Söders neuer Kurs
Der bayerische Ministerpräsident kündigt das Ende der FFP2-Maskenpflicht im Freistaat an. Warum das bei Experten auf ein geteiltes Echo stößt
München Ende Juli noch hatte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek einer Abkehr von der FFP2-Maskenpflicht eine Absage erteilt. Doch das hatte nicht lange Bestand. Am Donnerstag kündigte sein Chef, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), bei einer Pressekonferenz ein Ende dieser Regelung an, künftig reicht eine medizinische Maske. Während etwa der schwäbische Hausärztinnenund Hausärztesprecher Dr. Jakob Berger diese Entscheidung ausdrücklich begrüßt und für richtig hält, sieht der Fachmann für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München, Professor Christian Kähler, das Ganze hingegen äußerst kritisch.
Söder versprach für nächste Woche eine komplette Überarbeitung der Corona-Regeln in Bayern. So sollen etwa die Inzidenzen als Schwellenwert für Corona-Auflagen abgeschafft werden: „Wir werden eine einfachere und verständlichere Verordnung auf den Weg bringen“, sagte er. Grundlage bleibe das 3G-Prinzip mit mehr Freiheiten für Geimpfte, Genesene und Getestete. Künftige Warnstufen sollen sich mithilfe einer „Ampel“an der Krankenhaus-Auslastung orientieren. Je nach der Belegung der Betten und Intensivbetten soll es gelbe und rote Schwellenwerte geben, bei denen dann wieder strengere Corona-Auflagen gelten. Söder nannte hier als Beispiel eine Rückkehr zur FFP2-Maske oder Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte.
Die Lockerung trotz steigender Zahlen der Corona-Neuinfektionen werde laut Söder durch die inzwischen recht hohe Impfquote und die Möglichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger, sich impfen zu lassen, möglich. „Wir brauchen dafür eine angemessene, verhältnismäßige Strategie“, sagte er. Denn die Gesundheitsgefährdung der Geimpften sei deutlich reduziert, vor allem was die Lebensgefahr betreffe. Deshalb werde es in Bayern auch keinen Lockdown mehr geben. Und selbst bei hohen Infektionszahlen könne es aus diesem Grund für Geimpfte keine größeren Einschränkungen mehr geben, versprach der CSU-Chef.
Ziel seien neue Corona-Regeln „mit einfachen Prinzipien, die jeder versteht“. So bleibe es etwa bei einer Maskenpflicht in Innenräumen, die nur dann entfällt, wenn ein dauerhafter Abstand von 1,5 Metern sichergestellt werden kann. Clubs und Diskotheken könnten in Bayern ab Oktober wieder öffnen, kündigte Söder an – allerdings nur mit PCRTest für alle. Der Start-Termin sei bewusst gewählt, um zunächst den Schulbeginn abzuwarten.
In den Schulen werde es „auf jeden Fall“Präsenzunterricht geben: „Noch ein Schuljahr wie das letzte darf es nicht geben.“Die Maskenpflicht im Klassenzimmer bleibe, die Quarantäne-Regel werde aber gelockert: „Gibt es einen Fall, wird die Klasse jeden Tag getestet“, kündigte Söder an. Automatische Quarantäne für ganze Klassen soll es nicht mehr geben.
Zur Erhöhung der Impfbereitschaft kündigte Söder zudem eine neue Kampagne seiner Regierung auch in sozialen Medien an. Es gehe darum, Bedenken gezielt anzusprechen und möglichst auszuräumen. „Ich glaube an 80 bis 85 Prozent Impfwillige in Bayern“, sagte er. Derzeit sind gut 58 Prozent der Bayern vollständig geimpft. Eine Impfpflicht werde es auch in Zukunft nicht geben. Wer sich nicht impfen lasse, trage aber auch die Verantwortung für die damit verbundenen Konsequenzen, warnte Söder. Dies betreffe etwa die künftigen Kosten für Corona-Tests wie auch mögliche Einschränkungen für Ungeimpfte bei drohender Überlastung der Kliniken. Am kommenden Dienstag tagt das bayerische Kabinett. Söder betonte, dass nun die Details erarbeitet und im Kabinett beschlossen würden. Auch der bayerische Landtag werde die neue Regelung zeitnah debattieren.
Die Abschaffung der FFP2-Maskenpflicht hält Hausarzt Dr. Jakob Berger für vertretbar. „Alte und Hochrisikopatienten, die sich impfen lassen haben wollen, sind ja inzwischen geimpft – und somit vor schweren Verläufen geschützt“, sagt er. Junge Menschen hingegen erkrankten ohnehin selten schwer. „Insofern bin ich dafür.“Zumal er sehr genau wisse, wie es ist, jeden Tag mit einer FFP2-Maske zu arbeiten. „Ich trage sie zehn Stunden am Tag, da fällt das Atmen schwer und bei Hitze schwitzt man teils erheblich.“
Professor Christian Kähler von der Universität der Bundeswehr in München hält Söders Ankündigung hingegen für den völlig falschen Weg. „Wir haben genau zu diesem Thema wissenschaftlich publiziert, in diese Richtung geforscht“, betont er. Die einfachen Masken böten wenig Schutz, wenn überhaupt, dann anderen Menschen und nicht dem Träger selbst. Die FFP2-Masken seien nachweislich wesentlich effizienter. Und es sei eine Fehleinschätzung, dass die meisten Menschen diese Masken falsch aufsetzten. „Ich bin mir sicher, dass 80 Prozent in der Lage sind, sie richtig zu verwenden.“Gerade vor dem Hintergrund der Ausbreitung der Delta-Variante müsse man weiter achtsam sein. Diese Einschätzung gilt Kähler zufolge aber nur für den Innenbereich. „Außen braucht man eigentlich überhaupt keine Maske, außer wenn man sehr dicht länger zusammen steht.“Da reiche dann aber eine OP-Maske.