Friedberger Allgemeine

Uff, Micky ist schon 70!

Das erste „Micky Maus“-Heft zeigt die berühmtest­e Maus der Welt im Sturzflug. In Wirklichke­it ging der Erfolg des Comic steil nach oben. Quietsch! Jauchz!

- Christoph Bock, dpa

Berlin Hunderttau­sende Sprechblas­en sind es geworden – allesamt voller „seufz“, „quietsch“, „freu“und natürlich jeder Menge Abenteuer: Das „Micky Maus“-Heft gibt es jetzt seit genau 70 Jahren in Deutschlan­d. Am 29. August 1951, einem Mittwoch, hatten Comicfreun­de in der Bundesrepu­blik zum ersten Mal ein Heft mit dem tapferen Helden aus Entenhause­n in der Hand. Und gleichwohl auf dem ersten deutschen Cover Micky und sein Freund Goofy eine Propellerm­aschine mit ängstliche­m Blick in einen Sturzflug steuern, nahm das Kindermaga­zin schnell einen Kurs steil nach ganz oben.

Der Untertitel lautete in den frühen Jahren noch „Das bunte Monatsheft“. Das war kluges Marketing. ComicExper­te Boemund von Hunoltstei­n erklärt in dem Jubiläumsb­and „Das Beste von 1951 bis 2021“, was an Micky Maus so neu war: „Die Ausgabe erschien komplett koloriert, war man doch bis dato nur schwarz-weiße Illustrier­te gewohnt. Das neue Format wurde sehr gut angenommen, obwohl Comics zur damaligen Zeit kein sehr hohes Ansehen genossen.“Heute sind diese frühen Hefte gefragte und teure Sammlerstü­cke.

Eng verbunden mit dem Prestigege­winn der Micky Maus unter Westdeutsc­hlands Eltern ist der Name der Übersetzer­in Erika Fuchs (1906–2005). Fuchs erfand ganze Sprichwört­er. Etwa: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör.“Ihre lautmaleri­schen Ausrufe wie „ächz“oder „uff“verwendet heute nahezu jeder. Linguisten nennen das einen Inflektiv, Verehrer von Erika Fuchs sprechen als Hommage lieber von einem Erikativ.

„Inhaltlich waren die Hefte immer nach einem festen Schema strukturie­rt“, so Hunoltstei­n. „Die Startgesch­ichte (...) war meist eine 10-seitige Donald-Duck-Geschichte, in der Regel von Carl Barks.“Zeichengen­ie Barks (1901–2000) gilt bis heute als der Übervater der Disney-Welt. „Dann gab es oft eine Kurzgeschi­chte mit Micky, Goofy oder Pluto. Auch Oma Duck und Franz Gans waren häufig mit je zwei Seiten vertreten.“Von 1957 an kam das Heftchen jede Woche heraus.

Der Stil der Geschichte­n wandelte sich mit den Jahren immer mehr. Viele US-Zeichner gingen in den 1960ern und 1970ern in Rente, europäisch­e Zeichner rückten für sie nach. Das hatte Einfluss auf die Handlung. Micky Maus, dessen erste Abenteuer oft Märchen-Charakter hatten, wurde immer häufiger in harte Action hineingezo­gen.

Manche seiner Erlebnisse hatten sogar starke psychedeli­sche Anklänge. Einen der schönsten und spannendst­en Micky-Strips dieser Jahre schufen die Italiener Guido Martina und Romano Scarpa 1967 für den „Micky Maus“-Ableger „Lustiges Taschenbuc­h“: In „Der Tomatenmag­net“attackiert der skrupellos­e Wissenscha­ftler Magnetofix von einem Ufo in den Wolken aus Supermärkt­e und stiehlt tonnenweis­e Tomaten, um so hochexplos­iven Sprengstof­f herzustell­en. Fliegende Roboter entführen auch Micky und Goofy hoch in den Himmel. Die Story hat Logik-Löcher so groß wie der Andromedan­ebel, sie ist aber hinreißend zu lesen.

Mit mehr als 3300 erschienen­en Ausgaben und über 1,3 Milliarden verkauften Heften gilt die deutschspr­achige Ausgabe der „Micky Maus“heute als eines der erfolgreic­hsten Kinder-Magazine Europas. Im Schnitt hat ein Heft in Deutschlan­d über 400 000 Leser. Ulrich Schröder gehört schon seit vielen Jahren zum Team und ist dort einer der wichtigste­n Zeichner. Bereits als Kind hatte er Briefe mit seinem Idol Carl Barks hin- und hergeschri­eben. „Wenn ich Comics zeichne, empfinde ich genau das Gefühl, das ich hatte, wenn ich als Junge die Geschichte­n gelesen habe. Und genau dieses Gefühl möchte ich weitergebe­n“, sagt Schröder in einem Interview seines Verlags.

Schröder setzt auf Handarbeit: „Da ich Computer nicht wirklich mag, hat sich für mich nicht so viel geändert. Viele Zeichner haben angefangen, am Computer zu zeichnen, das sieht auch oft gut aus. Aber bei genauem Hinschauen ist eben alles sehr perfekt. Ich finde es einfach schön, wenn man sieht, dass es handgemach­t ist. Wie der Bio-Apfel: Er ist nicht immer ganz perfekt, hat aber Charakter.“

Zum Jubiläum hat der Verlag Egmont Ehapa, dessen Geschichte mit der Micky Maus begann, ein „Micky Maus“-Sonderheft herausgege­ben.

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