Große Festivals müssen schon wieder absagen
Die Hoffnungen ruhen bei steigenden Infektionszahlen gerade auf dem 2-G-Modell
Hamburg/Wacken Nach der Absage des kleinen Wacken-Festivals standen Doro Pesch die Tränen in den Augen. „Wir sind alle todtraurig“, sagte die Metal-Sängerin. „Das wäre dieses Jahr das größte RockKonzert geworden.“Sie verstehe die Entscheidung aber, wenn die Infektionszahlen steigen. Gesundheit gehe vor. Das ursprünglich vom 16. bis 18. September geplante Festival „Bullhead City“mit bis zu 20000 Fans pro Tag wurde am Montag aufgrund der aktuellen Corona-Entwicklung in der Region abgesagt. Auch Pesch wollte dort auftreten.
„In Anbetracht der derzeitigen Situation ist ein ausgelassenes Festival, wie es unsere Fans verdienen, aufgrund der zu ergreifenden Maßnahmen,
zu denen unter anderem eine Maskenpflicht in nahezu allen Bereichen des Festivals gehört, nicht vorstellbar“, sagte Veranstalter Holger Hübner zur Begründung. Zuvor war bereits das traditionelle Heavy-Metal-Festival mit rund 75 000 Fans erneut wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. Auch andere Musiker wie Peter Maffay oder Steven Wilson mussten ihre für den Herbst geplanten Tourneen nochmals verschieben.
Dabei hatten sich die Konzertveranstalter auf einen Neustart im Herbst gefreut. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird ihnen Corona wieder einen Strich durch die Rechnung machen. „Solange es Kapazitätsbeschränkungen und Abstandsregeln
gibt, machen Veranstaltungen wirtschaftlich keinen Sinn“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow. Er fordert bundesweit einheitliche Regeln für seine Branche.
„Wir hoffen, dass das Hamburger 2-G-Modell eine Blaupause für alle anderen Bundesländer ist“, sagte Michow. Bei der 2-G-Option, die von Samstag an in Hamburg möglich ist, können Veranstalter entscheiden, ob sie nur noch Geimpfte und Genesene einlassen (weitgehend ohne Einschränkungen), oder ob sie weiter das 3-G-Modell nutzen wollen. Dieses bezieht Getestete und damit Ungeimpfte ein, unterliegt aber bisherigen Einschränkungen.
„Konzerttourneen werden allerdings erst wieder möglich sein, wenn es in Deutschland keinen Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen gibt, sondern die Länder sich auf ein einheitliches Öffnungsszenario einigen“, betonte Michow. Ähnlich sieht es Dieter Semmelmann, Geschäftsführer von Semmel Concerts: „Die Veranstalter kämpfen im Moment mit einem föderalen Durcheinander von Verordnungen, die eine Durchführung von landesweiten Tourneen fast unmöglich macht“, sagte Semmelmann. Ein großes Problem seien die unterschiedlichen Regelungen der Schutzmaßnahmen und der damit verbundenen Öffnungsbeschränkungen auf Länderebene.
Wenn aufgrund der noch unzureichenden Impfbereitschaft und der aktuellen Infektionslage für eine Übergangszeit 2-G gefordert würde, würde sein Unternehmen mitgehen. Auch Marek Lieberberg, Geschäftsführer von Live Nation, spricht sich für das 2-G-Modell aus. „Hamburg hat mit dem 2-G-Modell eine richtungweisende, überfällige Entscheidung getroffen, die Schule machen muss, damit die moderne Kultur nach ihrer unverschuldeten Zwangspause endlich wieder aufblühen kann“, sagte Lieberberg. In vielen Ländern, darunter Großbritannien und den USA, seien Live-Konzerte – meist aber ohne Einschränkungen – bereits wieder möglich.