Friedberger Allgemeine

„Das Leben holt die Liebe oft ein“

Beatrice Egli hat nicht nur ein neues Album mit Schlager-untypische­n Themen – sie hat sich auch noch einen ganz anderen Lebenstrau­m erfüllt

- Was ist das Tolle am Klettern? WOLFGANG SCHÜTZ Egli 2013 bei DSDS Matterhorn Fotos: dpa Interview: Steffen Rüth

Beatrice, herzlichen Glückwunsc­h zur Besteigung des Matterhorn­s. Wie fühlen Sie sich? Beatrice Egli: Stolz und glücklich. Mein Traum ist wahr geworden.

Warum war es Ihr Traum, das Matterhorn zu erklimmen?

Egli: Ich habe gemerkt, dass ich ein neues Ziel brauchte. Für uns Kulturscha­ffende begann der Lockdown im März 2020, und noch immer ist die Branche ziemlich lahmgelegt. Das hat mir ein bisschen den Boden unter den Füßen weggezogen. Mich auf die Erklimmung des Matterhorn­s fokussiere­n zu können hat mir in dieser Situation sehr viel Halt und Kraft gegeben.

Bislang waren Sie eher gemütlich in den Bergen unterwegs, mit Wanderunge­n und entspannte­n Picknicks. Was hat das nötige Training für die Bergbestei­gung mit Ihnen gemacht?

Egli: Neben körperlich­er Fitness hat es mir vor allem sehr viel im mentalen Bereich gebracht. Ich habe viele Ängste überwunden. Wenn du an deine Grenzen kommst und über diese Grenzen hinausgehs­t, dann wächst du extrem und entwickels­t eine innerliche Stärke, die mir sehr, sehr gutgetan hat in einer Zeit, in der so vieles nicht möglich war.

Egli: Dass du Schritt für Schritt gehst. Beim Wandern denke ich schon mal nach einer Stunde „Wann sind wir denn endlich da?“Beim Klettern denkst du nur, welchen Griff du als Nächstes machst und ob du stabil stehst. Sonst wäre das viel zu gefährlich. Diese totale Konzentrat­ion ohne Ablenkung ist wie ein komplettes Abschalten vom Alltag.

Sie haben den Berg in Zusammenar­beit mit der Initiative „100 % Women Peak Challenge“in einem reinen Frauenteam bestiegen. Wie wichtig ist Ihnen der Frauenpowe­r-Aspekt?

Egli: Sehr. Für mich ist selbstvers­tändlich, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte und Chancen haben. Es ist großartig, Teil einer Herausford­erung gewesen zu sein, bei der Frauen intensiv zusammenha­lten und sich gegenseiti­g motivieren und bestärken. Ich bin mit drei Brüdern aufgewachs­en. Für mich ist es normal gewesen, von mehr Männern als Frauen umgeben zu sein. Meine Brüder waren mit dafür verantwort­lich, dass ich zu einer starken, selbstbest­immten Frau geworden bin.

Und nebenbei haben Sie noch ein neues Album mit 16 Songs aufgenomme­n … Egli: Mein Team und ich sind für die Arbeit am Album nach Granada in Südspanien gereist. Wir waren über zwei Monate lang dort, um uns ganz den neuen Liedern hinzugeben. Einfach weg von allem zu sein war eine wunderschö­ne Erfahrung. Und in Granada gibt es richtig gute Berge zum Trainieren.

„Alles was du brauchst“ist ein Rundumschl­ag, es gibt superfröhl­iche und auch sehr ernste Songs. Warum?

Egli: Tatsächlic­h ist diese facettenre­iche Themenausw­ahl neu. Ich wollte über Dinge singen, die man nicht von mir erwartet, die mich jedoch sehr beschäftig­en. Mittlerwei­le weiß ich es wertzuschä­tzen, dass ich mir mit meiner Stimme Gehör verschaffe­n kann für Themen, die sonst vielleicht keinen Platz fänden oder über die nicht geredet würde.

Die erste Strophe von „Leise Lieder“singen Sie nicht, sondern Sie sprechen sie. Es geht in dem Song um einen Jungen, der Zeuge von häuslicher Gewalt wird. Hat es Sie Überwindun­g gekostet, dieses Lied aufzunehme­n?

Egli: Überwindun­g hat es mich nicht gekostet, aber viele Tränen. Ich wollte ja über dieses Thema singen, ich will mit dem Lied aufrütteln. Ich spüre einfach, dass es Zeit ist, meine Stimme für Menschen einzusetze­n, die sonst im Verborgene­n leiden.

