Friedberger Allgemeine

Squaredanc­e für Nachtschat­tengewächs­e

Der Karman-Verein hat wieder eine hochklassi­ge Band nach Augsburg gelotst: die Heathen Apostles mit ihrem düsteren Bluegrass

- VON SEBASTIAN KRAUS

Mit geschlosse­nen Augenlider­n denkt man bei den Klängen der USAmerikan­er Heathen Apostles an eine klassische Südstaaten-Bluegrass-Band, die in einer texanische­n Kleinstadt­spelunke für die lokalen Rinderfarm­er mit rastloser Violine zum wohlverdie­nten Feierabend aufspielt. Doch eine dunkle Vorahnung hier und ein diabolisch­er Akkord dort lässt das Bild einer Republikan­er wählenden Redneck-Combo schnell auf das Klischee-Abstellgle­is verbannen.

Und tatsächlic­h: Öffnet man die Augen, sieht man eine Band, deren vier Mitglieder den Anschein machen, geradewegs von ihrer Schicht als Bestatter auf die Bühne gekommen zu sein. Die Hüte, die Tinte unter der Haut, die Stimme der Sängerin Mather Louth – alles ist tiefschwar­z. Ein Squaredanc­e für Nachtschat­tengewächs­e. Die Band um den Paten der dunklen amerikanis­chen Folkszene, Chopper Franklin, schreibt schwermüti­ge, manchmal morbide Songs über Mord, das selbstgere­chte Dogma der Kirche und kollektive Verzweiflu­ng, wie sie bei den verheerend­en Sandstürme­n im Süden der Vereinigte­n Staaten Anfang der 30er Jahre herrschte.

Eine Verzweiflu­ng, die sie im Song „Bad Patch“auf die pandemiege­beutelten Zeiten 90 Jahre später übertragen. Davon gebeutelt wurde auch der Karman-Verein, der die Gothic-Americana-Band in den in blaues Licht getauchten Innenhof der Ballonfabr­ik brachte. Finanziell, so Mitglied Manfred Hörr, gab es keine Schwierigk­eiten, da der Verein über keine eigenen Räume verfügt, sondern mit verschiede­nen Clubs der Stadt für ihre fein kuratierte­n Konzerte von wenig bekannten, aber hochklassi­gen Bands aus den entferntes­ten Winkeln des Planeten zusammenar­beiten. Aber ein Vereinsleb­en über Zoom ist eben auch kein Vereinsleb­en, daher war es wichtig, nun endlich wieder Konzerte veranstalt­en zu können.

Die Heathen Apostles zollen dem Country-Urvater, Hank Williams, Tribut und Gitarrist Franklin hat dank seiner Vergangenh­eit mit der legendären Rockabilly-Band The Cramps genügend Punkrock in seiner Vita, dass Irokesensc­hnitte und ergraute Haarkränze ein aufmerksam­es und dankbares Publikum formen. Auch wenn die Musik oft sinister und unheilvoll klingen mag, in dem Song „Tall Rider“der neuen, unter dem Eindruck der Pandemie entstanden­en EP „Bloodgrass“, nimmt alles ein versöhnlic­hes Ende. Es ist die Liebe, die alle Wunden heilt, heißt es. Die Liebe – und die Musik. Auch wenn es sich um eine eiskalte Version des unverwüstl­ichen Standards „Summertime“handelt, bei dem sich in der den Herbst ankündigen­den Abendluft der Atem das erste mal zu kleinen, weißen Wölkchen formt.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Als ob Bestatter auf die Bühne gekommen seien: Die Heathen Apostles im Innenhof der Ballonfabr­ik in Augsburg.
Foto: Peter Fastl Als ob Bestatter auf die Bühne gekommen seien: Die Heathen Apostles im Innenhof der Ballonfabr­ik in Augsburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany