Friedberger Allgemeine

Werbung muss Geschichte­n erzählen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN maz@augsburger‰allgemeine.de

Kinder sprechen bei vielen Kaufentsch­eidungen ein wichtiges Wort mit. Nicht nur, wenn sie für Weihnachte­n oder den Geburtstag Wunschzett­el schreiben. Auch wenn es darum geht, was auf den Tisch kommt, ist ihre Verhandlun­gsmacht nicht zu unterschät­zen. Es lohnt sich also für Firmen, sie in der Werbung direkt anzusprech­en. Ein weiterer Vorteil: Im Kinder- und Jugendalte­r werden Gewohnheit­en geprägt und Geschmäcke­r entwickelt. Wer seine Kunden möglichst früh umgarnt, hat die Chance, möglichst lange etwas von ihnen zu haben. Böse Zungen nennen das Manipulati­on, andere freie Marktwirts­chaft. Sicher ist nur: Die Kinderzimm­er erobern kann keiner so gut wie die Amerikaner.

Im Leben mit Kindern öffnen sich für Eltern immer wieder Fenster in die Vergangenh­eit. Manchmal wird man dabei nostalgisc­h, manchmal fühlt man sich alt, aber nie kann man sich das Vergleiche­n von heute und damals verkneifen. Auf langen Autofahrte­n in den Urlaub zum Beispiel durfte man früher Kassetten mit Hörspielen hören. Wer beim Ausruf „Törööh“an einen sprechende­n Elefanten denkt, weiß, was gemeint ist. Wahrschein­lich hat das Quengeln nach neuen Kassetten unsere Eltern viele Nerven gekostet. Aber die Marketingp­rofis sind längst weiter.

Heute kommt die Reiseunter­haltung digital aus dem Lautsprech­er, als mp3 oder gleich direkt aus dem Internet. Doch das ist nur der oberflächl­iche Teil der Änderung. Viel wichtiger sind die Inhalte. Statt sprechende­r Elefanten oder einem Münchner Schreinerm­eister haben die Hörspiele zum Beispiel Hunde mit besonderen Fähigkeite­n als Helden. Statt Geschichte­n sind es hastig hingeschlu­derte Dauerwerbe­sendungen für neues Plastikspi­elzeug, untermalt von aufdringli­chen Jingles. Die Unternehme­n müssen nicht mehr für Werbung bezahlen, sondern verkaufen diese direkt an die Endkunden – die damit zum Kauf weiterer Produkte animiert werden sollen. Der perfekte Zirkelschl­uss. Und wenn das Kalkül aufgeht, werden die Kinder von heute in 25 Jahren nostalgisc­h, wenn sie die Jingles hören – und spielen ihren Kindern die Episoden dann erneut vor.

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