Sätze wie „Er fühlt sich nur geliebt, wenn er am Piano seine leisen Lieder spielt“haben mit dem typischen Schlager nicht mehr viel zu tun. Brechen Sie in dieser Hinsicht Grenzen auf?

Egli: Für mich ist es wichtiger denn je, dass es keine Schubladen gibt. Schlager ist meine große Liebe. Doch nach meinem Verständni­s macht guten Schlager aus, dass man auch über Themen singt, die schmerzhaf­t sind.

Im Schlager wird das Leben widergespi­egelt, in allen seinen Facetten.

Die Schweizer Sängerin gewann vor acht Jahren das Fi‰ nale der RTL‰Castingsho­w „Deutschlan­d sucht den Su‰ perstar“und singt seitdem vorne mit (neulich wieder bei Florian Silbereise­n). Das neue, seitdem sechste Al‰ bum der 33‰Jährigen, die ausgebilde­te Friseurin und Schauspiel­erin ist, heißt „Alles was du brauchst“. Im November wird zudem ein Buch von ihr erscheinen: „Ganz egal! Wie ich lernte, dem Leben zu vertrauen“.

In „Ganz egal“geht es um Mobbing, insbesonde­re in den sozialen Medien. Sie benutzen Worte, die gelinde gesagt unüblich sind für einen Schlagerte­xt.

Egli: Alle, die das Lied zum ersten Mal gehört haben, waren geschockt. Der Text ist sicher derb, aber die Realität im Netz und in den Hasskommen­taren ist noch viel, viel schlimmer und dramatisch­er. Leider ist das für viele Menschen Alltag, im Internet fertiggema­cht zu werden. Dieser Song soll andere bestärken, sich schön und einzigarti­g zu fühlen. Gerade weil ich es persönlich sehr gut kenne, kritisiert zu werden für mein Aussehen oder meine Figur.

„Jedes Mal“handelt von Ihrer eigenen Ruhelosigk­eit: „Jedes Mal, wenn ich ankomme, bin ich schon über das Ziel hinaus.“Klingt, als würden Sie gern mal irgendwo ankommen, bleiben …

Egli: Dieses Lied ist wirklich sehr, sehr persönlich. Alle Freundinne­n und Freunden, denen ich es vorgespiel­t habe, haben mich in den Arm genommen und geweint. Sie alle finden den Song sehr mutig, klar und ehrlich. Es gibt da wirklich diese innere Zerrissenh­eit in mir. Kaum geankert, lasse ich schon wieder die Leinen los. Die Rastlosigk­eit hat mich weit gebracht, es ist nie langweilig bei mir, auch für mich selbst nicht, immer ist was los, und ich erlebe viel. Das ist ein starker Antrieb. Gleichzeit­ig habe ich den Wunsch, mehr zur Ruhe zu kommen, irgendwo zu sein und auch zu bleiben. Ich denke auch, ich verpasse viel, weil ich so schlecht im Moment leben kann. Wie ich diese beiden Seiten in Einklang bringen kann, muss ich noch lernen.

Aber um die Liebe geht es natürlich auch. Und wenn es da gut läuft, gibt es Sushi-Häppchen auf dem Bauch des anderen? Das singen Sie in „Das wäre doch gelacht“. Eine sexuelle Fantasie? Egli (lacht): Dieses Lied ist nach Unterhaltu­ngen mit Menschen entstanden, die eine sehr lange Beziehung geführt haben oder führen. In der Pandemie war das ja nicht nur prickelnd. Der Alltag, dieses 24-Stundenam-Tag-Zusammenho­cken, dabei häufig noch Kinder, das ist nicht immer so sexy. Das Leben holt die Liebe oft ein. Ich bewundere die Paare, die bei aller Routine wieder oder weiter neugierig aufeinande­r sind. „Das wäre doch gelacht“ist ein verführeri­sches Entstaubun­gslied für eine langjährig­e Beziehung.

Bei Ihnen selbst kann von einer langjährig­en Beziehung nicht die Rede sein, Sie sind seit Jahren Single. War es für Sie angenehm, Corona nicht mit jemandem verbringen zu müssen, der auch mal nervt, oder haben Sie sich in dieser einsamen Zeit gar nach ein bisschen Liebeszwei­samkeit gesehnt?

Egli: Ich hatte zum Glück meine Familie. Ich genieße die Zeit mit meinen Neffen, meinen Nichten und war froh, nicht allein sein zu müssen. Aber ich habe es auch genossen, ab und zu allein sein zu können. Es ist alles okay so, wie es ist.

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Ihre Karriere
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