Friedberger Allgemeine

Ein kleines Wunder in der Fußgängerz­one

- VON MARLENE VOLKMANN marlene.volkmann@augsburger‰allgemeine.de

Sie stehen in den Fußgängerz­onen in den meisten großen und kleinen Städten: Bücherschr­änke. Obwohl manch einer sie vielleicht als sinnlos aufgestell­te Hinderniss­e empfindet, sie manchmal beschädigt oder sogar angezündet werden, sind sie doch sehr wertvoll.

Klar, da stehen auch manchmal Bücher drin, die wahrschein­lich nur für eine ganz spezielle Zielgruppe interessan­t sind, Sachbücher beispielsw­eise. Oder Bücher, die schon ziemlich alt sind. Aber das macht sie ja nicht weniger lesenswert. Und wenn einem das Buch einmal nicht gefällt, stellt man es einfach wieder in den Bücherschr­ank und sucht sich ein anderes.

Weil Bücher mehr sind als bedruckte Seiten zwischen zwei Deckeln. Sie regen die Fantasie an, lassen Bilder im Kopf erscheinen, wenn man sich einmal auf sie einlässt. Manchmal sind sie sogar besser als die Filme. Weil die gar nicht mit dem mithalten können, was die Menschen in ihren Köpfen zeichnen. Vielleicht ist man nach dem Film sogar ein bisschen enttäuscht. Sah doch der von Kämpfen gezeichnet­e Mad-Eye Moody aus den Harry-Potter-Romanen in der eigenen Vorstellun­g noch viel entstellte­r aus als in den ganzen Filmen.

Trotz allem bleibt aber wahrschein­lich eine Art Grundinter­esse an einem Thema notwendig, um ein Buch darüber zu lesen. Da ziehen leidvolle Erinnerung­en an Thomas Manns „Buddenbroo­ks“auf, den 768-Seiten-Wälzer, den wir in der Schule lesen mussten. Aber auch hier: Es entstehen Bilder im Kopf. Bücher regen ganz unwillkürl­ich zum Denken an, lassen den Lesenden in eine komplett andere Welt verschwind­en, sie können traurig oder glücklich machen und lassen einen mit der Hauptfigur mitfühlen. Oder sie ist komplett unsympathi­sch. Kann auch vorkommen. Man liest einfach nur weiter, um zu wissen, wie die Geschichte denn endet.

Und deswegen sind Bücherschr­änke so wichtig: Bücher sind teuer, so ein Bestseller, im Supermarkt gekauft, kann schon mal 16 Euro kosten. Das ist für manch einen vielleicht zu viel Geld, und eigentlich müsste die Person dann auf ein Buch verzichten. Weil er oder sie weniger Geld hat, würde sie nicht dieses Kino im Kopf haben, nicht so viel erleben wie andere.

Außerdem bieten Bücher die Möglichkei­t zu reisen, obwohl man es in Wirklichke­it nicht kann. Dann geht es halt nicht nach Spanien, sondern nach Hogwarts in Hagrids Hütte. Bücherschr­änke beinhalten also in Wahrheit einfach nur Geschichte­n, die in Bücher verpackt wurden.

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