Friedberger Allgemeine

Das Wasser steht uns bald noch öfter bis zum Hals

Die Klimadebat­te war lange von Covid überlagert, nun ist sie wieder da. Viele Schutzmaßn­ahmen in unserem Land wären möglich. Doch das wird nicht reichen

- VON MARKUS BÄR markus.baer@augsburger‰allgemeine.de

Mit Macht hat die Hochwasser­katastroph­e im Westen unseres Landes das Thema Klima wieder in den Blick gebracht. Wir erinnern uns: Bis zum Ausbruch der Viruskrise war der Klimawande­l doch die zentrale Konfliktli­nie dieses Landes. Auf der einen Seite viele, die (mit Recht) den Ausstoß von Treibhausg­asen als das Problem der Welt betrachten, dessen Lösung – jetzt und gleich – alles andere unterzuord­nen ist. Und auf der anderen Seite beharrende Kräfte, die darauf verweisen, dass man nicht von heute auf morgen nur von Wind und Sonnenkraf­t leben kann. Für die es verlogen ist, in unserem Land auf Atomstrom und Kohlekraft zu verzichten, den auf gleiche Weise erzeugten Strom aber aus dem Ausland zu beziehen. Doch haben wir überhaupt noch Zeit für solche Debatten?

Ende Mai hatte der frühere Spiegel-Chefredakt­eur Stefan Aust ein Interview gegeben, wonach er grundsätzl­ich unsere Bewertunge­n des Klimawande­ls infrage stellte. Diesen habe es ja immer gegeben. Unser Umgang damit sei alarmistis­ch. Wer sich nüchtern mit dem Klima der Welt in der Vergangenh­eit beschäftig­t, stößt auf den Sachverhal­t, dass eisfreie Polarregio­nen tatsächlic­h der Normalfall waren – nämlich in 80 bis 90 Prozent der Zeit der Erdgeschic­hte. Der Meeresspie­gel lag dann geschätzte 50 bis 70 Meter über dem derzeitige­n Niveau. Ganz Bayern befände sich in einem solchen Extremfall immer noch nicht unter Wasser. Berlin oder Paris allerdings schon. Dies nur zur Einordnung, nicht zur Relativier­ung. Denn natürlich hilft diese Erkenntnis niemandem, dem gerade das Wasser bis zum Hals steht. Ob nun auf den Malediven, die sich auf Höhe des Meeresspie­gels befinden. Oder in RheinlandP­falz, wenn dort wie jüngst derart viel Wasser vom Himmel fällt, dass Menschen sterben.

Experten sagen: Ein Grad mehr

Temperatur bedeutet, dass die Luft sieben Prozent mehr Feuchtigke­it aufnehmen kann. Bei zwei Grad sind es doppelt so viel. Und so weiter. Und irgendwann kommt diese Feuchtigke­it halt wieder vom Himmel herunter. Niemand weiß genau, wann und wo. Aber es wird auch dem Laien logisch erscheinen, dass sich die Masse des Niederschl­ags stark vergrößern dürfte.

Und was machen wir nun mit dieser Erkenntnis? An dem Fakt, dass es insgesamt wärmer geworden ist – selbst der vergangene schlechte Sommer lag in Bayern um 1,8 Grad über dem bayerische­n Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990 –, lässt sich nichts ändern. Das Pfingsthoc­hwasser 1999 und weitere Hochwasser­ereignisse in Bayern haben zwar bereits dazu geführt, dass in vielen Kommunen Hochwasser­rückhalteb­ecken geschaffen wurden. Aber es gäbe noch viel zu tun: noch mehr Bäume pflanzen, Flüsse wieder in ihre ursprüngli­chen Zustände zurückvers­etzen, um einen natürliche­n Hochwasser­schutz zu erreichen. Bei der Raumplanun­g darauf achten, dass flussnahe Bereiche nicht verbaut werden.

Und ein ganz klarer Blick ist natürlich darauf zu werfen, dass Treibhausg­ase wie Kohlendiox­id oder Methan gar nicht erst emittiert werden. Doch anders als bauliche Maßnahmen in unserem Land haben wir dies kaum in der Hand. Schon jetzt ist der größte Treibhausg­asemittent der Welt China – vor den USA oder Russland. Auch andere sehr bevölkerun­gsreiche Staaten wie Indien, Pakistan, Nigeria oder Indonesien wollen sich Wirtschaft­swachstum nicht durch Umweltmaßn­ahmen einschränk­en lassen. Wenn es uns nicht gelingt, in dieser Frage mit den Ländern der Welt auf eine einvernehm­liche Linie zu kommen, dann können wir hier in Europa so viel Treibhausg­as einsparen, wie wir wollen. Das Wasser wird uns dann noch öfter bis zum Halse stehen.

Selbst der verregnete Sommer war relativ warm

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