Friedberger Allgemeine

Fulminante Ladies Night mit Ikonen der 80er

Ulla Meinecke und Anne Haigis hatten ihre große Zeit vor über 30 Jahren. Bei einem Konzert im Friedberge­r Schloss zeigen sie, was sie noch drauf haben

- VON MICHAEL FUCHS‰GAMBÖCK

Friedberg 80er-Jahre-Ikone. Singer/ Songwriter­in. Frau Mitte 60. Das sind die Koordinate­n, welche die Künstlerin­nen verbinden, die am Freitag im Hof des Wittelsbac­her Schlosses auf der Bühne stehen. Ansonsten könnten Anne Haigis und Ulla Meinecke musikalisc­h und vom Gebaren unterschie­dlicher nicht sein. Was gut ist, denn da die beiden Frauen Vollblut-Chanteusen und mit dermaßen vielen Emotionen ausgestatt­et sind, kann der Spannungsb­ogen über stolze drei Stunden mühelos gehalten werden.

Nicht eine Minute verliert das Geschehen an Kraft, selbst wenn Haigis alleine samt Gitarre auftritt, während Meinecke immerhin noch den Keyboarder Reinmar Henschke an ihrer Seite weiß. Es sind die Melodien, die Texte und vorrangig die Stimmen, welche diese fulminante Ladies Night tragen.

Anne Haigis sitzt angenehm raumfüllen­d auf einem Schemel vor einem 100-köpfigen Publikum, den SechsSaite­r vor sich. „Es ist sehr schön hier“, sagt sie zur Begrüßung und lacht vergnügt. Wo sie recht hat, hat sie recht. Der Schlosshof zeigt sich von seiner besten, beeindruck­enden Seite. Langer Applaus für diesen ersten Satz. Den soll es ab sofort nach jedem Lied geben.

Haigis feiert aktuell ihr 40. Bühnenjubi­läum. Sie begann ihre Karriere bei einer Brasil-Sound-orientiert­en Cover-Band in Stuttgart unter Leitung von Jazz-Pianist Wolfgang Dauner, eine Zeit lang ihr Lebenspart­ner. Zunächst sang sie auf Englisch. Doch ihre größten kommerziel­len Erfolge feierte sie mit deutschspr­achigen Liedern wie „Freundin“oder „Immer wieder du“. Inzwischen ist sie wieder zum Englischen zurückgeke­hrt, gerade eben ist ihre neue Scheibe namens „Carry On“in den Handel gekommen.

Doch egal in welcher Sprache die Frau mit dem wilden Wuschelhaa­r und den kessen knielangen Stiefeln intoniert, dieses mächtige Sangesorga­n reißt jegliche Grenzen ein. An das Urwüchsige einer Janis Joplin fühlt der Hörer sich erinnert, dann wieder an die eher spröde Klarheit einer Joan Baez. Hippie-Ikonen, außer Frage.

Man fühlt sich zurückvers­etzt in die wilden 60er genauso wie in die politisch aufgeladen­en Zeiten der 80er. Nicht umsonst hatte Haigis ihren größten Auftritt vor über 100.000 Zuschauern beim legendären „AntiWAAhns­inns“-Festival 1986, bei dem die Künstler und Künstlerin­nen sich gegen die atomare Wiederaufa­rbeitungsa­nlage in Wackersdor­f positionie­rten.

Die Schwäbin hat viele schwermüti­ge Lieder im Programm. Gerne werden tragische Liebesaffä­ren erzählt. Doch jede fröhliche Zwischenan­sage nimmt dem Geschehen das komplette Drama. Nach dem Motto: „Alles nicht so schlimm mit diesem Irrsinn namens Liebe“. Die Zuschauer jedenfalls sind gebannt von dieser Frau mit der phänomenal­en RockRöhre.

Den zweiten Teil des Abends gestaltet eine ziemlich große Lady im Seemannsko­stüm und mit Kapitänsmü­tze. Ulla Meinecke sagt laut, dass sie ihre Kappe seit März 2020 trägt, „und ich sie erst wieder abnehmen werde, wenn dieser Virus-Wahnsinn vorbei ist“. Jetzt legt sie los mit einer deutschen Version des Bruce-Hornsby-Klassikers „The Way It Is“. Begleitmus­iker Henschke haut kräftig in die Tasten. Danach ein Lied von Udo Lindenberg, das dieser ihr vor bald 40 Jahren auf den Leib geschriebe­n hat. Im Anschluss kommen in erster Linie selbst komponiert­e Stücke, gerne werden darin poetischzä­rtliche Geschichte­n erzählt.

Stimmlich ist das nicht so einfach zu kategorisi­eren. Die Wahl-Berlinerin changiert zwischen Alexandra und Inga Rumpf, zwischen Hildegard Knef und Edith Piaf.

Nach der Pause purzeln auf die

Zuhörer in erster Linie Versionen so unterschie­dlicher Künstler wie Rio Reiser (der am Freitag 25. Todestag hatte), Bruce Springstee­n oder Paul Simon ein. Und eine Variante des Tom-Waits-Klassikers „Grapefruit Moon“.

Eindrückli­cher und intensiver hätte es der Meister mit der Raspelstim­me auch nicht hinbekomme­n, in all der Weltverlor­enheit dieses Ausnahme-Songs.

Als Zugabe die „Tänzerin“, Meineckes kommerziel­l erfolgreic­hster Hit. Dann ist es 23 Uhr. Dann ist Schluss. Ein berauschte­s Publikum taumelt dem Ausgang entgegen.

 ?? Fotos: Tom Rider ?? Zwei Musik‰Ikonen unterhielt­en am Wochenende das Publikum im Wittelsbac­her Schloss in Friedberg: Ulla Meinecke (links) und Anne Haigis.
Fotos: Tom Rider Zwei Musik‰Ikonen unterhielt­en am Wochenende das Publikum im Wittelsbac­her Schloss in Friedberg: Ulla Meinecke (links) und Anne Haigis.
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