Das ungeliebte Vakzin
Seit dem 22. April ist der Covid-Impfstoff von AstraZeneca für alle Erwachsenen freigegeben. Doch im Wittelsbacher Land stehen den Impfungen ohne Priorisierung nicht nur die Bedenken der Patienten im Weg
Beim Impfstoff AstraZeneca haben viele Menschen aus dem Wittelsbacher Land Bedenken. Doch die sind nicht die Einzigen, die Impfungen im Wege stehen.
AichachFriedberg Die Aussicht auf einen Sommerurlaub im Ausland nach langen Monaten im Lockdown. Dazu weniger Angst vor Infektionen, schweren Verläufen und Langzeitschäden wie Geschmacksverlust oder chronischen Erschöpfungszuständen. All das wäre seit der bayernweiten Aufhebung der Priorisierung für den Impfstoff von AstraZeneca auch dann möglich, wenn man keine Vorerkrankung hat oder keinen Beruf ausübt, der zu einer schnellen Impfung
berechtigt. Zumindest im Prinzip, denn nicht-priorisierte Impfungen mit dem Vakzin von AstraZeneca scheitern im Wittelsbacher Land noch häufig an der mangelnden Versorgung der Hausärzte mit Impfdosen – und an den Bedenken ihrer Patienten.
Nachdem bekannt wurde, dass der Impfstoff der schwedisch-britischen Firma in seltenen Fällen zu tödlichen Thrombosen führen kann, sei die Nachfrage nach dem AstraZeneca Vakzin spürbar zurückgegangen, so
Dr. Andreas Ullmann, Leiter des Aichacher Zentrums für Allgemeinmedizin und ärztlicher Koordinator für den Landkreis Aichach-Friedberg. „Viele sagen uns, sie wollen geimpft werden, aber nicht mit AstraZeneca. Mit jeder Pressemeldung sind die Bedenken der Patienten gestiegen“, berichtet Ullmann im Gespräch mit unserer Redaktion.
Zu einer deutlichen Einschätzung des medialen Bilds des AstraZeneca Impfstoffs kommt auch der in Kühbach niedergelassene Hausarzt Dr. Mathias Glück: „AstraZeneca ist nach wie vor ein guter Impfstoff mit einer geringen Rate an Nebenwirkungen. Aber er ist von der Presse und der Politik völlig kaputtgeredet worden“, sagt Glück im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Nachfrage nach dem Vakzin sei unter seinen Patienten eher niedrig, aber er versuche, infrage kommende Patienten dennoch für eine Impfung zu motivieren – mit Erfolg, wie er sagt.
Eine Impfung mit AstraZeneca biete er vor allem Männern oder älteren Frauen an, da für diese Gruppen ein geringeres Risiko für Nebenwirkungen besteht. Dabei verweise er auf Studienergebnisse, die zeigten, dass das Risiko tödlicher Nebenwirkungen verschwindend gering ist.
„Meist ist es so: Die Patienten überlegen zwei Sekunden und geben dann das OK.“
Patienten, die auch ohne Zugehörigkeit zu einer Priorisierungsgruppe mit AstraZeneca geimpft werden wollen, gebe es in seiner Aichacher Praxis schon einige, so Dr. Andreas Ullmann. „Solche Anfragen kommen dann vor allem von jüngeren Männern – und von Urlaubern, die die Impfung für ihre Reise benötigen“, sagt der Mediziner. Letztlich scheiterten nicht-priorisierte Impfungen aber meist an der geringen Menge an Impfdosen, die den Ärzten zur Verfügung stehen. „Impfstoffe bekommen Ärzte in Aichach-Friedberg mittlerweile zwar mehr, aber oft immer noch zu wenig“, sagt der ärztliche Koordinator des Landkreises unserer Redaktion. Dazu komme der besonders hohe Beratungsaufwand für nicht-priorisierte Impfungen von Menschen unter 60: „Für jeden solchen Patienten ist zusätzlich ein ausführlich dokumentiertes Beratungsgespräch notwendig.“
Neben der verfügbaren Menge an Impfdosen und dem hohen Beratungsbedarf ist vor allem die Planung von Impfterminen ein großes Problem für die Praxen im Wittelsbacher Land. „Wir erfahren erst am Donnerstag, wie viele Dosen wir in der Folgewoche erhalten. Die Lieferung erhalten wir dann am Montagabend.
AstraZeneca muss schnell verimpft werden, und deshalb haben wir ein riesiges organisatorisches Problem“, sagt der in Baindlkirch praktizierende Hausarzt Dr. Robert Guha unserer Redaktion. Die Ärzte Guha, Ullmann und Glück konnten so noch keinen einzigen Patienten ohne Priorisierung impfen. Der in Friedberg ansässige Hausarzt Dr. Reinhard Geißenberger hingegen berichtet, schon einen solchen Patienten geimpft zu haben: „Diesen Patienten habe ich aber vor allem geimpft, um seine Frau zu schützen, die kürzlich an Krebs erkrankt war.“Denn dem Friedberger Hausarzt geht es wie vielen seiner Kollegen: „Wir haben noch eine relativ lange Liste an Patienten, die zur Priorisierungsgruppe gehören. Bevor wir ohne Priorisierung impfen können, haben wir da noch einiges abzuarbeiten.“
Nachfrage nach AstraZeneca ist spürbar zurückgegangen