Der Festabend wird verschoben
Die Kolpingkapelle will ihr Jubiläum feiern. Doch die Planung ist unsicher
Mering Im Juni 2019 konnte die Kolpingsfamilie ihr hundertjähriges Bestehen noch ohne Beeinträchtigungen durch das Virus feiern. Die Planungen zum diesjährigen hundertsten Geburtstag ihrer „Tochter“, der Kolpingkapelle, wurden von Corona jedoch ordentlich durcheinandergewirbelt. Die Festschrift zum Jubiläum ist druckfertig, die Musiker stehen in den Startlöchern, doch die gesamte Terminplanung ist hinfällig.
Vorgesehen war ein großer Festabend bereits im Januar, die zweitägige Operngala im Juli und ein Street Festival im Oktober. Das beliebte Opernereignis, das schon im Vorjahr nicht stattfinden konnte, musste auch heuer wieder entfallen, und der zunächst auf Oktober verschobene Festabend rückt noch weiter nach hinten und soll nun erst Anfang kommenden Jahres veranstaltet werden. „Vor dem Hintergrund der 1000-Jahr-Feier der Marktgemeinde hatten wir versucht, die Festivitäten zu entzerren“, erklärt KlausDieter Ruf die geplante Festorganisation.
Als Merings Kulturbeauftragter und Vorsitzender der Kolpingsfamilie und Kolpingkapelle in Personalunion ist er federführend mit der Organisation des Jubiläums betraut. Der Festakt in der Mehrzweckhalle steht und fällt jedoch mit der Möglichkeit der Maximalbestuhlung für 248 Leute, also einer Feier ohne Abstandsregelungen. „Darunter macht es für uns keinen Sinn“, erklärt Ruf. Denn die Zahl der Freunde, Gönner und somit Ehrengäste ist groß. Ist die Kolpingkapelle doch ein wichtiges Aushängeschild für Mering und genießt durch ihr hohes musikalisches Niveau längst auch über den Landkreis hinaus den Ruf eines renommierten Blasorchesters mit einer beeindruckenden Bandbreite des Repertoires. In der Marktgemeinde
sind die Musiker rund ums Jahr mit ihren Klängen präsent. Ob beim Neujahrsanblasen, dem Faschingsumzug, dem Auftakt zum Volksfest oder den beliebten Konzerten. Dabei bekennt sich die Kolpingkapelle auch stets zu ihren Wurzeln. Dies wird sowohl durch das Kolping-Orange der Musikerkleidung als auch durch das vielfältige Engagement im sozialen, aber vor allem auch im kirchlichen Bereich deutlich. Eine Erstkommunion ohne die Begleitung durch die Kolpingkapelle zur Kirche ist schwer vorstellbar und gehört zu Merings Jahreslauf wie die Begrüßung der Andechspilger an Christi Himmelfahrt.
Das Wirken des Vereins hat positive Spuren hinterlassen. Durch den Ausbau des Ausbildungskonzepts werden stetig neue Kinder für die Blasmusik begeistert. Nach acht Monaten musikalischem Lockdown konnte die Kapelle im Juli immerhin ein kleines Comeback mit Blasmusik im Lippgarten begehen. Als Nächstes folgt nun ein Auftritt im Rahmen des Meringer Kultursommers, der am Sonntag, 5. September, von 10.30 bis 14 Uhr unter dem Titel „Blasmusik und Polka“am Meringer Badanger stattfindet.
Zudem hoffen die Musiker, dass am 20. und 21. November wie gewohnt die beiden Herbstkonzerte stattfinden können. Danach steigt die Spannung, ob das Pandemiegeschehen den für Samstag, 22. Januar geplanten Festakt erlaubt. „Recht weit nach hinten können wir im kommenden Jahr nicht ausweichen, denn für April/Mai sind die Feierlichkeiten zur Meringer 1000-JahrFeier geplant und im Juli sind auch die Friedberger mit ihrem Stadtfest wieder an der Reihe. Und da auch einige Musiker aus Friedberg in der Meringer Kolpingkapelle mitspielen, will man sich terminlich nicht in die Quere kommen“, erklärt Vorsitzender Ruf die zeitliche Einschränkung.
Mering Ereignisreiche Jahrzehnte in der Entwicklung der Kolpingkapelle haben die Mitglieder in viel Fleißarbeit für die Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum festgehalten. Aus einer kleinen Bläsergruppe, die sich im Sinne Adolph Kolpings zusammenfand, entstand in Mering im Laufe eines Jahrhunderts ein nicht mehr wegzudenkendes renommiertes Kulturgut. Und das, obwohl es in den 1970er-Jahren sogar zu einer vorübergehenden Auflösung der Kapelle kam.
Die Geschichte der Kolpingkapelle beginnt bereits im November 1919, als sich parallel zur Gründung des Katholischen Gesellenvereins, der späteren Kolpingsfamilie, eine Gruppe von Jugendlichen zum Katholischen Jugendverein zusammenschloss. Diese erhielten Musikunterricht vom Multi-Instrumentalisten Alois Fauser. Mit finanzieller Unterstützung der Familie Boutteville gelang es dem Meringer Kaplan und Präses des Gesellenvereins Franz-Seraph Egger, dass im Januar 1921 aus dem Jugendverein die Katholische Gesellenvereinsmusik mit Fauser als musikalischem Leiter entstand.
In der Zeit des Nationalsozialismus wird dem Verein Jahr für Jahr schleichend ein wenig mehr seine entzogen. 1939 erfolgt die Löschung aus dem Vereinsregister. Aber nur wenige Tage nach Kriegsende 1945 ergreift erneut Fauser die Initiative, um die Kapelle wiederzubeleben. In der schweren Nachkriegszeit mangelt es jedoch an Mitgliedern und Engagements. Im August 1947 werden Gesellenverein und Jugendverein als Mutter „Kolpingsfamilie“und Tochter „Kolpingkapelle“neu gegründet.
