Squaredance für Nachtschattengewächse
Der Karman-Verein hat wieder eine hochklassige Band nach Augsburg gelotst: die Heathen Apostles mit ihrem düsteren Bluegrass
Mit geschlossenen Augenlidern denkt man bei den Klängen der USAmerikaner Heathen Apostles an eine klassische Südstaaten-Bluegrass-Band, die in einer texanischen Kleinstadtspelunke für die lokalen Rinderfarmer mit rastloser Violine zum wohlverdienten Feierabend aufspielt. Doch eine dunkle Vorahnung hier und ein diabolischer Akkord dort lässt das Bild einer Republikaner wählenden Redneck-Combo schnell auf das Klischee-Abstellgleis verbannen.
Und tatsächlich: Öffnet man die Augen, sieht man eine Band, deren vier Mitglieder den Anschein machen, geradewegs von ihrer Schicht als Bestatter auf die Bühne gekommen zu sein. Die Hüte, die Tinte unter der Haut, die Stimme der Sängerin Mather Louth – alles ist tiefschwarz. Ein Squaredance für Nachtschattengewächse. Die Band um den Paten der dunklen amerikanischen Folkszene, Chopper Franklin, schreibt schwermütige, manchmal morbide Songs über Mord, das selbstgerechte Dogma der Kirche und kollektive Verzweiflung, wie sie bei den verheerenden Sandstürmen im Süden der Vereinigten Staaten Anfang der 30er Jahre herrschte.
Eine Verzweiflung, die sie im Song „Bad Patch“auf die pandemiegebeutelten Zeiten 90 Jahre später übertragen. Davon gebeutelt wurde auch der Karman-Verein, der die Gothic-Americana-Band in den in blaues Licht getauchten Innenhof der Ballonfabrik brachte. Finanziell, so Mitglied Manfred Hörr, gab es keine Schwierigkeiten, da der Verein über keine eigenen Räume verfügt, sondern mit verschiedenen Clubs der Stadt für ihre fein kuratierten Konzerte von wenig bekannten, aber hochklassigen Bands aus den entferntesten Winkeln des Planeten zusammenarbeiten. Aber ein Vereinsleben über Zoom ist eben auch kein Vereinsleben, daher war es wichtig, nun endlich wieder Konzerte veranstalten zu können.
Die Heathen Apostles zollen dem Country-Urvater, Hank Williams, Tribut und Gitarrist Franklin hat dank seiner Vergangenheit mit der legendären Rockabilly-Band The Cramps genügend Punkrock in seiner Vita, dass Irokesenschnitte und ergraute Haarkränze ein aufmerksames und dankbares Publikum formen. Auch wenn die Musik oft sinister und unheilvoll klingen mag, in dem Song „Tall Rider“der neuen, unter dem Eindruck der Pandemie entstandenen EP „Bloodgrass“, nimmt alles ein versöhnliches Ende. Es ist die Liebe, die alle Wunden heilt, heißt es. Die Liebe – und die Musik. Auch wenn es sich um eine eiskalte Version des unverwüstlichen Standards „Summertime“handelt, bei dem sich in der den Herbst ankündigenden Abendluft der Atem das erste mal zu kleinen, weißen Wölkchen formt.