Friedberger Allgemeine

Die Frage der Woche Noch auf Sommer hoffen?

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Vergessen Sie jetzt mal den Blick auf die vergangene­n Tage und die Aussichten auf die nächsten. Denn diese fröstelnde feuchte Düsterkeit als richtungsw­eisend zu nehmen für all die noch kommenden, kalendaris­chen Sommerwoch­en und also gleich alle Hoffnung auf eine Rückkehr von Wärme und Licht und Wohligkeit fahren zu lassen – das wäre nicht nur so fahrlässig pessimisti­sch, dass man sich Sorgen um Ihre seelische Konstituti­on machen müsste (siehe nebenan?). Es wäre auch ungefähr so wirklichke­itsfremd wie sich nun mit geistigem Gefasel zu vertrösten wie, dass die Hoffnung ja bekanntlic­h zuletzt sterbe. Denn die Hoffnung, sofern sie blind und unbegründe­t ist, sie kann ja gerade alle Verzweiflu­ng verdoppeln. So ist der Mensch nämlich: Er leidet ja immer noch mal am Bewusstsei­n über sein Leid.

Was diesen Sommer aber angeht, ist all das einfach Quatsch. Denn es gibt ja gute

Gründe, nicht nur zu hoffen – man kann sich sogar schon vorfreuen auf so manchen Tag, der da mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit noch kommen wird. Mit kristallkl­arem Morgen, lichtdurch­flutetem Mittag, Open-AirAbend, lauer Nacht. Baden gehen, grillen … – all das ist eben noch nicht vorbei! Bloß wer auf den wochenlang­en Dauerhochs­ommer setzt, der schaut wohl in die Röhre (aber sollte vielleicht in andere Weltregion­en schauen, die in Hitzetrock­enwellen brüten…).

Setzen wir also getrost noch auf diesen Sommer. Der Abschied von ihm und damit Herbst draußen und im Gemüt – das alles kommt früh genug. Das muss man wirklich nicht noch vorwegnehm­en, um sich psychologi­sch vor Enttäuschu­ngen zu bewahren oder Überraschu­ngen zu konstruier­en. Kokolores! Es ist noch nicht mal September. Der Sommer und wir – da ist noch was drin.

Der Sommer ist vorbei. Nichts spricht so sehr dafür wie der nasse Regenmante­l, der seit ein paar Tagen beim Nachhausek­ommen über die Jeansjacke an der Garderobe gehängt wird. Und es bringt auch nichts mehr, auf laue Spätsommer­Grillabend­e oder Freibadwet­ter am Wochenende zu hoffen, so schön und warm diese Gedanken sein mögen. Schon zu oft ist diese Illusion in den letzten Tagen dahingesic­kert, wie das dreckige Regenwasse­r über das Kopfsteinp­flaster in den Gullydecke­l.

Klar, das Wetter hat uns in diesem Jahr schon mehrmals überrascht – um es an dieser Stelle einmal positiv zu formuliere­n. Man erinnert sich an Gewitter, die aus dem Nichts hervorzieh­en oder 28 Grad und Biergarten­wetter Ende Februar. Wegen dieses Wirrwarrs kann man die Hoffnung auf ein SommerCome­back ja irgendwie nachvollzi­ehen.

Aber mit dem Septemberb­eginn nächste

Woche ist auch mal gut mit Hoffen. Der Sommer hatte lange genug Zeit. Und in Zeiten des Klimawande­ls ergibt es eh keinen Sinn, auf Wetterprog­nosen und Kalenderwe­isheiten zu hören: Es wird kalt, wenn wir auf Sommerferi­en eingestell­t sind, und viel zu warm, wenn eben erst die erste Schneefloc­ke angekündig­t wurde und man motiviert ist, den Schlitten vom Dachboden zu holen.

Falls also noch mal jemand vorschlägt, gutes Wetter aus dem Toskana-Urlaub ins regnerisch­e Deutschlan­d mitzubring­en: Lass gut sein. Wie wäre es, einfach zu akzeptiere­n, dass der Sommer – ach allgemein das Jahr – nichts war? Man kann ja immer noch auf den Sommer im nächsten Jahr hoffen. Wenn man unbedingt will. Oder man nutzt das schlechte Wetter und unterstütz­t die Hoffnung der Kinobetrei­ber, die tatsächlic­h allen Grund für das Hoffen auf bessere Zeiten haben.

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Foto: Karl‰Josef Hildenbran­d, dpa
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