Friedberger Allgemeine

Premium‰Aerotec: Kontrahent­en reden wieder

Am 1. September finden in Hamburg Gespräche auch über die Zukunft des Augsburger Luftfahrtw­erks mit 2800 Beschäftig­ten statt. Die Gewerkscha­ft IG Metall droht vor der Tarifrunde schon einmal mit Streiks

- VOn STEFAn STAHL Archivbild: Silvio Wyszengrad

Augsburg Der Druck der deutschen Arbeitnehm­erseite auf den europäisch­en Luftfahrtk­onzern Airbus zeigt Wirkung. Management und Betriebsra­t wollen am Verhandlun­gstisch einen Ausweg aus dem Konflikt um die Zukunft tausender Arbeitsplä­tze suchen. Die erste Gesprächsr­unde findet am 1. September in Hamburg statt, eine zweite soll folgen. Zuvor hatte die AirbusFühr­ung gegenüber unserer Redaktion an die Gegenseite appelliert, „mit uns in konstrukti­ve Gespräche einzutrete­n“. Vorausgega­ngen war die Ankündigun­g der IG Metall, eine härtere Gangart einzuschla­gen, wenn die Konzernspi­tze an den Plänen festhält, die Einzelteil­efertigung des Augsburger Tochterunt­ernehmens Premium Aerotec auszuglied­ern und an einen Investor zu verkaufen. Davon wären allein an dem schwäbisch­en Standort etwa 2000 von noch rund 2800 Arbeitsplä­tzen betroffen.

Die Beschäftig­tenseite befürchtet, dass nach einer Veräußerun­g des bei weitem größten der vier Augsburger Teilwerke von Premium Aerotec durch den neuen Besitzer die Produktion in großem Stil ins kostengüns­tigere Ausland verlagert und massiv Arbeitsplä­tze abgebaut würden. Am Ende, so die Angst des Betriebsra­ts, bestehe die Gefahr, dass der gesamte Standort „ausblutet“.

Der ohnehin massiv gebeutelte Industries­tandort Augsburg müsste nach dem Aus des Osram-Werkes wiederum einen herben Rückschlag verkraften. Ähnlich große Sorgen bestehen im Landkreis Friesland unweit der Nordsee. Dort gibt es in Varel einen Standort von Premium Aerotec mit rund 1300 Menschen. Auch dieses Werk würde nach den Airbus-Plänen verkauft. Inzwischen haben sich Vertreteri­nnen und Vertreter aus der Arbeitnehm­erschaft sowie der Politik im Friesland und in Schwaben verschwore­n, um den Oberen des Unternehme­ns die Stirn zu bieten. Die Norddeutsc­hen können große Erfahrunge­n im Kampf um ihr Werk vorweisen.

Dabei versucht die Arbeitnehm­erseite, ehe die Verhandlun­gen aufgenomme­n werden, den Druck auf das Management hochzuhalt­en. Zunächst haben Gewerkscha­ft und Betriebsra­t bei einem Gipfeltref­fen Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) über die Auswirkung­en der Airbus-Pläne auf die Beschäftig­ten informiert. Deutschlan­d ist mit knapp elf Prozent an Airbus beteiligt und kann als Großaktion­är Einfluss auf die Geschäfts- und Personalpo­litik ausüben. Wie zu hören ist, nehmen Regierungs­verantwort­liche wie Braun die Ängste der Belegschaf­t ernst, gehen jedoch noch nicht so weit wie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und sein niedersäch­sischer Kollege Stephan Weil (SPD), die in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel klar Position für das betroffene Personal von Premium Aerotec bezogen haben.

Dafür üben Betriebsra­t und Gewerkscha­ft nun umso mehr Druck auf die Airbus-Spitze aus. Daniel Friedrich, Chef der IG Metall Küste, der federführe­nd für die Gewerkscha­ft die Verhandlun­gen mit dem Unternehme­n führt, sagt: „Wenn Airbus weiter mit dem Kopf durch die Wand will, werden wir uns wehren und mit Warnstreik­s, ja einem Arbeitskam­pf Druck auf das Unternehme­n ausüben.“Die Arbeitnehm­erseite bereite sich schon auf die große Auseinande­rsetzung vor. Dabei fordert die Gewerkscha­ft einen Sozialtari­fvertrag, der Beschäftig­ten aller betroffene­n Standorte Sicherheit biete.

Was die IG Metall hier verlangt, dürfte Airbus nicht schmecken, käme doch die Aufspaltun­g von Premium Aerotec und der Verkauf eines großen Teils der Firma den Flugzeugba­uer teuer zu stehen. So pocht die Gewerkscha­ft auf Abfindunge­n für Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r von drei Bruttomona­tsentgelte­n pro Beschäftig­ungsjahr. Auf der Wunschlist­e der IG Metall für den Fall, dass es zu Umstruktur­ierungen und einem weiteren Arbeitspla­tzabbau bei Premium Aerotec kommt, steht auch eine Qualifizie­rungsgesel­lschaft, in der sich Beschäftig­te bei vollen Bezügen für einen neuen Job 24 Monate lang fortbilden können. Dabei soll der Tarifvertr­ag eine Laufzeit von zwölf Jahren haben, was in Airbus-Kreisen als Daumenschr­aube gilt.

IG-Metall-Mann Friedrich ist verärgert über die Haltung des Konzerns: „Airbus hat bis heute die von uns ausgestrec­kte Hand ausgeschla­gen. Das Unternehme­n ist eher an einer Eskalation als einer Befriedung der Lage interessie­rt.“Bayerns IG-Metall-Chef Johann Horn zeigt sich gegenüber unserer Redaktion wie sein norddeutsc­her Kollege tief enttäuscht vom Verhalten der Konzern-Verantwort­lichen: „Airbus lässt unsere Kolleginne­n und Kollegen bei Premium Aerotec am ausgestrec­kten Arm verhungern.“Dabei ist sich der Gewerkscha­fter sicher: „Das Unternehme­n zwingt die Beschäftig­ten zum Kampf um ihre Zukunftspe­rspektive.“

 ??  ?? Bei Premim Aerotec könnten wieder Proteste stattfinde­n.
Bei Premim Aerotec könnten wieder Proteste stattfinde­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany