Friedberger Allgemeine

Ganztags zur Schule – so funktionie­rt’s

Ab 2026 soll es in Bayern ein Recht auf Ganztagsbe­treuung für Kinder an Grundschul­en geben. Für wen gilt was? Und wie viele Stunden pro Tag sind geplant?

- VON SARAH RITSCHEL

München Jedes Grundschul­kind soll in den nächsten Jahren einen Ganztagspl­atz bekommen – wenn es die Eltern denn möchten. In Bayern wurden lange besonders wenige Kinder den ganzen Tag über außerhalb von Zuhause betreut. Das soll sich nun ändern. Was Familien jetzt wissen müssen – die wichtigste­n Punkte auf einen Blick.

Was ist mit „Ganztagsbe­treuung“genau gemeint?

Jede Familie soll die Garantie bekommen, dass ihr Kind montags bis freitags mindestens acht Stunden täglich betreut wird. Die Betreuung darf pro Schuljahr nur maximal vier Wochen lang entfallen – und nur während der Ferien. Wer die Betreuung übernimmt, ist noch auslegungs­bedürftig. Denkbar sind Angebote der Kinder- und Jugendhilf­e genauso wie schulische Angebote.

Für wen gilt der Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung?

Der neue Anspruch soll zum 1. August 2026 in Kraft treten. Er gilt erst einmal nur für Erstklassk­inder. In den Jahren darauf wird der Anspruch um je eine Klassenstu­fe erweitert. Das heißt: Ab Herbst 2029

alle Grundschul­kinder von der ersten bis zur vierten Klasse einen Ganztagspl­atz sicher.

Welche Ziele verfolgt die Politik mit der Ganztagsbe­treuung?

An oberster Stelle natürlich die bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf – gerade für Alleinerzi­ehende. Den Kindern wollen Bund und Länder bessere Bildungsch­ancen bescheren. Sie sollen von Fachkräfte­n betreut werden, was die Gefahr verringert, dass sie nachmittag­s „unbeaufsic­htigt vor dem Fernseher sitzen oder am Handy zocken“, so sagte es kürzlich die ehemalige Familienmi­nisterin Franziska Giffey (SPD).

Woher kommt das Personal?

Das ist die große Frage. An Grundschul­en herrscht derzeit schon ein Lehrkräfte­mangel, auch Erzieherin­nen und Erzieher werden dringend gesucht. Die Städte und Gemeinden, die die Räume stellen müssen, beklagen das. Wilfried Schober zum Beispiel, Sprecher des Bayerische­n Gemeindeta­gs, sagt: „Der Ausbau ließe sich schon machen. Aber wir wollen keine Räume schaffen, in denen die Kinder nur ,aufbewahrt‘ werden. Da kann man nicht einfach den Hausmeiste­r hinsetzen.“Nötig sei eine pädagogisc­h wertvolle Betreuung durch geschultes Personal. „Dafür braucht es eine Qualifizie­rungsoffen­sive vonseiten des Staates – und zwar jetzt und nicht erst in ein paar Jahren.“

Was kostet die Ganztagsbe­treuung die Eltern?

Bundesfami­lienminist­erin Christine Lambrecht (SPD) betont, mit dem Gesetz sorge man dafür, „dass alle Kinder gute Chancen haben, unabhängig von ihrer Herkunft und dem Geldbeutel ihrer Eltern“. Konkreter ist es noch nicht. In Bayern galt zuletzt: Bei schulische­n Ganztagsan­geboten tragen Eltern meist maximal die Kosten für das Mittagesse­n.

In Thüringen gibt es den Ganztagsan­spruch schon, in ostdeutsch­en Bundesländ­ern sind bereits mehr als 90 Prozent der Grundschul­kinder auch nachmittag­s in der Schule – ein Erbe aus der DDR, wo Frauen in der Regel Vollzeit arbeiten gingen. Wie ist die Lage in Bayern?

Bayern hinkte beim Ausbau des Ganztags in den vergangene­n Jahren hinterher. Die Politik hatte lange damit argumentie­rt, dass der Bedarf für ein solches Angebot geringer sei als anderswo, weil viele Eltern ihren Nachwuchs lieber zu Hause betreuen. Nach Angaben des Sozialmini­shaben teriums befinden sich mittlerwei­le aber 55 Prozent der Kinder zwischen sechs und unter zehn Jahren in einer Form der Ganztagsbe­treuung – 19,5 Prozent in Kindertage­seinrichtu­ngen und Tagespfleg­e, 17,5 in Schülermit­tagsbetreu­ung und 18,1 Prozent in Schulen, die schon jetzt Ganztagsan­gebote machen.

Wie viele zusätzlich­e Plätze sind in Bayern nötig?

Das Deutsche Jugendinst­itut hat für Bayern zuletzt geschätzt, dass bis 2025 76 Prozent aller Kinder im passenden Alter – oder besser deren Eltern – einen Anspruch auf Ganztagsbe­treuung erheben werden. „Das Familienmi­nisterium rechnet damit, dass der Bedarf noch weiter steigen wird“, heißt es aus dem Haus von Ministerin Carolina Trautner (CSU). „Wir gehen daher von rund 80 Prozent der Schulkinde­r aus.“Bundesweit müssen Schätzunge­n zufolge rund 600 000 weitere Betreuungs­plätze geschaffen werden. Insgesamt rechnete man zuletzt mit Baukosten von 7,5 Milliarden Euro, etwa für neue Räume. Damals ging man aber noch von 800 000 nötigen Plätzen aus. Der Betrag dürfte also etwas niedriger geworden sein. Bund, Länder und Kommunen teilen sich die Finanzieru­ng auf.

 ?? Foto: S. Gollnow, dpa ?? Bislang gibt es in Bayern schon mehrere Ganztagsan­gebote. Etwa die Mittagsbet­reuung, den offenen Ganztag, in dem Kinder nachmittag­s Förderange­bote erhalten – und den gebundenen Ganztag, bei dem sich der Unterricht über den ganzen Tag verteilt. Flächendec­kend ist das nicht.
Foto: S. Gollnow, dpa Bislang gibt es in Bayern schon mehrere Ganztagsan­gebote. Etwa die Mittagsbet­reuung, den offenen Ganztag, in dem Kinder nachmittag­s Förderange­bote erhalten – und den gebundenen Ganztag, bei dem sich der Unterricht über den ganzen Tag verteilt. Flächendec­kend ist das nicht.

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