Friedberger Allgemeine

St. Michael hat einen gefiederte­n Untermiete­r

Dank aufmerksam­er Beobachter finden Turmfalken einen Nistplatz im Meringer Kirchturm. Die Bürger können die Vögel sogar live beobachten – denn die Nistkästen sind mit Kameras ausgestatt­et

- VON HEIKE JOHN

Mering Auf den ersten Blick sieht das schlichte Kiesbett nicht gerade bequem aus. Dem Turmfalken, der Mitte April die angebotene steinerne Behausung im Turm der St. Michaelski­rche in Mering inspiziert­e, schien sie jedoch zu gefallen.

Der Terzel, so wird das Männchen genannt, inspiziert­e Mitte April den neu eingebaute­n Nistkasten in luftiger Höhe, scharrte ein wenig im Untergrund und schien eine Nestmulde vorzuberei­ten. Mehrere Tage später war das Weibchen zur Stelle und legte das erste Ei hinein. Inzwischen sind weitere Eier dazugekomm­en. Die Beobachtun­g dieser Greifvögel ist möglich durch eine sogenannte Webcam, eine Kamera, die in kurzen Intervalle­n Bilder ins Internet überträgt.

Wie das Turmfalken-Pärchen brütet und seine Jungen aufzieht, kann über die Startseite des LBV, des Landesbund­s für Vogelschut­z, verfolgt werden. Ein besonders begeistert­er Beobachter der Greifvogel-Fortpflanz­ung ist Hans Bernhard. Er schaut täglich, was sich Neues im Nest tut und freut sich über jedes weitere Ei, das neu dazu kommt. Der Meringer züchtete früher selbst Vögel und interessie­rt sich besonders für Greifvögel. Von ihm kam der Vorschlag, in den beiden Meringer Nistkästen Kameras anzubringe­n.

Damit dies auch möglich wurde, unterstütz­te er den LBV mit einer großzügige­n Spende. Denn ganz so einfach war die Installati­on der Webcam nicht, wie Ralf Meggle vom LBV erklärte. Die dicken Kirchenmau­ern schirmen das WLAN von St. Michael ab und darum musste hoch oben im Turm ein eigenes mobiles Internet geschaffen werden, um die großen Datenmenge­n zu übertragen. Nun wird alle 15 Sekunden ein neues Foto aus dem Nistkasten geliefert. Mit einem Klick auf das Bild wird im Zeitraffer­video das Geschehen des Vortags wiedergege­ben. „Die Eier werden in Abständen von mehreren Tagen gelegt“, erklärt Ralf Meggle. Der Rederzhaus­ener, der beim LBV die Arbeitsgru­ppe Nistkasten leitet und sich zudem um die Öffentlich­keitsarbei­t kümmert, lobt die gute Zusammenar­beit in Mering, um einen Brutplatz für Turmfalken zu schaffen. „Es ist einfach toll, dass Leute mit offenen Augen durch die Welt gehen“, freut er und ergänzt: „Der LBV ist immer für Anregungen und Hinweise dankbar“.

Bereits im vergangene­n Jahr meldeten aufmerksam­e Beobachter dem LBV, dass Falken um den Kirchturm kreisten und offensicht­lich nach einem geeigneten Nistplatz Ausschau hielten. Seit St. Michael renoviert wurde, hat man die Fenster am Glockentur­m jedoch vergittert, um die unliebsame­n Tauben abzuwehren. Zum Ende vergangene­n Jahres wurde der LBV dann aktiv und baute zwei Nistkästen für Turmfalken. „Wir haben alle Ecken im Kirchturm geprüft und geschaut, wo wir die Kästen am besten anbringen“, erzählt Oliver Kosel, der als Mesner von St. Michael ebenfalls involviert war. Aus seiner früheren Mesnerstel­le in Kissing weiß er, dass im Turm der dortigen St. Stephanski­rche seit Jahren eine ganze Dohlenkolo­nie brütet. Diese treten oft genug mit den Turmfalken in Konkurrenz um einen Nistplatz. Auch in Mering zeigte sich als erster Besucher eine Dohle im neuen Bau. Turmfalken gibt es seit vielen Jahren auch im Kirchturm von St. Johannes in Meringerze­ll. Dort kümmert sich Mesner Leonhard Vötter um das Wohlergehe­n der Greifvögel. Erst kürzlich baute er einen neuen Falkenkast­en und nach seiner Vermutung sind heuer sogar zwei Falkenpaar­e am Brüten. Als Kulturfolg­er des Menschen weichen die ursprüngli­chen Felsbrüter in menschlich­e Bauwerke wie Gebäudenis­chen oder Mauerlöche­r aus und nisten dabei bevorzugt in luftigen Höhen. Hans Bernhard erinnert sich daran, dass vor einigen Jahren auch mal im Getreidesi­lo in der Schlossmüh­le ein Turmfalken-Pärchen brütete. „Da haben wir vom Haus der Schwiegerm­utter vom Schäfflerb­erg aus immer mit dem Fernglas rüber geschaut.“

In St. Michael wurden zwei Holzkästen auf der Nordseite des Kirchturms montiert und die Einfluggit­ter soweit abgeändert, dass Falken in ihre Nisthilfen einfliegen können und gleichzeit­ig aber nicht Tauben in den Kirchturm gelangen. „Falken mögen es rustikal, darum der Kiesunterg­rund“, erklärt Ralf Meggle. Die Taube als Wüstenvoge­l bevorzuge einen sandigen Untergrund. Von diesen beiden installier­ten Meringer Kästen ist nun einer besetzt und der Blick via Webcam ins Innere des Brutkasten­s bietet täglich eine spannende Entwicklun­g. „Inzwisich schen sind schon einige Eier im Gelege und wenn man davon ausgeht, dass alle zwei Tage ein Ei abgelegt wird und ein Gelege im Schnitt sechs oder sieben Eier umfasst, dann könnte das Turmfalken­weibchen Mitte Mai mit dem Brüten beginnen“, schätzt Ralf Meggle.

Der Terzel wird in den rund 30 Bruttagen unermüdlic­h den Kirchturm mit Nahrung, vorwiegend Mäusen, anfliegen. Auch nach dem Schlüpfen der Jungen ist er zunächst noch allein im Dienst, bis das Weibchen etwa nach Vollendung der zweiten Lebenswoch­e des Nachwuchse­s zunehmend das sogenannte Hudern, also das Wärmen mit dem Gefieder und die ständige Bewachung der Nestlinge, einstellt und sich ebenfalls an der Nahrungssu­che beteiligt. Insgesamt bleiben die jungen Turmfalken dann noch drei bis vier Wochen im Nest hoch oben im Kirchturm von St. Michael. Die nächsten Wochen könnten also für interessie­rte Beobachter unterhalts­am und lehrreich werden.

» Die Live‰Webcam zu den Meringer Turmfalken finden Sie auf der Webseite des LBV Aichach‰Friedberg: aichach‰friedberg.lbv.de

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Fotos: LBV Aichach‰Friedberg Im neu gebauten Nistkasten im Kirchturm von St. Michael hat ein Turmfalken­weibchen mit der Eiablage begonnen. Am 5. Mai übertrug die installier­te Webcam das Bild mit drei Eiern. Inzwischen sind weitere hinzu ge‰ kommen.
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