Der altehrwürdige Sitzungssaal ist jetzt ein Büro
Im Kissinger Sitzungssaal sind viele Jahre lang die Weichen für die Entwicklung der Gemeinde gestellt worden. Nun hat dort das Bauamt Büros. Wie es zu dieser Umstrukturierung gekommen ist
Kissing In diesem Saal sind wegweisende Entscheidungen für die Zukunft Kissings getroffen worden. Jahrzehntelang kamen die Gemeinderäte hier zusammen, berieten, diskutierten und stimmten ab. Vor dem Eingang fanden Demonstrationen statt, zuletzt gegen die Osttangente. Viele Kissinger, die ein Bauprojekt verwirklichen wollten, saßen hinten gespannt auf den Zuschauerplätzen im Saal. Doch das ist Vergangenheit. Der altehrwürdige Kissinger Sitzungssaal dient nun dem Alltagsgeschäft des Bauamts als Büroraum.
Unweit von der Stelle, wo früher der Bürgermeister flankiert von Verwaltungsmitarbeitern saß, steht inzwischen der Schreibtisch von Sachgebietsleiter Andreas Vötter. Er und andere Mitarbeiter der Bautechnik sind hier vor Kurzem eingezogen. Wer Vötters Büro betritt, sieht sofort das große Relief, das eine stilisierte Luftaufnahme Kissings zeigt. Früher waren alles im Saal auf diesen Punkt ausgerichtet, weil der Bürgermeister unmittelbar vor dem Bild saß.
Die Idee, ausgerechnet hier neuen Büroraum zu schaffen, sei einfach aus praktischen Überlegungen entstanden, sagt der Geschäftsleitende Beamte Hubert Geiger. „Wir sind personell voll im Rathaus. Es hat sich die Notwendigkeit gezeigt, dass wir zusätzliche Büroräume brauchen.“Der Stellenplan beinhalte sogar Posten, die noch gar nicht besetzt seien. Es müssen also auf lange Sicht weitere Mitarbeiter untergebracht werden. Geiger sagt: „Es gab viele Überlegungen bis hin zu einem großen Wurf, also einem Anbau oder einer Aufstockung, aber das wäre erst in ein paar Jahren der Fall gewesen.“Dann kam die CoronaPandemie hinzu. Weil es im Sitzungssaal zu eng war, um die Hygienebestimmungen einzuhalten, trafen sich die Gemeinderäte im Erlebachsaal in der Paartalhalle. Dort war viel mehr Platz vorhanden, auch für die Zuschauer. „Wir hatten auch den Eindruck, dass die Gemeinderäte sich dort wohlgefühlt haben“, sagt Geiger. Zudem habe sich gezeigt, dass die Sitzungen im Grunde überall dort stattfinden können, wo der entsprechende Raum zur Verfügung steht.
Bürgermeister Reinhard Gürtner erklärt, dass auch wirtschaftliche Gesichtspunkte gegen den Saal gesprochen hätten. „Wir haben einen Raum vorgehalten, der maximal dreimal im Monat für Sitzungen und hin und wieder für Besprechungen zum Einsatz kam. Er musste beheizt und erhalten werden. Von daher war es einfach die günstigste Variante, hier möglichst schnell Büroräume zu schaffen.“Wahrend der Pandemie habe sich gezeigt, dass Mehrfachnutzungen eine gute Möglichkeit sind, um Lösungen für Raumnöte zu finden. Die Gemeinderäte sind inzwischen schon wieder umgezogen. Sie tagen in der Aula der Grundschule, schließlich werde die abends nicht gebraucht. Der Landkreis hat währenddessen im Erlebachsaal ein Impfzentrum eingerichtet. „Wir sind sehr dankbar dafür und haben den Raum gerne zur Verfügung gestellt“, sagt Gürtner. Die Mehrzweckhalle dient inzwischen ebenfalls mehreren Zwecken. Sie wird tagsüber für Prüfungen und abends als Testzentrum genutzt.
Von daher plädierte Gürtner auch im Hinblick auf den altehrwürdigen Sitzungssaal für ein pragmatisches
Vorgehen. „Natürlich sind Erinnerungen damit verbunden, aber es gibt auch andere interessante Räume, die uns zur Verfügung stehen.“Der Erlebachsaal werde nicht für immer für das Testzentrum gebraucht, auch das ehemalige Restaurant in der Paartalhalle stehe zur Verfügung, in Zukunft eröffne der Neubau der Grundschule eine ganze Reihe von Möglichkeiten. „Ich sehe da eher Perspektiven“, sagt Gürtner. Im Gemeinderat stimmte eine Mehrheit dafür, den Sitzungssaal umbauen zu lassen. Allerdings gab es auch kritische Stimmen, vor allem aus der SPD. Geschäftsleiter Geiger sagt: „Ich bin sehr dankbar, dass der Gemeinderat mit großer Mehrheit das als guten Vorschlag bewertet hat und das mitgetragen hat.“Es sei doch auch von Vorteil, wenn mehr Zuschauer die Sitzungen verfolgen können. Im alten Saal sei es schon vor Corona bei Entscheidungen, die für viel Aufmerksamkeit sorgten, beengt zugegangen.
Nun sind dort vier Büroräume für sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingerichtet worden. Die Umsetzung hat laut Vötter etwa fünf Wochen gedauert. „Es war ein straffer Zeitplan“, sagt er. Da im Rathaus sowieso zurzeit die Böden erneuert werden, geschah das im Sitzungssaal in einem Aufwasch. Die Räume sind mit Systemtrennwänden - eine Stahlkonstruktion mit Holzplatten - abgegrenzt worden. Da nichts gemauert wurde, ließe sich theoretisch auch alles zurückbauen. „Die Option ist immer noch da“, sagt der Bürgermeister. Vötter und seine Kolleginnen und Kollegen fühlen sich aber wohl in ihren neuen Räumen. „Es sind sehr helle Büros geworden. Ich war selber überrascht, wie das nun wirkt“, sagt Vötter. Die Arbeiten haben etwa 63.000 Euro gekostet. „Ein Anbau wie zum Beispiel an der Grundschule in Modulbauweise hätte uns weitaus mehr gekostet“, sagt Gürtner. Der Bürgermeister ist voll überzeugt von der Maßnahme. „Wir haben da eine gute Lösung gefunden.“» Bei uns im Internet finden Sie auch ein Video zum Thema unter friedbergerallgemeine.de/lokales