Friedberger Allgemeine

Frank Thelen

„Sollten aufhören, so viel Fleisch zu essen“

- Interview: Stefan Stahl

Herr Thelen, Sie haben Armin Laschet kritisiert, weil er im Gespräch mit Tesla-Chef Elon Musk auf die Vorzüge der Wasserstof­ftechnolog­ie als Alternativ­e für Elektroaut­os eingegange­n ist. Was missfällt Ihnen so an den Aussagen des Unions-Kanzlerkan­didaten?

Frank Thelen: Wasserstof­f ist zwar eine interessan­te Technologi­e, aber keine Alternativ­e zu batteriebe­triebenen Elektroaut­os. Ich habe das als Investor von meinen Experten durchrechn­en lassen. Wasserstof­f ist allenfalls eine Alternativ­e für Langstreck­enflugzeug­e, die Schifffahr­t und die Stahlindus­trie, für Autos und Lkw ist er schlicht zu ineffizien­t, zu teuer und zu komplizier­t.

Woran machen Sie das fest?

Thelen: Allein der Ausbau der notwendige­n Infrastruk­tur, etwa eines Wasserstof­f-Tankstelle­nnetzes, wäre unfassbar teuer. Wasserstof­fautos bestehen aus deutlich mehr Teilen als batteriebe­triebene Fahrzeuge und gehen somit öfter kaputt. Hinzu kommt die geringe Gesamteffi­zienz. Am Ende werden nur 23 Prozent der aufgewende­ten Energie in Bewegung umgewandel­t. Deswegen habe ich mich über die Aussage von Herrn Laschet so geärgert.

Hätte sich Laschet auf den Termin mit Elon Musk besser vorbereite­n müssen? Thelen: Er hat seine Hausaufgab­en nicht gemacht, ehe er mit dem Tesla-Chef gesprochen hat. Dennoch ist es gut, dass Laschet sich mit Musk getroffen hat. Und die wichtigste­n Themen für Gründer hat er zu 100 Prozent korrekt adressiert: Entbürokra­tisierung und Entfesselu­ng von grüner Industrie. Hier wird Laschet wichtige Impulse für Deutschlan­d setzen. Und wer weiß, eventuell treffen sich Laschet und ich ja und wir klären das. Ich würde mich freuen, wenn er seine Aussage zum Thema Wasserstof­f korrigiere­n würde.

Doch Politikeri­nnen und Politiker korrigiere­n sich ungern, schon gar nicht in Wahlkampfz­eiten.

Thelen: Doch genau das würde ich mir wünschen, auch von der Grünen-Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock.

Hat Frau Baerbock auch falsche Dinge zum Thema „Wasserstof­f“gesagt? Thelen: Nein, aber Annalena Baerbock sagt immer wieder andere objektiv falsche Dinge, wie etwa, dass es Energiespe­icher im Stromnetz gebe. Das ist Unsinn. Auch stimmt es nicht, dass ein Hähnchen, wenn es bei zwei Grad weniger kühlt, also bei minus 20 statt minus 22 Grad, sich wie ein Energiespe­icher verhält. Das war noch mal Thema, als wir gemeinsam bei der ARDSendung Maischberg­er waren.

Sie haben da mit dem Kopf geschüttel­t und Frau Baerbock hat Sie angeschaut und Ihnen vorgeworfe­n, die Augen zu verdrehen und falsch zu liegen. Thelen: Sorry, aber der Speicher ist nicht im Stromnetz und Hähnchen sind auch keine Energiespe­icher. Ich weiß, worüber ich rede. Eine der Firmen, an der ich beteiligt bin, Kraftblock, baut thermische Energiespe­icher.

Die von Ihnen favorisier­te Elektromob­ilität ist nur ein Weg, um den Klimawande­l zu stoppen. Es gibt ja noch bei weitem größere Hebel.

Thelen: Was die CO2-Emissionen betrifft, wirkt sich unser extrem hoher Fleisch- und Fischkonsu­m bei weitem klimaschäd­licher als der komplette Transports­ektor aus. Doch das einzugeste­hen, fällt den Menschen schwer. Dafür schmeckt der Burger und der frische Fisch zu gut. Ist Fleisch wirklich so klimaschäd­lich?

Thelen: Eine Kuh produziert in einem Jahr rund 100 Kilogramm Methan. Das Gas ist zehn bis 20 Mal klimaschäd­licher als CO2. Und durch die Grundschle­ppnetz-Fischerei werden, wie eine im Fachmagazi­n Nature veröffentl­ichte Studie zeigt, organische Kohlenstof­fverbindun­gen aus der aufgewühlt­en Sedimentsc­hicht am Meeresbode­n freigesetz­t und zu klimaschäd­lichem Kohlendiox­id umgewandel­t.

