Friedberger Allgemeine

Ein Fuggereiha­us auf dem Rathauspla­tz

Im Mai 2022 entsteht mitten in Augsburg ein Pavillon, der an ein Fuggereiha­us erinnert. Dann wird das Jubiläum der Sozialsied­lung ein zweites Mal gefeiert – und nach vorn geblickt

- VON NICOLE PRESTLE

Eine Woche für 500 Jahre – es war ein kurzes Fest aus Anlass des Fuggerei-Jubiläums, das am Sonntag zu Ende ging. Doch genau genommen war es ja nur ein Auftakt: Bis ins nächste Frühjahr hinein wollen sich die Fugger’schen Stiftungen nun mit der Frage beschäftig­en, wie das „Prinzip Fuggerei“in andere Länder übertragen werden könnte. Die Ergebnisse sollen ab Mai in einem auffällige­n Pavillon präsentier­t werden, der an prominente­r Stelle in Augsburg stehen wird.

Die Entwürfe des internatio­nal tätigen Architektu­rbüros MVRDV sehen spektakulä­r aus: Wie ein in die Länge gezogenes Fuggereihä­uschen erstreckt sich der hölzerne Pavillon vom Augustusbr­unnen in einer geschwunge­nen Linie hin bis zum Rathaus. Das Ende des Bauwerks schwebt einige Meter über dem Boden und gibt durch ein großes Fenster den Blick frei auf die historisch­e Fassade des Holl-Baus. Ab Mai kommenden Jahres können sich Besucherin­nen und Besucher dort über mehrere Wochen hinweg über die Fuggerei und andere Augsburger Stiftungen informiere­n. Der Pavillon soll zudem Ideenschmi­ede und Ort des Austauschs sein. Denn die Fuggerfami­lie will die Idee der Sozialsied­lung ab sofort auch in andere Länder „exportiere­n“.

Schon während der Jubiläumsw­oche war in der Fuggerei in öffentlich­en Podiumsdis­kussionen erörtert worden, wie solche Sozialsied­lungen in anderen Ländern aussehen könnten und welche Vorgaben sie erfüllen müssten, um zu funktionie­ren. Eine wichtige Rolle spielt die Architektu­r: „Wir haben Elemente wie Straßen, Plätze und einen spirituell­en Raum, wie ihn die Markus-Kirche darstellt, im Paket“, sagt Sven Thorissen von MVRDV. Das Architektu­rbüro mit Sitz in Rotterdam hat mit den Fugger’schen Stiftungen Pläne für mögliche weitere Sozialsied­lungen erarbeitet, die allerdings keine Blaupause des Augsburger Originals darstellen. Sinn solcher Fuggereien der Zukunft sei, aus der

Region in die Region zu wirken. Eine neue Fuggerei könne also, je nachdem, wo sie entsteht, anders aussehen und einem anderen Zweck dienen.

Gemein wäre allen Einrichtun­gen, dass sie günstig Wohnraum bieten und bedürftige Menschen unterstütz­en. Ähnlich wie in der Fuggerei, wo vor Jahren Küchen in

Bäder umgewandel­t wurden, weil sich der Bedarf der Bewohnerin­nen und Bewohner geändert hatte, sollte der Grundriss neuer Bauten flexibel sein und Veränderun­gen zulassen. Geht es nach den Architekte­n, würde sich der individuel­le Wohnraum verkleiner­n und so Platz schaffen für Gemeinscha­ftsräume.

Zwei mögliche Stifter für neue

Projekte haben sich bereits gefunden. Für Sierra Leone, eines der ärmsten afrikanisc­hen Länder, konzentrie­ren sich zwei potenziell­e Stifterinn­en auf Frauen und Mädchen, die von Genitalver­stümmelung bedroht sind, vor ihren Dorf- und Familienge­meinschaft­en flüchten mussten und nun sowohl Unterkunft als auch die Chance auf Bildung benötigen. In Litauen, wo es ebenfalls einen Interessen­ten für eine neue Fuggerei gibt, liegt der Fokus auf Senioren, deren Rente nicht fürs Leben reicht.

Für Augsburg haben die FuggerFami­lien eine weitere Stiftung im Blick, die sie gemeinsam mit der Stadt entwickeln wollen. Thematisch liegt der Fokus hier auf der Bildung. Auch ein Grundstück haben Stadt und Fugger offenbar im Blick, offiziell ist aber noch nichts: „Wir sind noch in einer sehr frühen Phase und bräuchten auch Stifter, die sich dieser Sache annehmen“, sagt Alexander Graf Fugger-Babenhause­n, Mitglied im Fugger’schen Familiense­niorat.

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Foto: MVRDV‰Architekte­n Mit einem Ausstellun­gspavillon, der an ein Fuggereihä­uschen erinnern soll, wollen die Fugger’schen Stiftungen ab Mai das 500‰Jährige weiterfeie­rn.

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