Mit Tempo 160 durch die Haunstetter Straße
Prozess Ein 44-Jähriger wird wegen Verkehrsgefährdung vor Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Er will die Strafe nicht akzeptieren
Sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Verkehrsgefährdung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Sachbeschädigung – eine zu hohe Strafe? Jedenfalls nahm ein angeklagter 44-Jähriger, der im Februar 2019 mit annähernd 160 Stundenkilometern durch die nächtliche Haunstetter Straße gerast sein soll, besagtes Urteil nicht an, das jetzt vor dem Augsburger Amtsgericht gegen ihn verhängt wurde.
Februar 2019, nachts gegen 23.15 Uhr: Eine Zivilstreife der Augsburger Verkehrspolizeiinspektion fährt die Haunstetter Straße stadteinwärts. Voraus ist ein Audi A6 unterwegs, dessen Fahrer bis zu Tempo 100 fährt. Der Polizeibeamte auf dem Fahrersitz und seine Kollegin beschließen, den Fahrer zu kontrollieren, der das Polizeifahrzeug zuvor auf der rechten Spur zweimal beinahe gerammt hatte. An der nächsten Ampel geben die Polizisten Anhaltesignale. Der Fahrer scheint zunächst zu stoppen, um dann aber mit Vollgas davonzubrausen. Die Polizei setzt sich dahinter, misst unterwegs ein Tempo von annähernd 160 km/h.
Mit Schwung geht es links ab, und noch einmal links mit rund Tempo 60 in die Lilienthalstraße im Univiertel, eine Tempo-30-Zone. Auf einer Wendeplatte springen der Fahrer und der Beifahrer aus dem ausrollenden Audi und flüchten in verschiedene Richtungen zu Fuß. Die Verfolgung misslingt der Polizei, weil der 36-jährige Beamte auf einer Eisplatte stürzt und sich schwer am Bein verletzt. Nach und nach kommt die Polizei dem Autofahrer über dessen Ehefrau, die Fahrzeughalterin des Audi ist, auf die Spur. Der 44-Jährige selbst hatte nie eine in Deutschland gültige Fahrerlaubnis besessen.
Schon am ersten Verhandlungstag hatte Verteidiger Felix Dimpfl erhebliche Zweifel an der Anklage gestreut. Er widersprach der Ver
bestimmter Aussagen der Polizisten im Zeugenstuhl, da sie auf Befragungen der Ehefrau des Angeklagten beruhten. Die Frau war aber nicht belehrt worden, dass sie sich zu Vorwürfen gegenüber ihrem Ehemann nicht zu äußern brauche. Auch an der Identifizierung des Angeklagten als Fahrzeugführer äußerte Dimpfl Zweifel. Diese sei erfolgt anhand der persönlichen Beobachtung des Polizisten und seiner Kollegin von Auto zu Auto und lediglich mithilfe des Vergleichs mit einem alten Foto aus Polizeiakten. Schließlich hatte der Verteidiger Zweifel am Zustandekommen der seinem Mandanten vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstöße gehegt. Die Polizisten hätten nur die Geschwindigkeit ihres eigenen Fahrzeugs gewusst und dann Rückschlüsse auf das Fluchtfahrzeug gezogen. Eine direkte Messung des fahrenden Audi sei nicht erfolgt.
Im Prozess hatte sich gezeigt, dass von der Polizistin auf dem Beifahrersitz die Bilder der im Streifenwagen eingebauten Videoanlage mit der dokumentierten Höchstgeschwindigkeit versehentlich überspielt worden waren. Entsprechende Nachermittlungen, die neben Dimpfl auch Richter Dominik Semsch forderte und wegen derer ein zweiter Verhandlungstag erforderlich wurde, brachten nach Worten des Rechtsanwalts allerdings keine besseren Erkenntnisse. Schließlich war es an Richter Semsch, die Angelegenheit zu bewerten. Er verhängte gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die er zur Bewertung währung aussetzte. Eine der Bewährungsauflagen ist die Zahlung von 1200 Euro an den „Bunten Kreis“.
Zudem wird die Verkehrsbehörde angewiesen, dem Angeklagten nicht vor Ablauf von weiteren 16 Monaten den Erwerb einer Fahrerlaubnis zu gestatten. Rechtskräftig wurde das Urteil gleichwohl nicht. Denn für den Angeklagten und Verteidiger Dimpfl fiel die Strafe im Verhältnis zur Beweislast zu hoch aus, sodass Berufung eingelegt worden ist.