Ein Fuggereihaus auf dem Rathausplatz
Im Mai 2022 entsteht mitten in Augsburg ein Pavillon, der an ein Fuggereihaus erinnert. Dann wird das Jubiläum der Sozialsiedlung ein zweites Mal gefeiert – und nach vorn geblickt
Eine Woche für 500 Jahre – es war ein kurzes Fest aus Anlass des Fuggerei-Jubiläums, das am Sonntag zu Ende ging. Doch genau genommen war es ja nur ein Auftakt: Bis ins nächste Frühjahr hinein wollen sich die Fugger’schen Stiftungen nun mit der Frage beschäftigen, wie das „Prinzip Fuggerei“in andere Länder übertragen werden könnte. Die Ergebnisse sollen ab Mai in einem auffälligen Pavillon präsentiert werden, der an prominenter Stelle in Augsburg stehen wird.
Die Entwürfe des international tätigen Architekturbüros MVRDV sehen spektakulär aus: Wie ein in die Länge gezogenes Fuggereihäuschen erstreckt sich der hölzerne Pavillon vom Augustusbrunnen in einer geschwungenen Linie hin bis zum Rathaus. Das Ende des Bauwerks schwebt einige Meter über dem Boden und gibt durch ein großes Fenster den Blick frei auf die historische Fassade des Holl-Baus. Ab Mai kommenden Jahres können sich Besucherinnen und Besucher dort über mehrere Wochen hinweg über die Fuggerei und andere Augsburger Stiftungen informieren. Der Pavillon soll zudem Ideenschmiede und Ort des Austauschs sein. Denn die Fuggerfamilie will die Idee der Sozialsiedlung ab sofort auch in andere Länder „exportieren“.
Schon während der Jubiläumswoche war in der Fuggerei in öffentlichen Podiumsdiskussionen erörtert worden, wie solche Sozialsiedlungen in anderen Ländern aussehen könnten und welche Vorgaben sie erfüllen müssten, um zu funktionieren. Eine wichtige Rolle spielt die Architektur: „Wir haben Elemente wie Straßen, Plätze und einen spirituellen Raum, wie ihn die Markus-Kirche darstellt, im Paket“, sagt Sven Thorissen von MVRDV. Das Architekturbüro mit Sitz in Rotterdam hat mit den Fugger’schen Stiftungen Pläne für mögliche weitere Sozialsiedlungen erarbeitet, die allerdings keine Blaupause des Augsburger Originals darstellen. Sinn solcher Fuggereien der Zukunft sei, aus der
Region in die Region zu wirken. Eine neue Fuggerei könne also, je nachdem, wo sie entsteht, anders aussehen und einem anderen Zweck dienen.
Gemein wäre allen Einrichtungen, dass sie günstig Wohnraum bieten und bedürftige Menschen unterstützen. Ähnlich wie in der Fuggerei, wo vor Jahren Küchen in
Bäder umgewandelt wurden, weil sich der Bedarf der Bewohnerinnen und Bewohner geändert hatte, sollte der Grundriss neuer Bauten flexibel sein und Veränderungen zulassen. Geht es nach den Architekten, würde sich der individuelle Wohnraum verkleinern und so Platz schaffen für Gemeinschaftsräume.
Zwei mögliche Stifter für neue
Projekte haben sich bereits gefunden. Für Sierra Leone, eines der ärmsten afrikanischen Länder, konzentrieren sich zwei potenzielle Stifterinnen auf Frauen und Mädchen, die von Genitalverstümmelung bedroht sind, vor ihren Dorf- und Familiengemeinschaften flüchten mussten und nun sowohl Unterkunft als auch die Chance auf Bildung benötigen. In Litauen, wo es ebenfalls einen Interessenten für eine neue Fuggerei gibt, liegt der Fokus auf Senioren, deren Rente nicht fürs Leben reicht.
Für Augsburg haben die FuggerFamilien eine weitere Stiftung im Blick, die sie gemeinsam mit der Stadt entwickeln wollen. Thematisch liegt der Fokus hier auf der Bildung. Auch ein Grundstück haben Stadt und Fugger offenbar im Blick, offiziell ist aber noch nichts: „Wir sind noch in einer sehr frühen Phase und bräuchten auch Stifter, die sich dieser Sache annehmen“, sagt Alexander Graf Fugger-Babenhausen, Mitglied im Fugger’schen Familienseniorat.