Wie die Grünen in Österreich unter der ÖVP leiden
Die Öko-Partei ist in Wien Teil der Regierungskoalition. Dafür muss sie so manche Kröte schlucken. Manchmal driftet die Zwangsehe ins Groteske ab
Es ist eine eher blasse Handschrift, die Österreichs Grüne in der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz aufweisen, und nicht selten wirkt die Öko-Partei unter dem dominanten Kanzler fast wie ein Fremdkörper, oft auch, als wäre sie Oppositions- und Regierungspartei in einem. Regelmäßig kommt es zum offenen Schlagabtausch zwischen den Regierungsparteien, Bereiche zu finden, in denen Schwarz und Grün eine gemeinsame Linie verfolgen, gleicht eher einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
In wesentlichen Fragen, die zur grünen
DNA zählen, lässt die Kanzlerpartei ÖVP dem kleinen Koalitionspartner, mit dem sie seit Januar 2020 regiert, nicht einen Millimeter Spielraum. Aktuelles Beispiel: Flüchtlinge aus Afghanistan. Auf das strikte Nein von Kurz und seinen Ministern, die statt der Aufnahme von besonders bedrohten Personen lieber über Abschiebungen reden, gab es zuerst nur donnerndes Schweigen der Grünen, später verwies man auf eine EU-Initiative.
Am Mittwoch rückte schließlich der grüne Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch im ORF-Radio aus und bezeichnete das ÖVPNein zur Flüchtlingsaufnahme als „Schande“. Er verstehe zwar, dass die ÖVP im Wahlkampf – am 26. September wird in Oberösterreich gewählt – „Geräusche“machen müsse, die Position der Kurz-Partei sei aber „jenseitig“. Prompt sprachen ÖVP-Parlamentarier vom „koalitionsfreien Raum“, der tatsächlich im Koalitionsabkommen vereinbart worden war. Er sieht in Migrationsfragen vor, dass eine der beiden Regierungsparteien im Alleingang im Parlament einen Gesetzesantrag einbringen kann, wenn zuvor koalitionsintern keine Einigung erzielt werden konnte. Eine in Österreich bisher einmalige Regelung in einer Koalitionsvereinbarung, die geradezu einem BlankoScheck für die Partei von Kanzler Kurz gleichkommt.
Wie sehr es innerhalb der österreichischen Grünen brodelt, zeigte auch die offizielle Unterstützung
der Wiener Grünen für eine Demonstration mit dem Motto „Innenminister Nehammer absetzen“am vergangenen Dienstag. Die Wiener Grünen gelten als linker Flügel, sind mitgliederstark und verfügen intern über entsprechendes Gewicht. Die Ex-Chefin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, trat wegen dem grünen Unvermögen beim Thema Afghanistan gar aus der Partei aus.
Ihm fehle in der ÖVP die „Menschlichkeit“, sagt zu all dem der grüne Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler. Die Haltung der KurzPartei schade Österreichs Ansehen im Ausland. Konsequenzen will Kogler allerdings keine ziehen – die Argumentationsbasis ist dabei immer dieselbe: Man „halte dagegen“, man habe eben keine Alleinregierung und ohne Grüne sei das Land ohnehin schlimmer dran.
Ohne Grüne, argumentierte die Parteispitze in der Vergangenheit, als im Falle der katastrophalen Zustände im griechischen Lager Moria die Kurz-Truppe sich ebenfalls strikt gegen Aufnahme von Minderjährigen stellte, würde die ÖVP wieder mit der extrem rechten FPÖ koalieren. Als bei dieser der Scharfmacher Herbert Kickl den Chefsessel übernahm und somit eine ÖVP-FPÖ-Neuauflage praktisch unmöglich wurde, argumentierte Kogler mit den Angriffen der von Korruptionsermittlungen geplagten Kurz-Partei auf die Justiz. Nur das grün geführte Justizministerium sei ein Garant dafür, dass die Kurz-Attacken fruchtlos bleiben würden.
Bleibt das grüne Kernthema Klimaschutz: Hier kann die Partei neben deutlich mehr Mitteln im Budget zumindest ein österreichweites Klima-Ticket vorweisen – auch wenn dieses im Osten Österreichs (noch) nicht gilt.
Noch kann die grüne Regierungsmannschaft die immer stärker werdenden internen Spannungen kontrollieren. Ob das „Ohne uns wäre es schlimmer“-Mantra die Partei auf Dauer zusammen und in der Koalition halten wird, bleibt fraglich.