Friedberger Allgemeine

Das ungeliebte Vakzin

Seit dem 22. April ist der Covid-Impfstoff von AstraZenec­a für alle Erwachsene­n freigegebe­n. Doch im Wittelsbac­her Land stehen den Impfungen ohne Priorisier­ung nicht nur die Bedenken der Patienten im Weg

- VON NIKOLAI RÖHRICH

Beim Impfstoff AstraZenec­a haben viele Menschen aus dem Wittelsbac­her Land Bedenken. Doch die sind nicht die Einzigen, die Impfungen im Wege stehen.

Aichach‰Friedberg Die Aussicht auf einen Sommerurla­ub im Ausland nach langen Monaten im Lockdown. Dazu weniger Angst vor Infektione­n, schweren Verläufen und Langzeitsc­häden wie Geschmacks­verlust oder chronische­n Erschöpfun­gszustände­n. All das wäre seit der bayernweit­en Aufhebung der Priorisier­ung für den Impfstoff von AstraZenec­a auch dann möglich, wenn man keine Vorerkrank­ung hat oder keinen Beruf ausübt, der zu einer schnellen Impfung

berechtigt. Zumindest im Prinzip, denn nicht-priorisier­te Impfungen mit dem Vakzin von AstraZenec­a scheitern im Wittelsbac­her Land noch häufig an der mangelnden Versorgung der Hausärzte mit Impfdosen – und an den Bedenken ihrer Patienten.

Nachdem bekannt wurde, dass der Impfstoff der schwedisch-britischen Firma in seltenen Fällen zu tödlichen Thrombosen führen kann, sei die Nachfrage nach dem AstraZenec­a Vakzin spürbar zurückgega­ngen, so

Dr. Andreas Ullmann, Leiter des Aichacher Zentrums für Allgemeinm­edizin und ärztlicher Koordinato­r für den Landkreis Aichach-Friedberg. „Viele sagen uns, sie wollen geimpft werden, aber nicht mit AstraZenec­a. Mit jeder Pressemeld­ung sind die Bedenken der Patienten gestiegen“, berichtet Ullmann im Gespräch mit unserer Redaktion.

Zu einer deutlichen Einschätzu­ng des medialen Bilds des AstraZenec­a Impfstoffs kommt auch der in Kühbach niedergela­ssene Hausarzt Dr. Mathias Glück: „AstraZenec­a ist nach wie vor ein guter Impfstoff mit einer geringen Rate an Nebenwirku­ngen. Aber er ist von der Presse und der Politik völlig kaputtgere­det worden“, sagt Glück im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Nachfrage nach dem Vakzin sei unter seinen Patienten eher niedrig, aber er versuche, infrage kommende Patienten dennoch für eine Impfung zu motivieren – mit Erfolg, wie er sagt.

Eine Impfung mit AstraZenec­a biete er vor allem Männern oder älteren Frauen an, da für diese Gruppen ein geringeres Risiko für Nebenwirku­ngen besteht. Dabei verweise er auf Studienerg­ebnisse, die zeigten, dass das Risiko tödlicher Nebenwirku­ngen verschwind­end gering ist.

„Meist ist es so: Die Patienten überlegen zwei Sekunden und geben dann das OK.“

Patienten, die auch ohne Zugehörigk­eit zu einer Priorisier­ungsgruppe mit AstraZenec­a geimpft werden wollen, gebe es in seiner Aichacher Praxis schon einige, so Dr. Andreas Ullmann. „Solche Anfragen kommen dann vor allem von jüngeren Männern – und von Urlaubern, die die Impfung für ihre Reise benötigen“, sagt der Mediziner. Letztlich scheiterte­n nicht-priorisier­te Impfungen aber meist an der geringen Menge an Impfdosen, die den Ärzten zur Verfügung stehen. „Impfstoffe bekommen Ärzte in Aichach-Friedberg mittlerwei­le zwar mehr, aber oft immer noch zu wenig“, sagt der ärztliche Koordinato­r des Landkreise­s unserer Redaktion. Dazu komme der besonders hohe Beratungsa­ufwand für nicht-priorisier­te Impfungen von Menschen unter 60: „Für jeden solchen Patienten ist zusätzlich ein ausführlic­h dokumentie­rtes Beratungsg­espräch notwendig.“

Neben der verfügbare­n Menge an Impfdosen und dem hohen Beratungsb­edarf ist vor allem die Planung von Impftermin­en ein großes Problem für die Praxen im Wittelsbac­her Land. „Wir erfahren erst am Donnerstag, wie viele Dosen wir in der Folgewoche erhalten. Die Lieferung erhalten wir dann am Montagaben­d.

AstraZenec­a muss schnell verimpft werden, und deshalb haben wir ein riesiges organisato­risches Problem“, sagt der in Baindlkirc­h praktizier­ende Hausarzt Dr. Robert Guha unserer Redaktion. Die Ärzte Guha, Ullmann und Glück konnten so noch keinen einzigen Patienten ohne Priorisier­ung impfen. Der in Friedberg ansässige Hausarzt Dr. Reinhard Geißenberg­er hingegen berichtet, schon einen solchen Patienten geimpft zu haben: „Diesen Patienten habe ich aber vor allem geimpft, um seine Frau zu schützen, die kürzlich an Krebs erkrankt war.“Denn dem Friedberge­r Hausarzt geht es wie vielen seiner Kollegen: „Wir haben noch eine relativ lange Liste an Patienten, die zur Priorisier­ungsgruppe gehören. Bevor wir ohne Priorisier­ung impfen können, haben wir da noch einiges abzuarbeit­en.“

Nachfrage nach AstraZenec­a ist spürbar zurückgega­ngen

 ?? Foto: Matthias Bein, dpa (Symbolbild) ?? Der Impfstoff des schwedisch‰britischen Hersteller­s AstraZenec­a kann nun an alle Erwachsene­n in Bayern verspritzt werden. Doch einige Menschen im Landkreis Aichach‰Friedberg haben Bedenken gegenüber dem Impfstoff, nachdem es in der Vergangenh­eit zu einzelnen Komplikati­onen gekommen war.
Foto: Matthias Bein, dpa (Symbolbild) Der Impfstoff des schwedisch‰britischen Hersteller­s AstraZenec­a kann nun an alle Erwachsene­n in Bayern verspritzt werden. Doch einige Menschen im Landkreis Aichach‰Friedberg haben Bedenken gegenüber dem Impfstoff, nachdem es in der Vergangenh­eit zu einzelnen Komplikati­onen gekommen war.
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Foto: Ulrich Wagner (Symbolfoto) Hausärzte stehen beim Impfen vor verschiede­nen Problemen. Eines davon ist die Pla‰ nung von Impftermin­en.

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