Drei Männer, keine Lösung
Fritz Keller und das Duo Rainer Koch/Friedrich Curtius stehen sich unversöhnlich gegenüber. Wie konnte es so weit kommen, dass an der Verbandsspitze ein öffentlicher Streit zelebriert wird?
Frankfurt am Main Es ist verständlich, dass Rainer Koch der Bitte um Entschuldigung nicht nachgekommen ist. Zu krass war die verbale Verletzung, die ihm Fritz Keller zugefügt hatte. Der DFB-Präsident nannte seinen Vize einen „Freisler“und stellte ihn damit mit dem Präsidenten des Volksgerichtshofs während des Nazi-Regimes gleich. Ein Mann, der für tausendfachen Tod verantwortlich ist. Es benötigt möglicherweise ein übergroßes Herz, diese Beleidigung zu vergessen. Koch aber lehnt nicht einfach die Entschuldigung seines Widersachers ab. „Ich habe diese Entschuldigung entgegengenommen. Eine Bewertung des Sachverhalts überlasse ich den dafür zuständigen Gremien und möchte den Sachverhalt daher nicht weiter kommentieren“, ließ er nach einem persönlichen Gespräch mit Keller in einer Pressemitteilung wissen.
Er hat die Entschuldigung also entgegengenommen. Was aber bedeutet das? Koch ist gelernter Jurist. Ein hervorragender sogar. Ansonsten wird man nicht Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München. Als solcher fungierte Koch, ehe ihm die Funktionärstätigkeiten auf regionaler, bundesweiter und europäischer Bühne die Zeit nahmen, Recht zu sprechen. Der 62-Jährige kennt sich aus mit sprachlichen Feinheiten. Gesetzbücher strotzen davon. Dass ein Mann, der jahrelang selbstständig über Recht und Unrecht geurteilt hat, die „zuständigen Gremien“für die Bewertung des Sachverhalts benötigt, kann verwirren. Die Ethik-Kommission des DFB wird Koch gewiss nicht raten, ob er nun die Entschuldigung annehmen soll. Viel mehr hat das Organ das Resultat seiner Beratungen an das DFB-Sportgericht weitergeleitet. Dort wird nun über eine mögliche Bestrafung Kellers entschieden.
Kochs verbale Tänzelei darf als Indiz gelten, wie er es zum MultiFunktionär und möglicherweise mächtigsten Mann im deutschen Fußball geschafft hat. Nicht zu schnell auf eine Seite schlagen, prädenken und handeln, nicht provozieren lassen. Hinzu kommt die selten gesehene Fähigkeit, trotz übersichtlicher Beliebtheit starke Allianzen zu schmieden. Die Söderhaftigkeit hat Koch nun an die Schwelle des Präsidentenamts gebracht. Der letzte Schritt aber wird wahrscheinlich nicht gelingen.
Denn obwohl mit Fritz Keller sein großer Gegenspieler den Verband wohl bald verlassen wird, hat auch Koch keine starke Hausmacht. Auch er musste sich beim Treffen der Landesverbände der Vertrauensfrage stellen – und kam mit 21:13 (drei Enthaltungen) sowie einem Denkzettel weg. Allerdings hält Koch als Präsident des Bayerischen sowie des Süddeutschen Fußball
Verbands alleine schon insgesamt vier Stimmen. Zudem wird genau beobachtet, welche Rolle Koch bei einer Vertragsangelegenheit zugesprochen wird, die den DFB seit Jahren beschäftigt. Dabei handelt es sich unter anderem um einen Medienberater, der den Verband bei der Kommunikation der InfrontUngereimtheiten begleiten sollte. Infront war der Vermarkter des Verbandes.
Es geht dabei unter anderem um vermeintlich zu hohe Rechnungen. Keller soll auf schnelle Aufklärung gedrängt haben. Keine Zweifel gibt es an den 20000 Euro, die aus der Verbandskasse gezahlt wurden, um den Wikipedia-Eintrag von Friedrich Curtius professionell aufhübzise schen zu lassen. Der Generalsekretär und Keller sind nicht erst seit dem Bekanntwerden einig in ihrer gegenseitigen Zwietracht. Curtius aber ist immerhin der höchstrangige hauptamtliche Mitarbeiter des DFB. Keiner kennt sich in der Verbandszentrale in Frankfurt so gut aus wie er. Er kennt die Belegschaft, weiß um interne Strömungen und verhält sich generell unauffällig in der Öffentlichkeit. Wie Koch ist auch er Jurist.
Es scheint, als liege dem bisweilen aufbrausenden Genussmenschen Keller der Umgang mit den Rechtsgelehrten nicht sonderlich. Derzeit schaut es so aus, als würde er den Kampf verlieren. Immerhin wurde auch Curtius von den Landes- und
Regionalverbänden zum Rücktritt aufgefordert. Genauso wie Keller hat aber auch er noch nicht auf das Votum reagiert – rechtlich bindend ist es ohnehin nicht.
Die Ränkespiele an der Verbandsspitze sind noch nicht vorbei. Sie werden auch nicht enden, wenn Keller und Curtius der Aufforderung nachkommen und zurücktreten. Das Unternehmen, das für den DFB interne Unsauberkeiten aufklären soll, hat sich einen Spaß daraus gemacht, den passenden CodeNamen für ihr Projekt zu finden: Hydra.
Dem Ungeheuer der griechischen Mythologie wachsen immer zwei neue Köpfe, wenn denn mal ein Haupt abgeschlagen wird.