1948 übergibt Fauser im Alter von 76 Jahren den Taktstock an den Musiker und Dirigenten Paul Hartmann. Ins Wanken gerät die Kapelle, als im November 1961 nur wenige Tage vor dem 40-jährigen Bestehen der Gründer und Ehrendirigent Alois Fauser stirbt. Ein tiefes Loch in die Kapelle reißt auch der Tod von Gründersohn Alois Fauser Junior, der 1977 jung sein Leben lässt, sowie zwei Jahre später der Tod des bis heute dienstältesten Dirigenten Paul Hartmann.
Die fehlende Perspektive einer musikalischen Fortsetzung führt noch im selben Jahr zur vorübergehenden Auflösung der Kolpingkapelle. Dem damaligen KolpingVorstand Clemens Oswald war es zu verdanken, dass die Kolpingkapelle in den 1980er-Jahren wieder einen Neuanfang wagte. Gemeinsam mit Josef Rackl gelingt es ihm, die bisherigen Jungmusiker in einer elfköpfigen Bläsergruppe unter der Leitung von Neudirigent Leo Nertinger zusammenzuhalten.
Eine Zeit neuer musikalischer Ideen beginnt 1983 mit dem musikalischen Geistlichen Kaplan Michael Weihmayer. Zunächst gründet dieser das St.-Michaels-Ensemble und später die Big Band. Parallel dazu führt Karl Wiedersatz ab 1984 den traditionellen Teil fort und schafft mit dem Eintritt in den Allgäu-Schwäbischen Musikbund einen nachhaltigen Entwicklungsschritt. 1985 nehmen zwei Musiker aus eigenen Reihen an einem Dirigentenkurs teil, welcher zur Leitung von Blaskapellen und zur Ausbildung von Jungbläsern befähigt.
Einer von ihnen, Alexander Paul, übernimmt im Juli 1981 die musikalische Leitung. Die ausdauernde Probenarbeit und die Steigerung des musikalischen Niveaus tragen Früchte. Die Kolpingkapelle ist fortan im ganzen Landkreis bekannt. Mit dem Herbstkonzert 1987 führt Paul eine Tradition ein, die sich bis heute hält. Große Projekte, geleitet von einer neuen Vorstandschaft mit Wolfgang Reiner an der Spitze, nimmt sich der Verein in den 1990er-Jahren vor.
Beim Bezirksmusikfest anlässlich des 70-jährigen Bestehens wird zusammen mit Musikkapellen aus der Region ein ganzes Wochenende geGrundlage feiert. Viel Aufmerksamkeit wird nun der Rekrutierung des Musikernachwuchses und der Ausweitung des Ausbildungskonzepts gewidmet. Intensiver Einzelunterricht durch gut ausgebildete Musiker bereitet auf das Spiel im Orchester vor. Es entsteht ein Nachwuchsorchester, bald darauf auch ein Jugendorchester.
Ein weiteres Bezirksmusikfest wird zum 75-jährigen Bestehen im Jahr 1996 ausgerichtet und seitdem tritt die Kapelle bei Wertungsspielen in der Höchststufe an. Das Ausbildungskonzept nimmt immer detailliertere Formen an. Bereits für die Kleinsten ab anderthalb Jahren gibt es mit dem Musikgarten ein musikalisches Angebot, das sich mit der musikalischen Früherziehung, der musikalischen Grundausbildung, dem Instrumentalunterricht und der Laufbahn durch die drei Orchester fortsetzt. 1999 lädt die Kolpingkapelle erstmals zu einer Muttertagsmatinee ein.
Beim Herbstkonzert 1997 erfolgt im großen Blasorchester der Stabwechsel an Philipp Kufner, der seitdem als musikalischer Leiter und professioneller Dirigent mit Konzerttätigkeiten im In- und Ausland der Kapelle ein besonderes Renommee verschafft und hohe Maßstäbe setzt. Im neuen Jahrtausend nimmt die Kapelle immer mehr Fahrt auf und alle drei Orchester entwickeln sich rasant weiter. Aber nicht nur die Quantität nimmt zu, sondern auch die Qualität.
2002 löst Johann Kürten den bisherigen Vorsitzenden Wolfgang Reiner ab und treibt den von seinem Vorgänger begonnenen Ausbau der Kolping-Kulturwerkstatt mit großem Aufwand und Einsatz vieler Helfer voran. Der Förderkreis Kolping-Kulturwerkstatt wird gegründet und ein Jahr später, im Herbst 2003, erfolgt der lang ersehnte Einzug in die eigenen Räume. 2006 gibt es einen weiteren Personalwechsel und Reinhard Gürtler folgt auf Johann Kürten als Vorsitzender.
2008 wird mit der Serenade im Lippgarten ein neues Veranstaltungsformat entwickelt. Das 90-jährige Jubiläum der Kolpingkapelle wird 2011 groß gefeiert. Neben Festabend und Bezirkswertungsspielen erfolgt als Höhepunkt die erste Operngala auf dem Marktplatz, die zukünftig im dreijährigen Turnus stattfinden soll. 2013 entsteht das neue Konzept „RunduMusik“, in dem sechs- bis achtjährigen Jungmusikern Notenlehre, Musikgeschichte und Instrumentenkunde auf Basis der Melodica beigebracht wird. Im Herbst 2018 werden die Music-Kids als viertes Orchester ins Leben gerufen und die Kolpingkapelle wächst weiter. »