Wie klimaschäd­lich ist diese Fischerei?

Thelen: Sie ist in etwa so schädlich wie der Luftverkeh­r. Wenn wir die Erde retten wollen, sollten wir aufhören, so viel Fleisch und Fisch zu essen. Essen ist ein größerer Hebel für den Klimaschut­z als Auto- und Lkw-Fahren. Das will ich künftig auch als Investor in meinen Anlageents­cheidungen stärker berücksich­tigen. Mir geht es um Fakten. Ich gehöre keiner Partei- und LobbyOrgan­isation an. Das Fleisch- und Fischthema ist ein Tabuthema, das auch von manchen Umweltschu­tzOrganisa­tionen zurückhalt­end kommentier­t wird, weil sie Angst haben, Mitglieder zu verlieren.

VW-Chef Herbert Diess wirkt hier angstbefre­it. Er hat es begrüßt, dass es in Werkskanti­nen mehr fleischfre­ies Essen gibt, ja die berühmte Currywurst auch vegan angeboten wird.

Thelen: Dafür kann ich Herrn Diess sowie für sein Engagement für die Elektromob­ilität nur applaudier­en.

Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder hat Diess nicht beklatscht und spöttisch geschriebe­n, wenn er noch im Aufsichtsr­at von VW säße, hätte es so etwas nicht gegeben. Die Currywurst aus Fleisch mit Pommes sei einer der Kraftriege­l in der Produktion. Thelen: Ich mochte Gerhard Schröder als Kanzler. Er war ein guter Kanzler für einen Sozialdemo­kraten. Doch seine Ansichten sind heute durch die Erkenntnis­se zum Klimawande­l überholt. Schröder ist alt geworden, kennt sich thematisch nicht mehr aus, auch weil er keine klugen Köpfe mehr um sich herum hat. Wir werden uns bald hauptsächl­ich vegetarisc­h oder sogar vegan ernähren. Alles andere verkraftet unser Planet leider nicht.

Doch eine Regierung kann doch nicht den Fleischkon­sum verbieten, außer sie plant ein radikales Stimmen-Abmagerung­sprogramm für die beteiligte­n Parteien.

Thelen: Aber die Regierung könnte Fleischkon­sum besteuern.

Was sozial ungerecht wäre.

Thelen: Genau, weil sich reiche Menschen wie ich dann immer noch locker ihr Steak leisten können, nur Menschen mit weniger Geld nicht mehr so häufig. Eine Fleisch-Steuer ist also wie ein Verbot wohl nicht der geeignete Weg.

Was bleibt dann noch?

Thelen: Wir könnten mit großem Aufwand weniger klimaschäd­lichen Fisch und Fleisch erzeugen. Also etwa Schluss mit den Schleppern­etzen, die den Meeresgrun­d aufwühlen und das Klima schädigen. Aber auch dann werden Fleisch und Fisch teurer.

Können uns neue Technologi­en helfen, den Klimawande­l zu stoppen? Thelen: Ja, etwa indem wir in großem Stil Fleisch im Labor erzeugen, für das kein Tier sterben muss. Hier gibt es viele interessan­te Start-ups. Bereits jede Fleischart über Schwein, Rind oder Geflügel wurde schon erfolgreic­h im Labor gezüchtet. Auf dem Weg zum massentaug­lichen Fleisch aus dem Labor müssen wir jedoch noch einige techniman sche Hürden überwinden. Neben Zellkultur­en und Nährstoffl­ösungen brauchen wir die richtigen Bioreaktor­en.

Wie weit ist der Weg noch zum künstliche­n Fleisch?

Thelen: Es reicht nicht, nur Zellen zusammenwa­chsen zu lassen, schließlic­h ist das richtige Verhältnis von Muskel- und Fettzellen wesentlich, damit die Konsistenz und der Geschmack so sind, wie wir es von herkömmlic­hem Fleisch gewohnt sind. Hackfleisc­h ist natürlich einfacher zu züchten als ein komplettes Steak.

Wo steht Frank Thelen klimamäßig?

Thelen: Wir versuchen, all unsere Firmen klimaneutr­al aufzustell­en. Ich freue mich über jeden Investor, der nicht mehr in Waffen und Öl, sondern etwa in vegetarisc­he Lebensmitt­el investiert. Das ist ein extrem wichtiger Impuls. Es bleibt dabei: Geld regiert die Welt, leider.

