Das Erbe Fuggers zeigt sich auf vielfältige Weise
In der Stadt betätigen sich rund 100.000 Menschen ehrenamtlich. Sie investieren dafür viel Zeit. Warum die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement kein Selbstläufer ist
Die Fuggerei, deren 500-jähriges Bestehen Augsburg in dieser Woche feiert, ist einem außerordentlich reichen Mann zu verdanken. Jakob Fugger ist mit seiner sozialen Ader glücklicherweise kein Einzelfall geblieben. Zahlreiche gut situierte Augsburgerinnen und Augsburger teilten und teilen ihr Geld mit denjenigen, denen es nicht so gut geht – sei es als Privatpersonen oder über eine Stiftung. Daraus zu schließen, dass sich bürgerschaftliches Engagement auf die oberen Zehntausend beschränkt, wäre allerdings falsch. Das Ehrenamt fußt in der Fuggerstadt auf einer viel breiteren Basis. Bei der Bürgerumfrage 2019 – aktuell läuft gerade wieder eine Befragung – gaben 33 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, dass sie ehrenamtlich tätig sind. Auf die Gesamtbevölkerung Augsburgs hochgerechnet sind das rund 100 000 Menschen. Die meisten der Befragten engagierten sich im sportlichen Bereich, gefolgt von Kirche, Kinder, Kultur und Musik. Im Schnitt opferten die Aktiven pro Woche fast fünf Stunden ihrer Zeit für ihre Mitmenschen.
Opfern? Wolfgang Krell, Chef des Augsburger Freiwilligen-Zentrums, sieht das anders. Für ihn sind die ehrenamtlich Engagierten keine Opfer, sondern Gewinner. „Es ist erwiesen, dass sie länger leben, weil sie mehr Kontakte haben und sich in anderen Kreisen bewegen.“In der Tat: Wer einmal erlebt hat, wie der sonst eher morgenmuffelige Ehemann plötzlich voller Elan aufsteht, um in der Küche eines Pfarrzentrums mit weiteren Helferinnen 100 Mittagessen zuzubereiten, erkennt den positiven Effekt des freiwilligen Einsatzes. Und man sieht auch, dass die coronabedingte Pause des Mittagstisches den Aktiven schwer zu schaffen macht: Kommen die Gäste wieder zurück, wenn sie dies denn irgendwann einmal wieder dürfen? Stehen dann noch genug helfende Hände bereit, um die Aufgabe stemmen zu können?
Experten wie Krell geben sich optimistisch, dass die Pandemie dem Ehrenamt in Augsburg keinen spürbaren Dämpfer verpasst, auch wenn vielleicht der eine oder die andere nicht mehr an den Einsatzort zurückkehrt. Dafür stehen neue Menschen bereit, die vor Tatendrang nur so sprühen. Als das Freiwilligen-Zentrum im Frühjahr 2020 während der ersten Infektionswelle Helferinnen und Helfer für Botengänge oder Einkäufe suchte, meldeten sich 1400 Interessierte!
Auch wenn Corona immer noch den Alltag des Freiwilligen-Zentrums beeinflusst, so sind dort viele Angebote wieder am Laufen, etwa die Engagementberatung. Hier können Interessierte herausfinden, welches Ehrenamt zu ihnen passt. Nicht selten klaffen Vorstellungen und Realität auseinander, schätzen Anwärter ihre Fähigkeiten oder Neigungen falsch ein oder versuchen, einen Verlust zu kompensieren – etwa wenn sie nach dem Tod eines geliebten Menschen im selben Altenheim anrückt, dere schwer kranke Senioren betreuen möchten. Fürs Seelenheil und für die Ablenkung wäre es besser, neue Pfade einzuschlagen, raten die Fachleute.
Dazu gibt es in den Augsburger Vereinen, Kirchengemeinden oder
Initiativen zahlreiche Betätigungsfelder. Besonders häufig landen Engagierte in einem Amt, das sich aus ihrer aktuellen Lebenssituation ergibt. Ein Vater mit einem Kind in der Grundschule lässt sich in den Elternbeirat wählen. Eine Mutter engagiert sich in dem Sportverein, in dem ihr Filius das Fußballtor hütet. Gemein ist vielen Aufgaben die Verwurzelung im Stadtteil. Wer etwa bei der Freiwilligen Feuerwehr in Pfersee zu einem Brand aus
Es gibt viele positive Beispiele eines guten Miteinanders
ist in der Regel dort auch zuhause.
Ob es ums Feuerlöschen, Kuchenbacken oder um die Finanzplanung einer Kleingartenanlage geht: Damit aus der Freude nicht Frustration wird, sollten die Freiwilligen untereinander auf Augenhöhe agieren. Vereine, die streng auf Hierarchien achten und alle Aufgaben auf ein oder zwei Vorstandsmitglieder konzentrieren, tun sich oft schwer, Nachfolger zu finden. Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. Wer das Gefühl hat, ausgenutzt zu werden und nur ungeliebte Hilfsdienste aufgebürdet zu bekommen, wird nicht lange dabeibleiben.
In Augsburg gibt es viele positive Beispiele eines guten Miteinanders. Wohlfahrtsverbände und Hilfsorganisationen wertschätzen ihre Freiwilligen auch, weil sie ohne sie einpacken könnten. Allein beim Rotkreuz-Stadtverband unterstützen und ergänzen 1000
Ehrenamtliche aller Altersklassen die rund 150 Hauptamtlichen. Sehr viele von ihnen haben sehr viel Zeit in ihre Ausbildung gesteckt, bevor sie etwa im Sanitätsdienst, bei der Wasserwacht oder in der Hundestaffel zum Einsatz kommen. Und sie tun das nach Einschätzung von Rotkreuz-Geschäftsführer Michael Gebler sehr gerne, weil sie den Wunsch nach Gemeinschaft in einer anspruchsund verantwortungsvollen Aufgabe ausleben können.
Anspruchsvoll sind auch viele Betätigungsfelder, die das Freiwilligen-Zentrum anbietet. Dort sind aktuell rund 2000 Aktive in den diversen Projekten tätig – etwa als Flüchtlings- oder Sozialpatinnen. Demnächst startet ein Kurs für angehende Wohnpaten. Sie sollen Menschen mit wenig Geld und in teils schwierigen Lebensumständen helfen, eine Wohnung zu finden. Eine sicher nicht einfache Aufgabe, die in der Tradition Jakob Fuggers steht.