Meringer PiffPaffBoote aus alten Konservendosen
So manche Produktionsidee aus der Nachkriegszeit war die Grundlage für einen Laden in Mering. Wie sich das entwickelte
Mering „Wer kam eigentlich auf die Idee, dass man mit Kruscht Geld verdienen kann?“, fragte sich Walter Schelle so manches Mal, wenn er die Fülle an Kleingewerbe aus der Nachkriegszeit betrachtete. Über die Jahre schrieb der heimatverbundene Hobbyhistoriker und Sammler, der vor Kurzem starb, eine lange Liste über Merings Gewerbetreibende nach dem Krieg zusammen. Oftmals waren es Flüchtlinge, die in ihrer neuen Heimat ihr altes Handwerk wiederbelebten.
„Manche Unternehmen wie etwa das Baugeschäft Tippmann und Walter existierten nur einige Jahre. Andere wie die Seilerei Prusinovsky in der Augsburger Straße gab es eine lange Zeit“, wusste Walter Schelle. Bei Ignaz Prusinovsky kaufte er 1969 ein 25 Meter langes Seil. „Das war handgedreht, richtige Wertarbeit und noch nach Jahrzehnten in Gebrauch.“
Sorgfältig hatte Schelle die Originalrechnung des Seils zusammen mit den historischen Fotos aus der Seilerei sowie den Sterbebildchen des Ehepaars Franziska und Ignaz Prusinovsky in seinem Archiv aufbewahrt. Oftmals entwickelte sich aus einer Idee ein späteres Fachgeschäft, wie im Fall von Martin Zöpf. Zunächst fertigte der findige Messerschmitt-Ingenieur aus Blechdosen Trachtenknöpfe, die in Heimarbeit von Frauen bemalt wurden. Da Rohstoffe wie etwa das Blech in den Nachkriegsjahren fehlten, kam Zöpf auf die Idee, die entsorgten Konservendosen der Amerikaner zu verwenden. Als der Bedarf gedeckt war, produzierte er Milchschöpfer und später dann sogenannte PiffPaff-Boote. Dieses fantasievolle Spielzeug war ebenfalls aus Dosenblech, wurde mit Wasserdampf betrieben, und ein Kerzenstummel befeuerte den Kessel. „Später eröffnete Zöpf sogar sein eigenes Sanitärgeschäft. Nach eigenen Angaben habe er persönlich jede gesetzte Kloschüssel eingeschissen“, erzählte Schelle mit einem Augenzwinkern.
Ein Traditionsgeschäft entwickelte sich auch aus der Idee von Hans Schuster, der bei den Amperwerken angestellt war. Er baute nebenbei Elektrokocher und bezog das Keramikteil von der Firma Zettler. Seine Enkel und seine Urenkel führen das damals gegründete Unternehmen noch heute. „Es gab eine große Anzahl von kleinen und kleinsten Handwerkern, Landwirten und Gewerbetreibenden, die mit vielfältigen Ideen und Serviceangeboten versuchten, sich einen Zuverdienst zu erwerben oder überhaupt über Wasser zu halten“, resümierte Schelle. „Viele sind wieder verschwunden, andere haben sich vergrößert und existieren heute noch.“
Gerne erinnerte sich Schelle auch an den Lachenmayer-Hiasl, von Beruf Maurer wie er selbst, der noch mit 80 Jahren Kamine mauerte und als Hobby und weiteren Zuerwerb an den Wochenenden mit seiner Kapelle übers Land zog. Beim Berger und Gerbel in der Kirchstraße konnte man sogenannte Borddielen erwerben, die auf Meringerisch liebevoll als „Goartewändlein“bezeichnet wurden. Auf Schelles Liste rund um das Kleingewerbe stand auch Adolf Dietl, der in Stebers Werkstatt alte Druckmaschinen wieder auf Vordermann brachte. Und dann gab es den ZitzenzieherTschakl, der eine kleine Manufaktur in der Wiesenstraße hatte und nicht nur Handschuhe fertigte, sondern auch Werbeartikel wie Schlüsselanhänger oder Schuhlöffel mit eingravierten Firmennamen in seinem bunten Sortiment hatte.
Ein Unikum war wohl auch Karli Böhm, von Beruf Schreiner. Seine kleine Werkstatt hatte er am heutigen Wertstoffhof, die aufgrund immer weiterer Anbauten aus Holz im Volksmund „Vereinigte Hüttenwerke“genannt wurde. Dort passte er auf die Meringer Schuttgrube auf und verkaufte Handpolituren für exklusive Möbel.
Viele Anekdoten ranken sich auch um Otto, den Eiskönig, der das Straßenbild in der Meringer Nachkriegszeit wohl entscheidend mitprägte. Der Pole, der sich laut Schelle vor der Rückkehr drückte, war Merings erster Eisverkäufer. „Der Schreiner Erle baute für ihn um 1948 seinen ersten Wagen für zwei Sorten Eis, Schokolade und Vanille“, erinnerte sich Walter Schelle noch. Als die Anforderungen an Hygiene und Qualität strenger wurden, gab er auf und wurde Anstreicher.
● Zur Person: Walter Schelle
Sein großes Wissen und Können in vie lerlei Bereichen, sei es in Kunst und Lite ratur, in verschiede nen Sprachen oder aber in seinem Hauptberuf, dem Bau handwerk, gab er zeitlebens gerne weiter. Vor Kurzem ist Walter Schelle im Alter von 88 Jahren verstorben. (Foto: Niedermeyer)
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