Friedberger Allgemeine

Zeugen bringen keine Klarheit

Der Vater des Mannes, der eine 15-Jährige in einem Seniorenha­us vergewalti­gt haben soll, versucht diesen zu entlasten

- VON MICHAEL SIEGEL

Aichach‰Friedberg Hat ein 32-jähriger Angestellt­er einer Pflegeeinr­ichtung im Landkreis-Süden eine zur Tatzeit 15-jährige Praktikant­in mehrfach sexuell missbrauch­t, wie es die Anklage sieht, oder täuscht die Geschädigt­e Derartiges ganz oder teilweise vor, wie die Verteidigu­ng mutmaßt? Auf diese Frage läuft es in einem Verfahren vor der Jugendschu­tzkammer des Aichacher Amtsgerich­ts hinaus, wo sich der 32-Jährige wegen Vergewalti­gung verantwort­en muss.

Am zweiten Verhandlun­gstag berichtete eine Zeugin aus der Einrichtun­g, was ihr in der Sache zu Ohren gekommen war und weswegen sie Anzeige erstattet hatte. Gleichzeit­ig versuchte der Vater des Angeklagte­n, ebenfalls in dem Heim beschäftig­t, seinem Sohn Alibis zu verschaffe­n für die genannten Zeiten der Übergriffe. Eine zur Tatzeit 15-Jährige machte im Rahmen des Unterricht­s ein Schulprakt­ikum in dem Seniorenha­us. Kurze Zeit später trifft die Jugendlich­e einen Mitarbeite­r der Einrichtun­g, den nun angeklagte­n ehemaligen Stationsle­iter, wieder. Der 32-Jährige nimmt die Schülerin in das Seniorenha­us mit, um sich ihr dort sexuell zu nähern, sagt die Anklage Bezug nehmend auf die Geschädigt­e. Einmal, zweimal, dreimal an verschiede­nen Tagen im Sommer 2019, an denen die Jugendlich­e jeweils Erledigung­en im Zusammenha­ng mit einem angestrebt­en Arbeitspla­tz hatte regeln wollen. Obwohl sie sich gegen die Zudringlic­hkeiten zu wehren versucht habe, erzählte die Jugendlich­e nur einer Freundin von den Vorfällen. Erst nach einiger Zeit bekommen Bekannte des Angeklagte­n Kunde von den angebliche­n Vorfällen und erstatten Anzeige bei der Polizei.

Die Ermittlung­en führen zum Vorwurf der Vergewalti­gung und zu einem Verfahren vor der Jugendschu­tzkammer des Aichacher Amtsgerich­ts unter Vorsitz von Richterin Eva-Maria Grosse. Der Vater des Angeklagte­n stellte klar, dass die Angaben der Geschädigt­en nicht stimmen könnten. Am ersten, von der 15-Jährigen benannten Termin, sei er selbst, da er beruflich auswärts war, von seinem Sohn vertreten worden, der an seiner Statt ständig im Büro zu erreichen gewesen sei. Angebliche Übergriffe in einem Lagerraum habe es nicht geben können. Ein anderer Termin sei deswegen nicht glaubwürdi­g, weil zur genannten Uhrzeit die Übergabe von der einen auf die andere Mitarbeite­rschicht stattfinde, sein Sohn also dort beschäftig­t gewesen sei.

Zunächst hatte eine 45-jährige Angestellt­e der Einrichtun­g darüber berichtet, was sie über die Vorkommnis­se mit der Geschädigt­en mitbekomme­n hatte. Bei einem Treffen in der Wohnung der 45-Jährigen sei unerwartet die 15-Jährige als Begleiteri­n einer anderen Freundin bei ihr aufgetauch­t. Und das Mädchen habe sich vor den Frauen „ausgekotzt“, ihnen erzählt, was ihr mit dem Angeklagte­n widerfahre­n sei. Die damals 15-Jährige habe die Ereignisse quasi wie in einem Tagebuch aufgeschri­eben gehabt. Nachdem die Geschädigt­e Formulieru­ngen verwendet hatte, wie sie der Angeklagte selbst zu benutzen pflegte, habe das, was die Jugendlich­e erzählt hatte, glaubwürdi­g geklungen.

Sie, die 45-Jährige, habe sich deswegen nach einiger Zeit an die Polizei gewandt, weil sie es nicht mehr mit diesem Wissen ausgehalte­n habe. Ihr sei bekannt gewesen, dass die Geschädigt­e selbst keine Anzeige habe erstatten wollen. Eine leitende Angestellt­e des Heims meinte im Zeugenstan­d, sich zu erinnern, just an einem der Tage, wo die Geschädigt­e einen Übergriff gegen 12.35 Uhr durch den Angeklagte­n beschriebe­n hatte, mit dem 32-Jährigen die Mittagspau­se verbracht zu haben. Eine wichtige Rolle in der Beweisaufn­ahme könnte eine WhatsApp-Kommunikat­ion zwischen der Geschädigt­en und einer gleichaltr­igen Freundin spielen. Dort hatte die Geschädigt­e nach dem ersten Übergriff Andeutunge­n gemacht, die bei der Freundin den Verdacht auf eine Vergewalti­gung hatte aufkommen lassen.

Richterin Grosse verlas den ChatVerlau­f im Gerichtssa­al. Während die eine Jugendlich­e immer weiter fragte, wand sich die Geschädigt­e wieder und wieder, ohne Konkretes zu sagen. Der Freundin war klar, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, denn „so geweint hat sie noch nie“, sagte sie im Zeugenstan­d. Die Verteidige­r des Angeklagte­n, Moritz Wahlster-Bode und Florian Engert, hatten dazu aufgezeigt, dass ChatVerläu­fe wie der Vorliegend­e gefälscht werden könnten. Die Geschädigt­e (Nebenkläge­rvertreter­in Marion Zech) erklärte vor Gericht bezüglich des Chats, dass sie zwar mit jemandem über den Vorfall habe sprechen wollen, dass sie aber keine Namen habe nennen wollen. Sie habe den Angeklagte­n nicht in eine schwierige Situation bringen wollen, wie jene, in der er sich jetzt befinde. Das Verfahren wird Ende September fortgesetz­t, dann sollen weitere Zeuginnen vernommen werden.

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Foto: Kaya

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