Es könnte Millionen Gewinner des DFB-Debakels geben
Der Machtkampf an der Spitze wird Präsident Fritz Keller wohl den Job kosten. Im besten Fall steht aber auch eine Erneuerung des kompletten Verbands bevor
Fritz Keller hat sich als Präsident des Deutschen FußballBundes unmöglich gemacht. Er repräsentiert einen Verband mit über sieben Millionen Mitgliedern. Der Präsident des DFB wird nicht an Titeln gemessen, er braucht kein hervorragender Fußballer gewesen zu sein. Seine herausragende Aufgabe ist es, mit Würde dem Verband vorzustehen. Das kann Keller nicht mehr, nachdem er seinen Kontrahenten Rainer Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglich. Es war eine ungeheuerliche verbale Entgleisung Kellers – schließlich schickte Freisler tausende Menschen in den Tod. Wer sich derart enthemmt äußert, kann nicht mehr stellvertretend für sieben Millionen Menschen auftreten.
Dabei vereinte Keller viele Fähigkeiten in sich, die dem DFB auf dem Weg aus der gesellschaftlichen
Bedeutungslosigkeit gut zu Gesicht hätten stehen können.
Charismatisch, moralisch integer und gut vernetzt schien er die optimale Wahl nach den bleiernen Jahren unter Reinhard Grindel gewesen zu sein. Der biedere Ex-Politiker traute sich weder, den Unrat des Sommermärchens fachgerecht zu entsorgen, noch war er gewillt, einem immer heterogener werdenden Verband eine Form zu geben, in der sich jeder und jede wiederfinden konnte. Keller hingegen packte an.
Einigen Verbandsvertretern ging das nach den bürokratisch verwalteten Jahren zu energisch. Doch der DFB-Präsident hätte die Energie gehabt, Gräben zu überwinden und gänzlich unliebsames Personal auszutauschen. Zudem hatte er das hehre Ziel, ein Präsident aller Mitglieder zu sein. Frauen und Männer, Kinder und Erwachsene, Deutsche und Ausländer – Keller wollte einen. Dass er es nicht geschafft hat, liegt an der Beleidigung, mit der er Koch überzogen hat.
Der Vizepräsident geht somit vorerst als Sieger aus dem Machtkampf
hervor. Sein Widersacher Keller ist erledigt. Doch Koch wird es schwer haben, daraus Profit zu schlagen.
Er steht für den alten DFB. Einen unbeweglichen Verband ohne Vision und Weiterentwicklung seines gesellschaftlichen Auftrags. Als Vertreter der Amateure war er während der Corona-Krise nicht zu hören. Wo Kinder und Breitensportler
einen starken Fürsprecher gebraucht hätten, versagte Koch. Der Mann der Amateure zog in ein Gremium der Uefa ein und nickte die Erweiterung der Champions League und somit einen weiteren finanziellen Exzess ab.
An der Spitze des DFB fehlt es an Gespür. Keller ließ sich von seinem aufbrausenden Naturell in die Sackgasse treiben, Koch ist der Inbegriff eines Bündnisse schmiedenden Funktionärs. So lässt sich kein
Sieben-Millionen-Mitglieder-Verband im 21. Jahrhundert führen. Es braucht eine Idee von bunter Gesellschaft, und diese Idee muss mit Leben gefüllt werden. Diese Idee muss die Verbandsspitze glaubhaft repräsentieren. Sie muss die Nationalspieler davon überzeugen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Keller kann das nicht mehr, und Koch wird es nie können.
Der Verband in seiner föderalen Struktur profitiert von den gleichen Vorteilen wie die Bundespolitik – und hat ebenso mit den Problemen des Konstrukts zu kämpfen. Es wird immer wieder Konflikte geben, einige Zwistigkeiten werden nicht zu beseitigen sein. Das wird sich auch nicht ändern, wenn Keller nicht mehr im Amt ist. Damit der künftige Präsident aber unvoreingenommen wirken kann, ist auch ein Rückzug Kochs notwendig. Ansonsten macht sich der neue Mann – oder die neue Frau – sofort verdächtig, auf alte Seilschaften angewiesen zu sein. Ein in die Zukunft gewandtes Auftreten ist so nicht möglich.
Koch und Keller sind nicht fähig, den DFB zu führen