Zeugen bringen keine Klarheit
Der Vater des Mannes, der eine 15-Jährige in einem Seniorenhaus vergewaltigt haben soll, versucht diesen zu entlasten
AichachFriedberg Hat ein 32-jähriger Angestellter einer Pflegeeinrichtung im Landkreis-Süden eine zur Tatzeit 15-jährige Praktikantin mehrfach sexuell missbraucht, wie es die Anklage sieht, oder täuscht die Geschädigte Derartiges ganz oder teilweise vor, wie die Verteidigung mutmaßt? Auf diese Frage läuft es in einem Verfahren vor der Jugendschutzkammer des Aichacher Amtsgerichts hinaus, wo sich der 32-Jährige wegen Vergewaltigung verantworten muss.
Am zweiten Verhandlungstag berichtete eine Zeugin aus der Einrichtung, was ihr in der Sache zu Ohren gekommen war und weswegen sie Anzeige erstattet hatte. Gleichzeitig versuchte der Vater des Angeklagten, ebenfalls in dem Heim beschäftigt, seinem Sohn Alibis zu verschaffen für die genannten Zeiten der Übergriffe. Eine zur Tatzeit 15-Jährige machte im Rahmen des Unterrichts ein Schulpraktikum in dem Seniorenhaus. Kurze Zeit später trifft die Jugendliche einen Mitarbeiter der Einrichtung, den nun angeklagten ehemaligen Stationsleiter, wieder. Der 32-Jährige nimmt die Schülerin in das Seniorenhaus mit, um sich ihr dort sexuell zu nähern, sagt die Anklage Bezug nehmend auf die Geschädigte. Einmal, zweimal, dreimal an verschiedenen Tagen im Sommer 2019, an denen die Jugendliche jeweils Erledigungen im Zusammenhang mit einem angestrebten Arbeitsplatz hatte regeln wollen. Obwohl sie sich gegen die Zudringlichkeiten zu wehren versucht habe, erzählte die Jugendliche nur einer Freundin von den Vorfällen. Erst nach einiger Zeit bekommen Bekannte des Angeklagten Kunde von den angeblichen Vorfällen und erstatten Anzeige bei der Polizei.
Die Ermittlungen führen zum Vorwurf der Vergewaltigung und zu einem Verfahren vor der Jugendschutzkammer des Aichacher Amtsgerichts unter Vorsitz von Richterin Eva-Maria Grosse. Der Vater des Angeklagten stellte klar, dass die Angaben der Geschädigten nicht stimmen könnten. Am ersten, von der 15-Jährigen benannten Termin, sei er selbst, da er beruflich auswärts war, von seinem Sohn vertreten worden, der an seiner Statt ständig im Büro zu erreichen gewesen sei. Angebliche Übergriffe in einem Lagerraum habe es nicht geben können. Ein anderer Termin sei deswegen nicht glaubwürdig, weil zur genannten Uhrzeit die Übergabe von der einen auf die andere Mitarbeiterschicht stattfinde, sein Sohn also dort beschäftigt gewesen sei.
Zunächst hatte eine 45-jährige Angestellte der Einrichtung darüber berichtet, was sie über die Vorkommnisse mit der Geschädigten mitbekommen hatte. Bei einem Treffen in der Wohnung der 45-Jährigen sei unerwartet die 15-Jährige als Begleiterin einer anderen Freundin bei ihr aufgetaucht. Und das Mädchen habe sich vor den Frauen „ausgekotzt“, ihnen erzählt, was ihr mit dem Angeklagten widerfahren sei. Die damals 15-Jährige habe die Ereignisse quasi wie in einem Tagebuch aufgeschrieben gehabt. Nachdem die Geschädigte Formulierungen verwendet hatte, wie sie der Angeklagte selbst zu benutzen pflegte, habe das, was die Jugendliche erzählt hatte, glaubwürdig geklungen.
Sie, die 45-Jährige, habe sich deswegen nach einiger Zeit an die Polizei gewandt, weil sie es nicht mehr mit diesem Wissen ausgehalten habe. Ihr sei bekannt gewesen, dass die Geschädigte selbst keine Anzeige habe erstatten wollen. Eine leitende Angestellte des Heims meinte im Zeugenstand, sich zu erinnern, just an einem der Tage, wo die Geschädigte einen Übergriff gegen 12.35 Uhr durch den Angeklagten beschrieben hatte, mit dem 32-Jährigen die Mittagspause verbracht zu haben. Eine wichtige Rolle in der Beweisaufnahme könnte eine WhatsApp-Kommunikation zwischen der Geschädigten und einer gleichaltrigen Freundin spielen. Dort hatte die Geschädigte nach dem ersten Übergriff Andeutungen gemacht, die bei der Freundin den Verdacht auf eine Vergewaltigung hatte aufkommen lassen.
Richterin Grosse verlas den ChatVerlauf im Gerichtssaal. Während die eine Jugendliche immer weiter fragte, wand sich die Geschädigte wieder und wieder, ohne Konkretes zu sagen. Der Freundin war klar, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, denn „so geweint hat sie noch nie“, sagte sie im Zeugenstand. Die Verteidiger des Angeklagten, Moritz Wahlster-Bode und Florian Engert, hatten dazu aufgezeigt, dass ChatVerläufe wie der Vorliegende gefälscht werden könnten. Die Geschädigte (Nebenklägervertreterin Marion Zech) erklärte vor Gericht bezüglich des Chats, dass sie zwar mit jemandem über den Vorfall habe sprechen wollen, dass sie aber keine Namen habe nennen wollen. Sie habe den Angeklagten nicht in eine schwierige Situation bringen wollen, wie jene, in der er sich jetzt befinde. Das Verfahren wird Ende September fortgesetzt, dann sollen weitere Zeuginnen vernommen werden.