Der Präsident und seine Spione
In Tschechien sorgt Geheimdienst-Affäre für Schlagzeilen
Prag Es liest sich wie ein Spionageroman: Tschechiens Präsident Milos Zeman beschuldigt seinen eigenen Geheimdienst, Menschen aus seinem „unmittelbaren Umfeld“abzuhören. Also auch ihn selbst. „Wenn ich mich mit diesen Mitarbeitern am Telefon unterhalte, werde auch ich abgehört“, sagte der 76-Jährige in einem Interview. Der Präsident eines Nato- und EU-Mitgliedstaats wird von seinen eigenen Spionen bespitzelt? Die Vorwürfe bringen Unruhe ins politische Prag, wo ebenfalls gerade Wahlkampf herrscht.
Zeman berichtet, er habe bei Ministerpräsident Andrej Babis persönlich interveniert, um die Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst BIS zu stoppen. „Doch aus dem Innersten des BIS habe ich erfahren, dass die Abhörmaßnahmen andauern.“Das investigative Nachrichtenportal neovlivni.cz berichtete, dass sich die Lauschaktion gegen Zemans Wirtschaftsberater Martin Nejedly und dessen Kontakte richte. „Sicherheitsinteressen des Staates“seien berührt. Nejedly war früher Mitarbeiter des russischen Mineralkonzerns Lukoil und es ist kein Geheimnis, dass er weiter Beziehungen nach Russland pflegt. Das Magazin Respekt berichtete über „geheime Reisen“des Präsidentenberaters nach Moskau für Gespräche mit den Spitzen des staatlichen Atomkonzerns Rosatom und einem hochrangigen Kremlberater. Wird Zeman also belauscht, weil der Geheimdienst den Russen nicht traut?
Die Beziehungen zwischen Prag und Moskau hatten sich zuletzt verschlechtert. Tschechien machte russische Agenten für Explosionen in einem Munitionslager verantwortlich, bei denen zwei Menschen getötet wurden. Der Kreml wies das als unwahr zurück. Beide Regierungen wiesen gegenseitig Diplomaten aus. Und Moskau setzte Tschechien auf seine Liste unfreundlicher Staaten – als einziges Land neben den USA. „Wir haben kein Interesse daran, die Krise weiter zu vertiefen“, versicherte Tschechiens Regierungschef Babis nun. Doch für einen Dialog brauche es immer zwei.
Die Parlamentskommission für die Kontrolle der Nachrichtendienste unterbricht nun ihre Ferien, um sich mit der Abhöraffäre zu beschäftigen. Ein BIS-Sprecher sagte, man werde die Behauptungen des Präsidenten nicht kommentieren, stellte aber klar: „Der BIS hält sich an die geltenden Gesetze, die für alle Bürger gleich verbindlich sind.“Zeman steht mit dem Geheimdienst auf Kriegsfuß: Er weigert sich, BISChef Michal Koudelka in den Rang eines Generals zu erheben.
Für Aufsehen sorgte Zeman zudem mit einer Aussage, er habe kein Handy. „Es wäre nicht verwunderlich, wenn er noch mit einer Petroleumlampe leuchten und Nachrichten per Brieftaube bekommen würde“, mokierte sich die Zeitung Pravo. Und Experten für Cybersicherheit zeigten sich entsetzt, dass das Staatsoberhaupt kein abhörsicheres Handy nutzt.