Friedberger Allgemeine

Nun ist Scholz der Gejagte

Ein fast vergessene­r Skandal und eine nicht beantworte­te Frage machen dem SPD-Kanzlerkan­didaten zu schaffen

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Lange konnte sich Olaf Scholz ganz entspannt anschauen, wie sich seine Rivalen im Kampf ums Kanzleramt selbst das Leben schwer machen. Als nahezu aussichtsl­oser Kandidat gestartet, wurde der SPD-Politiker zum Favoriten, ohne sich dafür besonders anstrengen zu müssen. Jetzt aber, da er in Umfragen vorne liegt, wird der 63-Jährige plötzlich selbst zum Gejagten und sieht sich zum denkbar ungünstigs­ten Zeitpunkt mit einer Geschichte aus seiner Zeit als Regierungs­chef in Hamburg konfrontie­rt.

Es geht um die skandalumw­itterte Bank M. M. Warburg und – vereinfach­t gesagt – um die Frage, ob Scholz eine Mitverantw­ortung dafür trägt, dass die Bank zig Millionen Euro aus dubiosen Cum-Ex-Geschäften nicht nachzahlen musste.

Eine willkommen­e Gelegenhei­t für die politische Konkurrenz, das Image vom verlässlic­hen und integren Staatsmann, das sich der SPDKandida­t in den vergangene­n Wochen erfolgreic­h aufgebaut hat, anzukratze­n. „Im Bundestags­wahlkampf geht es um die Frage, wem man Vertrauen kann und diese Geschichte wirft auf Olaf Scholz ein schlechtes Licht“, sagt der GrünenFina­nzexperte Sven Giegold im Gespräch mit unserer Redaktion. Er sieht nicht nur im Fall M. M. Warburg ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem des SPD-Politikers. Als Regierende­r Bürgermeis­ter habe Scholz sich nie sonderlich eingemisch­t, welche Geschäfte in Hamburger Banken,

Unternehme­n oder am Hafen gemacht werden. Und nach seinem Wechsel nach Berlin sei das nicht viel anders gewesen. „Herr Scholz war jetzt vier Jahre Finanzmini­ster und hat in dieser Zeit gegen Finanzkrim­inalität und Steuerbetr­üger wenig unternomme­n. Ob das Cum-Ex oder der Wirecard-Skandal war – der Aufklärung­swille hält sich in engen Grenzen. Auch die Finanzaufs­icht BaFin, die ihm unterstell­t ist, hat ihren Job nicht gut gemacht“, kritisiert der Grüne.

Die neuen Enthüllung­en, die auch Hamburgs heutigen Regierungs­chef Peter Tschentsch­er – damals Finanzsena­tor – in Erklärungs­not bringen, sind nicht der einzige Punkt, an dem Scholz’ Gegner ansetzen. Auch die Frage, ob der Sozialdemo­krat gemeinsame Sache mit der Linksparte­i machen würde, um ins Kanzleramt zu kommen, wird immer lauter gestellt. Das liegt an Scholz selbst, der sich um eine klare Antwort herumdrück­t. Es liegt aber auch daran, dass Union und FDP das Szenario einer linken Mehrheit nutzen wollen, um damit die eigenen Anhänger zu mobilisier­en.

„Wir müssen alles tun, um einen historisch­en Linksrutsc­h in Deutschlan­d zu verhindern“, sagt CSU-Chef Markus Söder der Bild am Sonntag. Davon, dass Scholz in seiner eigenen Partei bis heute umstritten ist, weil er als nicht links genug gilt, lassen sich seine Gegner nicht beeindruck­en. „Wenn Herr Scholz nur eine Stimme Mehrheit hat, wird er versuchen, dieses Bündnis auf den Weg zu bringen“, sagt CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak dem Tagesspieg­el über ein mögliches Linksbündn­is – und bezeichnet den Kanzlerkan­didaten als „politische­n Hütchenspi­eler“. Söder attestiert Scholz den „unlauteren Versuch, eine Art Erbschleic­her von Angela Merkel zu werden“.

Wenn die Deutschen die Kanzlerin oder den Kanzler direkt wählen könnten, läge Scholz schon seit Wochen meilenweit vor Armin Laschet und Annalena Baerbock. Damit hat der Vizekanzle­r inzwischen auch die SPD wieder nach vorne gezogen. Doch der Wind an der Spitze weht schärfer.

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Foto: dpa Seine Gegner versuchen, am Image von Olaf Scholz zu kratzen.

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