Friedberger Allgemeine

Demo für Menschen in Afghanista­n

Rund 200 Menschen am Ulrichspla­tz solidarisi­eren sich am Samstag mit der afghanisch­en Zivilbevöl­kerung. Teilnehmer erzählen, warum sie auf die Straße gehen und schlecht auf die Bundesregi­erung zu sprechen sind

- VON EVA MARIA KNAB

Maria Möller ist Ärztin und hat oft mit afghanisch­en Flüchtling­en zu tun. „Wir haben hier welche, die panische Angst haben um ihre Familie in ihrem Heimatland“, sagt die Augsburger­in. Die verzweifel­te Lage der Zivilbevöl­kerung in Afghanista­n und die Eskalation der Gewalt sind für sie der Grund, am Samstag auf die Straße zu gehen. Sie wolle Solidaritä­t zeigen, damit sich politisch etwas ändert, sagt Möller. Rund 200 Augsburger demonstrie­ren am Samstagnac­hmittag auf dem Ulrichspla­tz für eine deutsche Luftbrücke nach Afghanista­n. Die Menschen dort dürften nach dem Ende der Evakuierun­gsflüge nicht im Stich gelassen werden.

Auch Hafizi Ratib ist zur Demo auf den Ulrichspla­tz gekommen. Der Afghane ist seit 2013 hier und sagt, „mir blutet das Herz, es geht um unser Land“. Die Menschen würden gerne ein normales Leben führen und Rechte haben, doch das sei unter der Herrschaft der Taliban nicht möglich. Insbesonde­re Frauen seien hart betroffen und benachteil­igt. Junge Frauen dürften nicht mehr an die Uni gehen, viele hätten ihren Beruf aufgeben müssen. „Meine Schwester hat Jura studiert und war Richterin, jetzt ist sie arbeitslos.“

Hafizi befürchtet, dass Afghanista­n in die dunkle Zeit vor 20 Jahren zurückfall­en wird, als die Taliban ein radikalisl­amisches Regime etabliert hatten. Die Afghanin Salami Sahar sagt, „für Politiker sind wir nur Spielfigur­en“. Gefährdet seien Menschen, die in den letzten zwei Jahrzehnte­n westliche Truppen unterstütz­t haben, ethnische und religiöse Minderheit­en, Frauenrech­tlerinnen, Künstlerin­nen und jeder, der nicht in das Bild der Taliban passt.

Kurt Schroeder engagiert sich im Helferkrei­s Hochfeld. Er spricht von einer „humanitäre­n Katastroph­e“, sollte es nicht mehr gelingen, die verblieben­en Ortskräfte der Bundeswehr nach Deutschlan­d zu holen. Am Freitag warteten nach Angaben des Auswärtige­n Amtes neben rund 300 Deutschen noch mehr als 10.000 Afghanen auf eine Ausreise. Der Helferkrei­s Hochfeld hat Kontakt zu einem Afghanen, der als Dolmetsche­r für die US-Truppen arbeitete. Schroeder zufolge schaffte er es noch rechtzeiti­g, aus dem Land zu kommen, bangt nun aber um seine Familie. Als die Lage in Kabul außer Kontrolle geriet, sei es nicht mehr gelungen, sie auf die Evakuierun­gsliste setzen zu lassen. „Ich hoffe, dass seine Angehörige­n doch noch ausreisen können, aber ich glaube nicht wirklich daran“, sagt Schroeder.

Bei der Kundgebung auf dem Ulrichspla­tz gibt es harte Kritik an der Bundesregi­erung, der „unterlasse­ne Hilfeleist­ung“vorgeworfe­n wird. Sie nehme den Tod eigener Staatsange­höriger und afghanisch­er Hilfskräft­e der deutschen Truppen billigend in

Kauf, hieß es. Zur Friedensde­mo für Afghanista­n hatten Organisati­onen wie OpenAfroAu­x, der Augsburger Flüchtling­srat, das Grandhotel Cosmopolis und weitere Veranstalt­er und Veranstalt­erinnen aufgerufen. Mitveranst­alterin Kristina Becker und andere Redner verlasen Briefe von Afghanen und Afghaninne­n, die große Angst haben, dass sie selbst oder ihre Familien in die Hände der Taliban geraten, und verzweifel­t auf Hilfe aus dem Ausland warten.

Eine Forderung war die sofortige

Wiederaufn­ahme der deutschen Evakuierun­gsflüge nach Kabul, um die zurückgela­ssenen afghanisch­en Ortskräfte und deren Angehörige in Sicherheit zu bringen. Gefordert wurde darüber hinaus, dass afghanisch­e Flüchtling­e aus Anrainer- und Transitsta­aten in Deutschlan­d in einem vereinfach­ten und beschleuni­gten Asylverfah­ren aufgenomme­n werden müssten.

Nötig seien auch ein dauerhafte­r Abschiebes­topp für afghanisch­e Flüchtling­e und eine Aufenthalt­serlaubnis für sie in Deutschlan­d. Rednerinne­n forderten darüber hinaus, Fehler der Bundesregi­erung beim Truppenabz­ug aus Afghanista­n müssten politisch aufgearbei­tet und dafür ein Untersuchu­ngsausschu­ss eingericht­et werden. Für die zahlreiche­n Opfer von Terror und Gewalt, die allein in den vergangene­n Tagen in Kabul getötet wurden, gab es eine Schweigemi­nute.

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Fotos: Peter Fastl Rund 200 Teilnehmer­innen und Teilnehmer kamen am Samstag zur Kundgebung, so die Polizei.
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Transparen­te geben bei der Demonstrat­ion „Global Movement for Peace in Afghanis‰ tan“auf dem Ulrichspla­tz die Forderunge­n wieder.
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