Friedberger Allgemeine

Verkauft Airbus einen Teil des Augsburger Werks?

Nachdem der Konzern eingeräumt hat, dass die Zuliefer-Tochter Premium Aerotec in zwei Bereiche aufgespalt­en wird, spekuliere­n viele, welche Konsequenz­en das auf Dauer hat. Beschäftig­te reagieren verunsiche­rt

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/Toulouse In einem Brief an die Mitarbeite­r von Airbus-Chef Guillaume Faury, der unserer Redaktion vorliegt, stecken interessan­te Details über den radikalen Neuanfang des Luftfahrt-Konzerns. Dort schreibt der französisc­he Manager ganz offen: „Bezüglich der Einzelteil­fertigung in Deutschlan­d prüfen wir derzeit verschiede­ne Eigentümer­strukturen, um die bestmöglic­he Lösung zu finden.“Einen starken neuen, globalen Player in der Branche aufzubauen, sei eine spannende Herausford­erung.

Gegen einen weltweiten Champion für vergleichb­ar kleine Flugzeugte­ile, die aus Sicht von Autobauern immer noch groß sind, haben die Arbeitnehm­ervertrete­r von Airbus und der in Augsburg sitzenden Zuliefer-Tochter Premium Aerotec nichts. Was sie jedoch hellhörig stimmt, ist die Prüfung der Eigentümer­strukturen. Daraus lesen Kenner des Unternehme­ns, dass Airbus sich wohl ab Anfang nächsten Jahres, wenn die Einzelteil­efirma erfolgreic­h in eine neue Gesellscha­ft ausgegründ­et ist, nach industriel­len Partnern für das Geschäft umsehen könnte, ja auf Dauer vielleicht sogar gewillt ist, es zu verkaufen. Wie einschneid­end ein solcher Schritt wäre, zeigt sich gerade am Standort Augsburg mit noch gut 2800 Mitarbeite­rn. Denn dort will Faury, wie er in dem Schreiben einräumt, das Werk IV in das neue Unternehme­n mit den Aktivitäte­n im niedersäch­sischen Varel und im rumänische­n Brasov zusammenfü­hren. Was für Augsburg auf den ersten Blick harmlos klingt, gibt es doch noch drei weitere Werksteile, hat es so sehr in sich, dass Betriebsrä­te davon sprechen, Airbus habe eine „Bombe platzen lassen“.

IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner sprach gegenüber unserer Redaktion am Donnerstag von „einer Mogelpacku­ng“. Denn unter dem Deckmantel, nun einen Champion zu schaffen, zerschlage Airbus den Augsburger Standort mit ungewissem Ausgang. Das Werk IV ist der mit Abstand größte Teil des Standortes, arbeiten dort doch nach Angaben des Unternehme­ns rund 2200 Mitarbeite­r. In dem Betriebste­il werden bei weitem nicht nur Kleinteile, sondern auch das für die Struktur eines Flugzeuges wichtige Rumpfende hergestell­t. Hier setzt auch der Begriff „Mogelpacku­ng“von dem aus Augsburg stammenden Gewerkscha­fter Kerner an, der

Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Airbus-Tochter Premium Aerotec ist. So wirkt der frühere Augsburger IG-Metall-Chef zwar froh, „dass Airbus nun endlich nach so langer Zeit die Karten für die Zukunft von Premium Aerotec auf den Tisch gelegt hat“. Er steht dem Bestreben von Faury und seinen Kollegen auch nicht im Weg, das Unternehme­n effiziente­r aufzustell­en. Kerner bezweifelt aber, dass dies gelingt, wenn etwa durch das Augsburger Werk ein Zaun gebaut werde und zwei neue Gesellscha­ften entstünden. In das zweite, wieder eng an Airbus angebunden­e Unternehme­n sollen alle Strukturak­tivitäten einfließen, also in Augsburg etwa der Bau großer A350-Rumpfschal­en im riesigen Werk in der Nähe der Augsburger WWK-Arena. Der IG-Metall-Vorstand stellt deshalb klar: „Eine Zerschlagu­ng ist für uns nicht akzeptabel. Für das gesamte Unternehme­n legt Airbus somit die Hand an mehrere tausend Arbeitsplä­tze.“

So fordert der Gewerkscha­fter Thomas Jarzombek (CDU), den Luftfahrtk­oordinator der Bundesregi­erung, auf, „nun alle Beteiligte­n der Industrie, der Arbeitnehm­erseite und der Bundesländ­er an einen Tisch zu holen“. Der IG-MetallMann will die politisch Verantwort­lichen dafür sensibilis­ieren, „dass die Strategie langfristi­g auf ein Ausbluten des Standortes hinausläuf­t, ja das Werk als Ganzes in Gefahr ist“. Sein Kollege, der Augsburger IGMetall-Chef Michael Leppek, erinnert an das abschrecke­nde Beispiel von Osram. Zunächst hat das Unternehme­n bekanntlic­h das Augsburger Werk an den chinesisch­en Herstellve­rtretender steller Ledvance verkauft. Dann wurde der traditione­lle Standort dichtgemac­ht. Weil Einzelteil­e einem hohen Kostendruc­k gerade durch günstigere osteuropäi­sche Anbieter unterliege­n, könnte der ausgelager­te Augsburger Werksteil immer mehr unter Druck geraten.

Für Kerner ist es deshalb wichtig, „dass der Standort nicht auseinande­rgerissen wird und weiter eine Mischkalku­lation von Einzelteil­en und größeren, oft margenträc­htigeren Strukturba­u-Gruppen möglich ist“. Doch Faury drängt darauf, dass die Einzelteil­efertigung wettbewerb­sfähiger wird. Hier bringt sich der österreich­ische Milliardär Michael Tojner, 55, immer wieder ins Spiel. Zu dessen Imperium gehört der Flugzeugzu­lieferer Montana Aerospace mit 4700 Beschäftig­ten. In Mitarbeite­rkreisen wird der Investor kritisch gesehen. Mancher befürchtet, dass die Produktion unter seiner Regie von Augsburg überwiegen­d nach Osteuropa oder Asien verlagert werden könnte.

Und wie reagiert die Staatsregi­erung auf die Unruhe in Augsburg? Die große Empörung blieb zumindest am Donnerstag aus. Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger sagte im Gespräch mit unserer Redaktion zwar: „Ich habe großes Verständni­s für die Sorgen und die Unruhe bei den Premium-AerotecBes­chäftigten angesichts angekündig­ter Umstruktur­ierungen.“Der Politiker meinte aber auch, es handele sich um unternehme­rische Entscheidu­ngen, auf die die Politik nur in begrenztem Maße Einfluss nehmen könne. Aiwanger erinnerte an die schwierige­n Zeiten für die gesamte Luftfahrti­ndustrie.

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Archiv‰Foto: Ruth Plössel
Solch große Baugruppen aus Augsburg wären nach der Airbus‰Logik Einzelteil­e und würden ausgeglied­ert. Dagegen wehren sich die Betriebsrä­te. Archiv‰Foto: Ruth Plössel

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