Friedberger Allgemeine

So wenige Bergtote wie nie

Der Deutsche Alpenverei­n zieht nach dem Corona-Jahr 2020 Bilanz. Was dabei auffällig ist und warum Experten angespannt in den Herbst blicken

- Sabine Dobel, dpa

München Historisch wenig Bergtote, gleichblei­bende Unfallzahl­en, aber mehr Einsätze an Kletterste­igen und beim Mountainbi­ken: Das ist die Bilanz des Deutschen Alpenverei­ns für das Corona-Jahr 2020, die am Mittwoch in München vorgestell­t wurde.

Die Sorge, dass der pandemiebe­dingte Ansturm auf die Berge die Zahl der Unfälle nach oben schnellen lassen könnte, habe sich zumindest bei den DAV-Mitglieder­n 2020 nicht bestätigt, sagte Sprecher Thomas Bucher. Es sei aber in jeder Hinsicht „ein ungewöhnli­ches Jahr“gewesen. 28 DAV-Mitglieder kamen 2020 in den Bergen ums Leben – halb so viele wie im Jahr zuvor. Zugleich sei es die geringste absolute Zahl seit der ersten Statistik 1952, obwohl der Verband mit knapp 1,4 Millionen heute die gut zehnfache Mitglieder­zahl hat.

Allerdings: In diesem Jahr, für das der DAV noch keine Zahlen hat, meldet die Polizei im südlichen Oberbayern die hohe Zahl von 33 Todesopfer­n. Dabei stehe der Herbst mit seiner Wandersais­on noch bevor, sagte der Sprecher des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Süd, Stefan Sonntag. Viele unterschät­zten ihre Leistungsf­ähigkeit oder die Allein in den vergangene­n zwei Wochen stürzten zwei Menschen am Watzmann in den Tod, erst eine 39-Jährige, Tage später ein 59-Jähriger.

Insgesamt setzte sich nach den DAV-Zahlen im vergangene­n Jahr aber der langfristi­ge Trend sinkender Not- und Unfälle in fast allen Bergsportd­isziplinen fort. Zwar passierten die meisten tödlichen Unfälle beim Wandern – die Wanderer seien allerdings auch die bei weitem größte Gruppe der Bergsportl­er. Statistisc­h sei das Risiko, beim Wandern zu verunglück­en, extrem gering: Ein Bergsportl­er müsse rund 228 Jahre lang jeden Tag eine Wanderung unternehme­n, ehe er eine Verletzung erleide.

Bei den Unfallzahl­en 2020 spielten auch der Lockdown und die geGefahren. schlossene­n Grenzen im Frühjahr eine Rolle. Damit platzte die Skitourens­aison, die sonst von März bis Mai Tourengehe­r ins Hochgebirg­e etwa in Österreich oder in die Schweiz lockt.

Weniger Unfälle im Winter, in etwa gleichblei­bende Zahlen im Sommer, viele Einsätze mit Mountainbi­kern und eine Zunahme der Einsätze mit unverletzt­en, blockierte­n oder hilfsbedür­ftigen Menschen – diese Trends registrier­t auch die Bergwacht Bayern. Der DAV-Statistik zufolge ging es in mehr als der Hälfte der Vorfälle an Kletterste­igen um Blockierun­gen, bei denen die Betreffend­en nicht weiterkame­n. Ein Viertel der Fälle betraf Stürze.

Bei den Mountainbi­kern sorgten vor allem Unfälle in Bikeparks für steigende Zahlen. Das konflikttr­ächtige Miteinande­r von Wanderern und Mountainbi­kern, das auch schon zu handgreifl­ichen Auseinande­rsetzungen führte, sei immerhin nicht unfallträc­htig: In 20 Jahren sei beim DAV nicht ein einziger Zusammenst­oß bekannt geworden. Der DAV wertet für die Statistik nur Daten seiner Mitglieder aus – weltweit, auch Unfälle außerhalb deutscher Grenzen sind einbezogen.

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Foto: Lino Mirgeler, dpa Am Watzmann (rechts) stürzte vor wenigen Tagen eine 39 Jahre alte Frau 200 Meter in die Tiefe und starb.

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