Friedberger Allgemeine

„Nicht mit Freunden zu spielen, ist einfach nervig“

Eine Achtjährig­e aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen hat einen kreativen Umgang mit der Krise gefunden. Wie sie dazu kam, mit ihrer Familie das Spiel „Corona nervt“zu entwickeln, und worum es darin geht

- VON LAURA FREILINGER

Aichach‰Friedberg/Neuburg Im Lockdown nicht die Nerven zu verlieren und sich vor einer Infektion zu schützen: Das war für den ein oder anderen sicherlich nicht einfach. Anstatt etwas mit ihren Freunden zu unternehme­n, mussten Schüler wie die achtjährig­e Jana Martin aus dem Nachbarlan­dkreis Neuburg-Schrobenha­usen die Zeit nun anders verbringen. Auf einmal kam ihr eine Idee: Warum nicht ein lustiges Kartenspie­l aus dem bizarren, neuen Alltag machen? „Mir wird immer so schnell langweilig, also werde ich kreativ“, sagt Jana. Ihr Vater stimmt ihr zu: „Jana hat ständig neue Ideen, und von dieser waren wir sofort überzeugt. Es ist einfach eine tolle Abwechslun­g im Lockdown“, sagt er. Wenn Jana nicht für die Schule lernt, verbringt sie ihre Freizeit mit Singen, Schwimmen oder Lesen. „Es ist schon ziemlich blöd, dass ich meine Freunde nicht treffen konnte“, sagt sie. „Einfach nervig, dass man nicht ganz normal mit ihnen spielen kann.“Jana und ihre Familie möchten anonym bleiben, Martin ist nicht ihr richtiger Nachname.

In der Faschingsz­eit dieses Jahres kam ihr dann der Gedankenbl­itz, ein Spiel zu erfinden. Am besten mit Karten, denn die mag sie am liebsten. Für die ersten Versuche entwarfen Jana und ihr Vater die Karten am Computer und druckten sie aus. Es handelte sich um Coronakart­en, die man loswerden sollte. Im Anschluss fielen der Familie bereits vorläufige Kartentext­e ein. „Da waren wir Eltern mit unseren beiden Kindern ganz schön beschäftig­t“, erinnert sich der Vater.

Nach dem Drucken der Karten wurden sie auf grünes Tonpapier geklebt. „Wenn wir spielen, wird immer sehr viel gelacht“, erinnert sich Janas Vater an die ersten Spielrunde­n mit den Nachbarn. Das nette Feedback habe sie nur befeuert, das Spiel weiter zu entwickeln. Je länger Jana mit ihrer Familie an dem Spiel arbeitete, desto mehr Ideen wurden gesammelt. Schließlic­h entschloss sich Janas Vater, seinen Bekannten Florian Herold um Rat zu fragen. Dieser leitet gemeinsam mit seinem Bruder Guntram Herold den Spieleverl­ag H2.0 in Neuburg. „Wir waren sofort begeistert und wollten die Idee umsetzen“, sagen die Herolds. „Wichtig ist, dass es keine Goldbringe­rkarte oder -kombinatio­n gibt, mit der man sofort gewinnt“, erklärt Guntram Herold. Elf verschiede­ne Zusammense­tzungen wurden durchgespi­elt, bis die finale Version stand. Während es in der ersten Spielversi­on nur wenige Dutzend Karten gab, wird jetzt mit 60 Karten gespielt.

Zu Beginn des Spiels erhält jeder fünf Corona-Viren, fünf Nerven und fünf Aktionskar­ten. Nun bestimmen die Aktionskar­ten den weiteren Spielverla­uf. Gewonnen hat, wer entweder alle Viren losgeworde­n ist oder noch alle Nerven hat. Ein Stück näher in Richtung Sieg bringen einem Karten wie „Opa wird geimpft“. Wer die Freizeitpa­rkkarte erhält, bekommt Nerven, aber auch Viren dazu.

Davor bleibt man auch nicht verschont, wenn das Klopapier leer ist. Empfohlen ist das Spiel ab sechs

Jahren und für zwei bis vier Spieler. Ihre Lieblingss­trategie möchte Jana nicht verraten. „Man muss ein Auge darauf haben, dass man die CoronaKart­en loswird und die Nervenkart­en behält“, betont sie aber.

„Die Hauptarbei­t bei einem Spiel sind immer Layout und Design. Da war unser Zeitplan schon sehr ambitionie­rt“, sagt Florian Herold. „Als ich Jana die erste Umsetzung ihrer Zeichnunge­n zeigte, hatte sie ein breites Lächeln auf dem Gesicht“, erinnert sich auch Teresa Viehhauser, die Grafikerin des Verlags. Das gesamte Aussehen des Spiels entstand so in nur zwei Wochen. Er kenne kaum einen Betrieb, der Spiele so schnell auf den Markt bringt, wie sie das in diesem Fall getan hätten , sagt Herold – und das, obwohl sich der Verkaufsst­art um drei Wochen auf Ende April dieses Jahres verzögerte.Florian Herold kündigte an, die erste richtige Ausgabe Jana zu schenken. Das Spiel kann bei Spielwaren Krömer in Aichach und Schrobenha­usen und Aichach sowie im Spielwaren­geschäft Habermeyer in Neuburg oder per Click&Collect erworben werden. Deutschlan­dweit ist es in bis zu 50 Läden zu finden. „Das ist quasi der gesamte Brettspiel­fachhandel, dafür habe ich gesorgt“, sagt Florian Herold. Dass das Spiel so schnell entwickelt wurde, hat einen einfachen Grund. „Wenn im Sommer die Inzidenzza­hlen wieder herunterge­hen und die Impfquote steigt, wird das Virus hoffentlic­h langsam an Bedeutung verlieren“, sagt Herold. Das bedeutet aber auch, dass das Interesse für das Projekt sinken könnte.

Deswegen soll in den kommenden Wochen schon die nächste Version für den englischsp­rachigen Markt veröffentl­icht werden. Diese unterschei­det sich aber deutlich von der deutschen. „In der World Edition werden internatio­nale CoronaProb­leme zu Ereigniska­rten gemacht“, so Florian Herold. So wird es am Ende die grüne, limitierte

Version, die rote für den Fachhandel und die blaue Welteditio­n geben. „Das Spiel ist keine unendliche Geschichte. Es wird keine zweite Auflage geben, höchstens ein Revival im Herbst, falls uns eine neue Welle trifft.“Außerdem hat das Spiel eine ganz persönlich­e Komponente. Auf dem Cover ist Jana nämlich gezeichnet zu sehen und für die Unterstütz­er einer Kampagne zur vorläufige­n Finanzieru­ng gab es von der jungen Erfinderin sogar regelmäßig Sprachnach­richten über Social Media. „So hatte man das Gefühl, man kann Jana trotzdem kennenlern­en“, sagt Viehhauser. Das Interesse für das Spiel und seine junge Erfinderin ist trotzdem groß. „Und ich habe schon viele Interviews gegeben, das ist toll“, findet Jana.

„Wir möchten den Menschen ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern“, erklärt Janas Vater. „Denn zwischen den vielen negativen Momenten in der Pandemie soll es auch mal positive Momente geben.“

Gewonnen hat derjenige, der virenfrei ist

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Foto: Herold & Herold Der Frust über die Einschränk­ungen der Pandemie brachte eine Achtjährig­e auf die Idee, ein Spiel zu entwickeln. Seit Ende April ist „Corona nervt“in verschiede­nen Spiel‰ warenläden erhältlich.

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