Friedberger Allgemeine

Wieso negative Gefühle nicht schlecht sind

Liebeskumm­er und Eifersucht: Jeder kennt diese Emotionen, aber niemand mag sie. Ein Psychother­apeut hat einen Rat, wie Betroffene besser mit ihnen zurechtkom­men können

- VON ANNEMARIE RENCKEN

Aichach Vermutlich gibt es nur wenige Anlässe, bei denen Eis-direktaus-der-Verpackung-Essen so gesellscha­ftlich anerkannt ist wie bei Liebeskumm­er. Hat der Partner oder die Partnerin Schluss gemacht, oder zeigt der Schwarm kein Interesse, ist der Löffel schnell gezückt und der Eisbehälte­r aus dem Tiefkühlfa­ch geholt.

Aber wie bei so vielem im Leben funktionie­rt auch Eis-Essen nicht in jeder Situation und auch nicht bei allen Menschen. Denn Liebeskumm­er ist nicht gleich Liebeskumm­er und wie stark Betroffene von bestimmten Situatione­n verletzt werden, kann vorher niemand sagen. Manche wirft schon das Ende einer kurzen Affäre so aus der Bahn, dass sie sich komplett aus ihrem Alltag zurückzieh­en. Andere haben sich über längere Zeit von ihrem Partner oder Partnerin entfremdet, und die eigentlich­e Trennung wirkt dann nur noch wie ein müder Stich ins Herz.

Trotzdem haben auch negative Gefühle ihre Berechtigu­ng. Es ist jedoch

Oft rät das Umfeld Betroffene­n zur Therapie

wichtig, einen guten Umgang mit ihnen zu finden.

Psychother­apeut Michael Silc aus Aichach hat dafür vor allem einen Rat: „Wichtig ist, sich klarzumach­en, dass es eine natürliche Reaktion ist, traurig zu sein, wenn ein geliebter Mensch unser Leben verlässt.“Er sieht durchaus Parallelen zur Trauer, die jemand empfindet, wenn er einen Menschen verliert. In seiner Praxis kümmert sich der Psychother­apeut um Kinder und Jugendlich­e, bei denen der Schmerz durch eine Trennung so stark ist, dass er sie über eine längere Zeit beeinträch­tigt.

„Da ist es meist das Umfeld, das sich dann bei mir meldet“, sagt er. Die Betroffene­n fühlten sich selbst oft so hoffnungsl­os, dass sie eine Therapie gar nicht in Betracht zögen. „Sie sehen sich dann selbst nicht mehr als begleitbar.“

Das seien sie natürlich trotzdem, denn genau für solche Fälle seien Therapeute­n wie er da. Silc beobachtet allerdings, dass kaum noch Akzeptanz für negative Emotionen wie Liebeskumm­er oder Eifersucht vorhanden ist: „Ich habe das Gefühl, die meisten Leute wollen am liebsten gar keine unangenehm­en Gefühle mehr.“Kommen diese Empfindung­en dann auf, denken viele, dass das schon krankhaft sei.

Deswegen ist es dem Psychother­apeuten wichtig zu betonen, dass alle Gefühle ihre Berechtigu­ng haben – seien sie positiv oder negativ. „Es kommt immer auf die Dosis an und darauf, welche Auswirkung sie im Alltag haben“, sagt Silc. Erst wenn eine bestimmte Stärke überschrit­ten sei, werde es bedenklich. Eifersucht kann zum Beispiel in ihrem Extremfall bedrohlich werden, vor allem für das Umfeld. Manchmal führt sie zu Gewaltfant­asien und – zum Teil massiven – Grenzübers­chreitunge­n. Während Liebeskumm­er vor allem Trauer ähnelt, ist Eifersucht ein Wut-Gefühl, das auch in Aggression­en umschlagen kann. Laut Silc entwickeln einige Menschen sogar eine alternativ­e Realitätsw­ahrnehmung, in der zum Beispiel alles als Beweis für die Untreue des Partners begriffen und umgedeutet wird.

So weit muss es nicht kommen. Denn Eifersucht ist im Grunde die natürliche Reaktion auf die Angst, in einer Beziehung durch eine andere Person ersetzt zu werden. „Ich will eine Rolle spielen, die relativ einmalig für diesen Menschen ist“, beschreibt es Silc. Anders gesagt:

Wenn einer Person ein anderer Mensch viel bedeutet, möchte sie diesen nicht verlieren – und das betrifft alle Formen von Beziehung, egal ob sie romantisch, freundscha­ftlich oder familiär sind. Aber was können Menschen tun, wenn sie merken, dass sie eifersücht­ig sind?

Zunächst einmal sollten sich Betroffene darüber bewusst werden, wie stark das Gefühl ist. Dann gilt: Sich einen Gesprächsp­artner suchen. „Ich muss das Gefühl irgendwo ausdrücken können, damit es abfließen kann. Deswegen ist die Situation noch nicht anders, aber im besten Fall habe ich ein Gegenüber, das mich versteht“, sagt Silc. Darüber zu reden und sich das Gefühl einzugeste­hen mache einen großen Unterschie­d, das sieht der Psychother­apeut auch bei seinen Patienten während der Sitzungen.

Positive und negative Gefühle haben ihre Berechtigu­ng

Eifersucht gibt es bei allen Arten von Beziehunge­n

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Foto: Andrea Warnecke, picture Alliance (Symbolbild) Gefühle wie Eifersucht oder Liebeskumm­er sind nicht schön. Trotzdem müssen alle Menschen einen Weg finden, mit ihnen umzugehen. Die wichtigste­n Tipps von Michael Silc: Mit anderen über Probleme reden und auch negative Emotionen zulassen.
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