Werbung muss Geschichten erzählen
Kinder sprechen bei vielen Kaufentscheidungen ein wichtiges Wort mit. Nicht nur, wenn sie für Weihnachten oder den Geburtstag Wunschzettel schreiben. Auch wenn es darum geht, was auf den Tisch kommt, ist ihre Verhandlungsmacht nicht zu unterschätzen. Es lohnt sich also für Firmen, sie in der Werbung direkt anzusprechen. Ein weiterer Vorteil: Im Kinder- und Jugendalter werden Gewohnheiten geprägt und Geschmäcker entwickelt. Wer seine Kunden möglichst früh umgarnt, hat die Chance, möglichst lange etwas von ihnen zu haben. Böse Zungen nennen das Manipulation, andere freie Marktwirtschaft. Sicher ist nur: Die Kinderzimmer erobern kann keiner so gut wie die Amerikaner.
Im Leben mit Kindern öffnen sich für Eltern immer wieder Fenster in die Vergangenheit. Manchmal wird man dabei nostalgisch, manchmal fühlt man sich alt, aber nie kann man sich das Vergleichen von heute und damals verkneifen. Auf langen Autofahrten in den Urlaub zum Beispiel durfte man früher Kassetten mit Hörspielen hören. Wer beim Ausruf „Törööh“an einen sprechenden Elefanten denkt, weiß, was gemeint ist. Wahrscheinlich hat das Quengeln nach neuen Kassetten unsere Eltern viele Nerven gekostet. Aber die Marketingprofis sind längst weiter.
Heute kommt die Reiseunterhaltung digital aus dem Lautsprecher, als mp3 oder gleich direkt aus dem Internet. Doch das ist nur der oberflächliche Teil der Änderung. Viel wichtiger sind die Inhalte. Statt sprechender Elefanten oder einem Münchner Schreinermeister haben die Hörspiele zum Beispiel Hunde mit besonderen Fähigkeiten als Helden. Statt Geschichten sind es hastig hingeschluderte Dauerwerbesendungen für neues Plastikspielzeug, untermalt von aufdringlichen Jingles. Die Unternehmen müssen nicht mehr für Werbung bezahlen, sondern verkaufen diese direkt an die Endkunden – die damit zum Kauf weiterer Produkte animiert werden sollen. Der perfekte Zirkelschluss. Und wenn das Kalkül aufgeht, werden die Kinder von heute in 25 Jahren nostalgisch, wenn sie die Jingles hören – und spielen ihren Kindern die Episoden dann erneut vor.