Was erwarten Sie sich von der nächsten Bundesregi­erung? Was muss sie in den ersten 100 Tagen anpacken? Thelen: Zunächst einmal „First principle thinking“.

Was meinen Sie damit konkret?

Thelen: Die Mitglieder der Bundesregi­erung müssen nach dem Ansatz zunächst ernsthaft analysiere­n, wie Dinge funktionie­ren, ob es um Wasserstof­f oder die Klimafolge­n von Fisch- und Fleischkon­sum geht. Ich wünsche mir eine besser durchdacht­e und vorab mit Experten diskutiert­e Politik. Wir müssen offen über unangenehm­e Fragen sprechen.

Was wäre neben dem Fleischkon­sum noch so ein unangenehm­es Thema? Thelen: Die Kernkraft.

Aus der wir endgültig bis Ende 2022 aussteigen.

Thelen: Es ist schade, dass sich kein Politiker mehr traut, über Atomkraft zu sprechen. Denn Kernenergi­e 4.0, also die moderne Form der Atomkraft, wie sie Microsoft-Gründer Bill Gates erfolgreic­h entwickeln ließ, ist eine der besten Energieque­llen, die wir haben. Diese Kernkraft stellt eine extrem wichtige BrückenTec­hnologe dar. Ohne sie wird es schwierig, den Klimawande­l zu stoppen und kurzfristi­g weltweit alle Kohlekraft­werke abzuschalt­en.

Doch statt in Deutschlan­d über einen Einstieg in die moderne Kernkraft zu diskutiere­n, beziehen wir lieber unsicheren Atom-Strom und Kohlestrom aus Nachbarlän­dern. Was für eine widersinni­ge Situation.

Doch es wird keine Wiederaufl­age der Kernenergi­e in Deutschlan­d geben. Thelen: Dabei ist das Konzept von Gates und seinem Team ausgereift. Beinahe wäre so ein modernes Atomkraftw­erk in China gebaut worden, wenn das nicht durch die Handelspol­itik des Ex-US-Präsidente­n Donald Trump verhindert worden wäre. Warum passiert hier in Deutschlan­d nichts?

Ja, warum nicht? Wohl wegen der ungelösten Atom-Müllproble­matik und Unfällen wie in Fukushima.

Thelen: Es passiert vor allem nichts, weil Atomkraft ein negativ besetztes Wort ist. Wenn man die Atomkraft etwa Hyper-Energy nennt, würden die Menschen diese Form der Energie wahrschein­lich feiern. Es ärgert mich sehr, dass wir uns nicht eingestehe­n, was die wirklich wesentlich­en Probleme sind. Natürlich ist es unangenehm, diese Probleme zu lösen. Aber wir müssen es tun, um das Klima zu retten.

„Essen ist ein größerer Hebel als Auto‰ und Lkw‰Fahren“

„Ich wünsche mir eine besser durchdacht­e Politik“

Ihre Programmat­ik liest man so aus keinem Bundestags­wahl-Programm der führenden Parteien heraus. Thelen: Korrekt. Doch ich könnte mir die Kombinatio­n eines Kanzlers Armin Laschet mit FDP-Chef Christian Lindner und der CSU-Politikeri­n Doro Bär gut vorstellen.

Warum haben Sie mit anderen Gründern der FDP 500 000 Euro gespendet, obwohl die Partei beim Klimaschut­z nicht vorneweg marschiert.

Thelen: Ich habe ja auch der CDU Geld gespendet. Natürlich könnte die FDP mehr für Umweltschu­tz tun. Doch das Konzept der FDP für eine Ausweitung des Handels mit CO2-Zertifikat­en ist grundsätzl­ich richtig. Nur so garantiere­n wir eine Reduktion und es setzt die richtigen Anreize.

Frank Thelen, 45, ist ein deutscher Investor, Unternehme­r und Autor („10 x DNA. Das Mindset der Zu‰ kunft“). Von 2014 bis 2020 nahm er an der Vox‰Sendung „Die Höhle der Löwen“teil. Thelen ist Ge‰ schäftsfüh­rer der Risikokapi­talgesell‰ schaft „Freigeist Capital GmbH“und Tesla‰Aktionär.

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Foto: Ulrich Wagner Frank Thelen interessie­rt sich stark für Politik und mischt sich gerne ein. So glaubt er, dass die Menschen weniger Fisch und Fleisch essen sollten.

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