ist Begleiterin für die Arbeit am Tonfeld und will Kindern, die in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sind, eine Förderung anbieten. Aber auch Erwachsene in kritischen Lebenssituationen können sich bei ihr durch die Arbeit am Tonfeld wieder stabilisieren. „Es gibt Irritationen im Leben, die einen aus der Bahn werfen, und man muss sich wieder ordnen und seinen Platz neu finden“, erklärt Schweiger. Das hat die 60-Jährige auch selbst erfahren und kam dadurch vor rund fünf Jahren mit der Arbeit am Tonfeld in Berührung.
Das Berühren und Begreifen, also der Einsatz des Tast-, Berührungsoder Spürsinns als ursprünglichste Sinneswahrnehmung liegt dieser Methode zugrunde, die helfen kann, Schwierigkeiten zu verarbeiten oder verhinderte Entwicklungspotenziale aufzuholen. Die Arbeit am Tonfeld wurde 1972 von Professor Heinz Deuser begründet und über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und in Ausbildungskursen vermittelt.
Schweiger war von Anfang an fasziniert von den Möglichkeiten, die sich durch die Haptik, das tastende Begreifen, eröffnen. „Das ist so grandios und ich wollte mehr wissen über diesen genialen Aufbau“, erklärt sie. Darum entschied sie sich für eine vierjährige Weiterbildung, deren Voraussetzung ein sozialer, medizinischer oder pädagogischer Beruf ist. Einen Großteil der Ausbildung absolvierte sie bei Barbara Osterwald in München, die dort eine eigene Praxis für die Arbeit am Tonfeld hat. „Die Kurse sind sehr vielschichtig angelegt“, erzählt Schweiger. „Es handelt sich um mehrere Wochenenden im Jahr, man gibt eigene Stunden, engagiert sich in einer Arbeitsgruppe, nimmt an der Supervision teil und einmal jährlich geht es auch nach Hinterzarten im südlichen Hochschwarzwald, wo Professor Deuser Institut für Haptische Gestaltbildung führt.“Ihre Abschlussarbeit verfasste die Grundschullehrerin im Rahmen einer Feldanalyse mit einem jungen Klienten rund um Schulschwierigkeiten.
In ihrem Wohnhaus in Mering hat die nunmehr fertig ausgebildete Begleiterin für die Arbeit am Tonfeld einen Raum eingerichtet, wo sie intensiv mit neuen Klienten arbeiten möchte. „Gerade die Beschränkungen während der nun schon über ein Jahr währenden Corona-Pandemie kann für Kinder und auch für Erwachsene sehr belastend sein“, weiß die Pädagogin. „Und das betrifft nicht nur die Schulproblematik.“Viele Menschen seien auf sich allein gestellt, es fehle ein Gegenüber, mit dem man eine Beziehung eingehen könne. Zudem solle Berührung vermieden werden, weiß Schweiger. „Viele Menschen sind durch die Pandemie in eine Schieflage geraten und die Arbeit am Tonfeld, das Besinnen auf sich selbst, kann ihnen helfen, zu sich selbst zu finden. Durch die Beziehung zu einem Gegenüber, dem Tonfeld, können Ressourcen erschlossen werden.“
„In ihrem komplexen Alltag sind Kinder oftmals überfordert und reagieren mit Entwicklungsproblemen. Sie brauchen dann eine gezielte Förderung, damit sie sich nach ihren Möglichkeiten optimal entfalsein ten und ihre Fähigkeiten nutzen können“, so die Fachfrau. Auch für Erwachsene bietet die Arbeit am Tonfeld die Möglichkeit, Schwierigkeiten zu verarbeiten, die teilweise auf Verhinderungen oder belastende Erfahrungen zurückzuführen sind. In kritischen Lebenssituationen kann das neue Stabilität geben. „Indem ich berühre, werde ich berührt“, sagt die ausgebildete Begleiterin für die Arbeit am Tonfeld.
Als geschulte Beobachterin ermutigt Schweiger ihre Klienten, Probleme im Alltag aufzudecken und selbst Lösungsmöglichkeiten zu finden. Ziel ist es, über die Ressourcen einen Weg zu finden, über seine Defizite hinwegzukommen.
Die Vorgehensweise ist kein kognitiver Ansatz, sondern es geht um eine nichtsprachliche Form, mit sich in Kontakt zu kommen. „Das Tonfeld ist der Beziehungsrahmen, das Tor zu den eigenen verschütteten Emotionen“, erklärt Schweiger. Etwa fünf einstündige Sitzungen veranschlagt die ausgebildete Fachfrau in der Regel, um einen Prozess in Gang zu bringen. Davor ist eine kostenlose Probestunde möglich. „Dabei arbeiten wir niemals mit den Defiziten, sondern immer mit den Ressourcen.“Die Arbeit am Tonfeld sei keine symptomorientierte Therapie, sondern eine Entwicklungsbegleitung oder -förderung, stellt Schweiger klar.