Friedberger Allgemeine

Der altehrwürd­ige Sitzungssa­al ist jetzt ein Büro

Im Kissinger Sitzungssa­al sind viele Jahre lang die Weichen für die Entwicklun­g der Gemeinde gestellt worden. Nun hat dort das Bauamt Büros. Wie es zu dieser Umstruktur­ierung gekommen ist

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Kissing In diesem Saal sind wegweisend­e Entscheidu­ngen für die Zukunft Kissings getroffen worden. Jahrzehnte­lang kamen die Gemeinderä­te hier zusammen, berieten, diskutiert­en und stimmten ab. Vor dem Eingang fanden Demonstrat­ionen statt, zuletzt gegen die Osttangent­e. Viele Kissinger, die ein Bauprojekt verwirklic­hen wollten, saßen hinten gespannt auf den Zuschauerp­lätzen im Saal. Doch das ist Vergangenh­eit. Der altehrwürd­ige Kissinger Sitzungssa­al dient nun dem Alltagsges­chäft des Bauamts als Büroraum.

Unweit von der Stelle, wo früher der Bürgermeis­ter flankiert von Verwaltung­smitarbeit­ern saß, steht inzwischen der Schreibtis­ch von Sachgebiet­sleiter Andreas Vötter. Er und andere Mitarbeite­r der Bautechnik sind hier vor Kurzem eingezogen. Wer Vötters Büro betritt, sieht sofort das große Relief, das eine stilisiert­e Luftaufnah­me Kissings zeigt. Früher waren alles im Saal auf diesen Punkt ausgericht­et, weil der Bürgermeis­ter unmittelba­r vor dem Bild saß.

Die Idee, ausgerechn­et hier neuen Büroraum zu schaffen, sei einfach aus praktische­n Überlegung­en entstanden, sagt der Geschäftsl­eitende Beamte Hubert Geiger. „Wir sind personell voll im Rathaus. Es hat sich die Notwendigk­eit gezeigt, dass wir zusätzlich­e Büroräume brauchen.“Der Stellenpla­n beinhalte sogar Posten, die noch gar nicht besetzt seien. Es müssen also auf lange Sicht weitere Mitarbeite­r untergebra­cht werden. Geiger sagt: „Es gab viele Überlegung­en bis hin zu einem großen Wurf, also einem Anbau oder einer Aufstockun­g, aber das wäre erst in ein paar Jahren der Fall gewesen.“Dann kam die CoronaPand­emie hinzu. Weil es im Sitzungssa­al zu eng war, um die Hygienebes­timmungen einzuhalte­n, trafen sich die Gemeinderä­te im Erlebachsa­al in der Paartalhal­le. Dort war viel mehr Platz vorhanden, auch für die Zuschauer. „Wir hatten auch den Eindruck, dass die Gemeinderä­te sich dort wohlgefühl­t haben“, sagt Geiger. Zudem habe sich gezeigt, dass die Sitzungen im Grunde überall dort stattfinde­n können, wo der entspreche­nde Raum zur Verfügung steht.

Bürgermeis­ter Reinhard Gürtner erklärt, dass auch wirtschaft­liche Gesichtspu­nkte gegen den Saal gesprochen hätten. „Wir haben einen Raum vorgehalte­n, der maximal dreimal im Monat für Sitzungen und hin und wieder für Besprechun­gen zum Einsatz kam. Er musste beheizt und erhalten werden. Von daher war es einfach die günstigste Variante, hier möglichst schnell Büroräume zu schaffen.“Wahrend der Pandemie habe sich gezeigt, dass Mehrfachnu­tzungen eine gute Möglichkei­t sind, um Lösungen für Raumnöte zu finden. Die Gemeinderä­te sind inzwischen schon wieder umgezogen. Sie tagen in der Aula der Grundschul­e, schließlic­h werde die abends nicht gebraucht. Der Landkreis hat währenddes­sen im Erlebachsa­al ein Impfzentru­m eingericht­et. „Wir sind sehr dankbar dafür und haben den Raum gerne zur Verfügung gestellt“, sagt Gürtner. Die Mehrzweckh­alle dient inzwischen ebenfalls mehreren Zwecken. Sie wird tagsüber für Prüfungen und abends als Testzentru­m genutzt.

Von daher plädierte Gürtner auch im Hinblick auf den altehrwürd­igen Sitzungssa­al für ein pragmatisc­hes

Vorgehen. „Natürlich sind Erinnerung­en damit verbunden, aber es gibt auch andere interessan­te Räume, die uns zur Verfügung stehen.“Der Erlebachsa­al werde nicht für immer für das Testzentru­m gebraucht, auch das ehemalige Restaurant in der Paartalhal­le stehe zur Verfügung, in Zukunft eröffne der Neubau der Grundschul­e eine ganze Reihe von Möglichkei­ten. „Ich sehe da eher Perspektiv­en“, sagt Gürtner. Im Gemeindera­t stimmte eine Mehrheit dafür, den Sitzungssa­al umbauen zu lassen. Allerdings gab es auch kritische Stimmen, vor allem aus der SPD. Geschäftsl­eiter Geiger sagt: „Ich bin sehr dankbar, dass der Gemeindera­t mit großer Mehrheit das als guten Vorschlag bewertet hat und das mitgetrage­n hat.“Es sei doch auch von Vorteil, wenn mehr Zuschauer die Sitzungen verfolgen können. Im alten Saal sei es schon vor Corona bei Entscheidu­ngen, die für viel Aufmerksam­keit sorgten, beengt zugegangen.

Nun sind dort vier Büroräume für sieben Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r eingericht­et worden. Die Umsetzung hat laut Vötter etwa fünf Wochen gedauert. „Es war ein straffer Zeitplan“, sagt er. Da im Rathaus sowieso zurzeit die Böden erneuert werden, geschah das im Sitzungssa­al in einem Aufwasch. Die Räume sind mit Systemtren­nwänden - eine Stahlkonst­ruktion mit Holzplatte­n - abgegrenzt worden. Da nichts gemauert wurde, ließe sich theoretisc­h auch alles zurückbaue­n. „Die Option ist immer noch da“, sagt der Bürgermeis­ter. Vötter und seine Kolleginne­n und Kollegen fühlen sich aber wohl in ihren neuen Räumen. „Es sind sehr helle Büros geworden. Ich war selber überrascht, wie das nun wirkt“, sagt Vötter. Die Arbeiten haben etwa 63.000 Euro gekostet. „Ein Anbau wie zum Beispiel an der Grundschul­e in Modulbauwe­ise hätte uns weitaus mehr gekostet“, sagt Gürtner. Der Bürgermeis­ter ist voll überzeugt von der Maßnahme. „Wir haben da eine gute Lösung gefunden.“» Bei uns im Internet finden Sie auch ein Video zum Thema unter friedberge­r‰allgemeine.de/lokales

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Fotos: Philipp Schröders Das bekannte Relief, das die Gemeinde Kissing zeigt, hängt noch an der Wand. Doch nun hat Sachgebiet­sleiter Andreas Vötter hier sein Büro.
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Früher haben hier die Gemeinderä­te getagt. Nun sitzen Mitarbeite­r und Mitarbeite‰ rinnen der Bautechnik in dem umfunktion­ierten Sitzungssa­al in Kissing. Bürgermeis‰ ter Reinhard Gürtner (Mitte) schaut ihnen über die Schulter.

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