Der einzige Ausweg
Tausende Menschen begeben sich weiter in Lebensgefahr, um es in ein Flugzeug raus aus Kabul zu schaffen. Karim aus Augsburg ist in den USA gestrandet. Die 17-jährige Fatima wartet in einem Versteck auf Rettung vor den Taliban – und weiß nicht, ob diese je
ist, die Leute haben keine Ansprechpartner, alle Botschaften sind geschlossen“, sagt Schuster. Die Deutsche Botschaft ist zerstört.
Da ist also Karim, der es in den Flieger nach Katar geschafft hat. Dort Fatima, deren Versteck in Kabul ihr Gefängnis ist. Und dazwischen all die Menschen, um deren Verbleib Freunde und Familien auf der ganzen Welt bangen. Menschen, von denen es kein Lebenszeichen gibt. In der Hoffnung auf Hilfe und aus Enttäuschung über die offiziellen Stellen wenden sich Angehörige an Leute wie die Augsburger Anwältin für Migrationsrecht, Maja von Oettingen. Ihre Kanzlei ist seit vielen Jahren Anlaufstelle für Afghaninnen und Afghanen, die alles daransetzen, in Deutschland zu bleiben. Doch das Bild hat sich zuletzt gewandelt: „In den letzten Tagen hatte ich viele verzweifelte Menschen aus Afghanistan bei mir, die mich oft unter Tränen angefleht haben, dass ich dafür sorgen soll, dass die Oma oder die Schwester nach Deutschland kommen kann. Doch wie soll ich ihnen Hoffnungen machen, wenn es noch nicht einmal gelingt, die Ortskräfte zu uns zu holen?“, sagt die Juristin im Gespräch mit unserer Redaktion.
Dennoch hat sie sich an das Auswärtige Amt gewandt, um herauszufinden, wie es nach dem Ende der Bundeswehrmission und der Rettungsflüge weitergehen soll. „Ein Mitarbeiter des Amtes sagte mir, dass Verhandlungen mit den Taliban über zivile Flüge laufen würden – am Donnerstagabend hätten die neuen Machthaber signalisiert, dass sie solchen Flügen zustimmen würden.“Von Oettingen hält es allerdings derzeit für unwahrscheinlich, dass die Lufthansa oder andere zivile Airlines derzeit in Kabul landen würden. „Die Taliban können sicher nicht die Flugzeuge vor dem IS oder anderen Gruppen schützen.“
So sieht die Zukunft für diejenigen, die in Afghanistan ausharren, düster aus. Hinzu kommt, dass es sehr schwer ist, sich den Milizen innerhalb des Landes, beispielsweise durch einen Ortswechsel, zu entziehen. Man könne nicht einfach von Kabul nach Herat ziehen, wenn man sich vor Ort bedroht fühle, sagt von Oettingen. „Die Afghanen leben innerhalb ihrer Ethnie und ihrer Familie. Fremde, die alleine unterwegs sind, fallen unweigerlich auf – auch
Der Helferkreis hofft auf eine Luftbrücke
den Taliban.“Hinzu komme ein sehr engmaschiges Netz von Kontrollpunkten.
Thomas Schuster vom Augsburger Helferkreis behält trotzdem seine Hoffnung. Er versucht, die 17-jährige Fatima nach Deutschland zu holen. Dafür hat er sich an die Politik gewandt, um sich für ein Ausreisevisum starkzumachen. Der Helferkreis hat auch eine Petition gestartet. Von den Behörden bekomme er entweder keine Antwort oder eine Ablehnung, beklagt Schuster. „Im Augenblick wissen wir nicht, wie es mit dem Mädchen weitergeht.“Er hoffe, dass es in absehbarer Zeit über eine von Hilfsorganisationen organisierte Luftbrücke gerettet werden kann.
Doch wenigstens eine der hier erzählten Geschichten hat so was wie ein kleines Happy End. Der Augsburger Karim, der eigentlich nur seine Familie besuchen wollte, ist jetzt in Sicherheit. Elf Tage, nachdem er es in die Militärmaschine schaffte, ist er in Washington. Bis er wieder nach Deutschland kann, muss er noch ein paar Hürden überwinden. Seinen Pass hat sein Bruder. Doch der ist in einer anderen Maschine aus Kabul entkommen, sie wurden bei der Flucht getrennt. „Ich muss erklären, dass ich einen Aufenthaltstitel hab’, damit ich zurückfliegen kann“, sagt er. Von Augsburg ist er damit auch im übertragenen Sinne noch viele tausend Meilen entfernt.